Ausgerechnet Brüderles Wirtschaftswahnsinnige wollen dem Kartellamt erlauben, Konzerne zu zerschlagen. Ein Schelm, wer dabei an die Deutsche Bank denkt. Die FAZ nennt die Stromkonzerne als Kandidaten für ein solches Vorgehen, aber das glaubt doch nicht wirklich jemand?
Die offizielle Begründung mußte ich dreimal lesen, um mir einzugestehen, daß ich langsam keine Worte mehr finde für den Quatsch, mit dem die talentfreien Selbstheiler sich ihre Psychose gesund faseln:
“Die erweiterten Mitspracherechte des Kartellamtes in Gesetzgebungsprozess begründet das Ministerium mit der Debatte um die Allgemeinverbindlicherklärung des Mindestlohns bei der Briefzustellung. Das habe gezeigt, wie sehr der Gesetzgeber den Wettbewerb verzerren könne. Deshalb sei sicherzustellen, ‘dass mögliche negative Wettbewerbseffekte neuer Gesetze oder Verordnungen, wie Auswirkungen auf den Produktmarktwettbewerb und die Interessen der Verbraucher, gesehen und berücksichtigt werden.’ ”
Also … es gab eine Debatte um den verhaßten Mindestlohn. Das war schlecht. Es gab diese Debatte, weil es zu wenig Wettbewerb gegeben habe. Mit der Debatte habe der Staat (!) den Wettbewerb verzerrt. Das soll das Kartellamt zukünftig ändern, wenn es wieder einmal viel zu spät ist.
Daß die Privatisierung der Infrastruktur zu diesen Verhältnissen geführt haben könnte, darauf kommen diese Experten nicht. Wie “mehr Wettbewerb” Lohndumping verhindern soll, ist mir allerdings ebenso schleierhaft wie der Einfluß des Kartellamts auf die Bezahlung von Arbeitnehmern.
Antsatt also einzuräumen, daß das Verscherbeln staatlichen Eigentums, auf das die Bürger angewiesen sind, grundfalsch war, anstatt die Rechte der Arbeitnehmer zu stärken, um Löhne nicht noch weiter zu drücken, anstatt den Staat seine Arbeit machen zu lassen, soll also der Staat einschreiten können, um einen Wettbewerb zu sichern, der nicht existiert? Das ist Kopfkino vom Allerbuntesten. Ich will auch diese Pillen!
Wohin dieser dumpf religiöse Glaube an einen Wettbewerb führt, der es schon richte, kann man allerorten sehen, wenn man denn hinschaut. Aktuell brennt in Griechenland nicht mehr der Baum, sondern der ganze Wald ist abgefackelt. Die Hellenen sind nicht nur pleite, sondern ein ganz und gar hoffnungsloser Fall. Zurecht nennt die TAZ als eine der Ursachen, daß Euro-”Partner” Deutschland mit seiner organisierten Lohndrückerei der letzten 20 Jahre auf Kosten der anderen wirtschaftet.
Hinzu kommt, daß die Einführung des Euros und die erwürfelten Konvergenzkriterien von vornherein für die Schwächeren in Euroland fatal waren. Wie wir wissen, gab es “keine Alternative” damals. Das Desaster hatte genau so stattzufinden. Es ist wahr: Die Griechen haben getürkt wie sonst nur richtige Banker, um ihre Bilanzen schönzurechnen. Was, wenn sie “ehrlich” gewesen wären? Womöglich wäre der Euro gar nicht eingeführt worden, vielleicht hätte man mit deutlich höheren Inflationsraten leben müssen, aber die galten ja als böse, seit Hans Tietmeyer das so festgelegt hatte. Der Mann ist überhaupt verdächtig, als unfähigster Ökonom aller Zeiten in die Geschichte einzugehen. Deshalb galt sein Wort wohl auch als Gesetz.
Überall ächzen die Volkswirtschaften unter den Geldströmen in die immer gleichen Taschen. Überall kann man zu niedrige Löhne als einen Quell der Probleme dingfest machen. Immer häufiger, immer schneller endet das unkontrollierte Treiben der großen “Wettbewerber” in Katastrophen. Und jetzt wird ein notwendiges Mittel zur Regulierung eingeführt um Wettberwerb zu fördern und Löhne niedrig zu halten? Damit das Wachstum wieder für Wohlstand sorgt?
Herr, laß Hirn vom Himmel fallen!
Januar 11th, 2010 at 00:45
“Laß Hirn vom Himmel fallen” ist nun wirklich ein uralter Spruch. Ich habe da eine noch ältere Ergänzung: “Was nutzt das, wenn die Gebrauchsanweisung nicht mitgeliefert wird?”
Januar 11th, 2010 at 01:08
Kann dir da eigentlich in allen Punkten nur zustimmen.
Januar 11th, 2010 at 04:37
Keine Sorge.
In der FAZ steht ja, dass das WiMi nicht damit rechnet, dass von dieser Regelung oefter gebrauch gemacht wird.
Zu Deutsch: Das ist wieder so ein Alibi-Gesetz, mit dem die Regierung belegen kann, dass sie doch etwas zur Regulierung tut,
das aber mangels Umsetzung keine praktischen Auswirkungen hat.
Nicht zustimmen kann ich in dem Punkt, dass Tietmeyer ein unfaehieger Oekonom sei. Lies mal seinen Beitrag in der Festschrift zum 40-jaehrigen Bestehen des SVR:
https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/publikat/40jahre.php
Da wird klar, worum es dem Mann ging und geht: Drueckung der Loehne.
Und das dieses Ziel, auch Dank seines tatkraeftigen Einsatzes voll erreicht wurde, und dass es sich fuer ihn aus persoenlich ausgezahlt hat, kann nun wirklich niemand leugnen.
Waehre er nur unfaehig gewesen…
Januar 11th, 2010 at 07:39
Das Porblem ist ja auch, dass den Schaden von Strafzahlungen, Zerschlagungen, etc. von Konzernen immer der Arbeitnehmer trägt. Ich wäre mal für eine direkte Haftung der Manager. Dann haben sie das Geld auch verdient. Denn alles zu überwachen und auf Nummer sicher gehen zu müssen bei großen Konzernen ohn sich strafbar zu machen ist ein echtes Risiko. Der Vorteil wäre, das verdammt viele gut bezahlte Arbeitsplätze sofort frei wären.
Januar 11th, 2010 at 11:45
Die deutsche Wettbewerbsfähig- und Standortfestigkeit entscheidet sich letztlich an der Briefträgerfront. Die Rechnung des Stromkonzerns, die dir morgen zugestellt wird, kannst du nicht heute schon bezahlen. Ist dir das zu komplex? Versuche folgendes: Lösche das Licht und öffne den Kühlschrank. Dessen Beleuchtung reicht aus, um weiter zu lesen. Und die Flasche, die inzwischen nicht mehr halbvoll sondern halbleer ist, findest du allemal mit geschlossenen Augen.
Januar 11th, 2010 at 15:46
A propos Lohndrückerstrategien:
Ungeregelte Zuwanderung als gezieltes Mittel den Sozialstaat zu zerstören:
https://www.fazfinance.net/Aktuell/Wirtschaft-und-Konjunktur/Europa-im-Niedergang-2673.faz?print=1
Januar 11th, 2010 at 17:06
Aus sicherer Quelle (mein Vater war Pfarrer) und definitiv weiß ich, dass der HERR Deinem Wunsch nicht nachkommen wird. Wir müssen das schon selber machen.
Januar 11th, 2010 at 17:10
@Alvar Hanso
Diese Kanlltüten empfehlen doch nur ein “Weiter so”, nur mit Erhöhung der Dosis.
Und Deutschland ist gerade dabei dieses zu machen.
SO werden wir den Markt endgültig ruinieren.
Januar 11th, 2010 at 17:39
Zeit, zu handeln.
Die ständige Wiederholung der ewig gleichen Beschreibungen unserer desolaten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände in allen möglichen Foren, beim SPIEGEL, der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Rundschau, den Nachdenkseiten oder der grossen Zahl der kritischen privaten Blogs nützt nichts mehr, könnte aber schon den Boden für Aktionen bereitet haben.
Es sieht nicht so aus, als sollten sich die Verhältnisse ändern, insbesondere ist die politische Kaste ganz offensichtlich weder willens noch in der Lage, die üppige Liste von Fehlentwicklungen abzuarbeiten – im Gegenteil. Röslers Lobbyarbeit für seinen Berufsstand und die Pharmaindustrie trägt bereits Früchte, die Lohndrückerei soll sich fortsetzen. Sogar die Medien trommeln insoweit schon wieder mit ihrer zahlenden Werbekundschaft: Für Lohnerhöhungen sei im Jahre 2010 kein Spielraum, weil die Krise noch nicht überwunden ist. Dies werden wir als Sprachregelung in den nächsten Wochen immer wieder zu hören bekommen. Vielleicht bekommen wir sogar “Steuersenkungen”, die allerdings durch erhöhte Beiträge und Gebühren nicht nur konterkariert, sondern sogar überboten werden dürften. Die Kommunen werden gar nicht anders können, sie sind teilweise jetzt schon pleite.
Die Missachtung der Wahlproletariats spottet gerade jeder Beschreibung und wird, etwa von Schäuble, schon ganz unverhohlen betrieben: Zu Wählen hat man gefälligst, bevor die CDU uns sagt, was sie nach den Wahlen tun wird, in genauer Wiederholung dessen, was Merkel bereits bei den Bundestagswahlen veranstaltet hat. Ohne einen Hauch von Schamröte im Gesicht sagen uns Politprofis, man habe ein “Wachstumsbeschleunigungsgesetz” verabschiedet, von dem jeder, der die Grundrechenarten beherrscht, weiss, dass es ausser neuen Schulden gar nichts, wirklich gar nichts bewirken wird. Sogar die Hoteliers, deren Lobby die Mehrwertsteuervergünstigung durchgesetzt hat, verhöhnen diese Regierung nun ganz offen: Sie werden ihre Preise eher erhöhen als ermässigen, obwohl sie doch angeblich wegen der Mehrwertsteuerbelastung keine Preiswettbewerbsfähigkeit zu bieten hatten.
Was muss den noch passieren?
Offensichtlich ist die Unternehmerschaft nicht in der Lage zu begreifen, dass in einer Volkswirtschaft sinkende Löhne nicht zu Wachstum führen können. Ebensowenig begreifen sie, dass sie mit der Fortsetzung der Lohndrückerei den Ast absägen, auf dem sie selber sitzen – es ist nur eine Frage der Zeit.
Die Arbeitnehmer haben umgekehrt ganz offenbar noch nicht begriffen, welche wirkliche Macht sie haben – als die Konsumenten nämlich. Wenn der Staat nicht Willens ist, die krassen Missverhältnisse auf dem, was man irreführend “Arbeitsmarkt” nennt, zu beseitigen, dann die Arbeitnehmer/Konsumenten die Mittel des Marktes einsetzen. Der gebündelte Macht der Arbeitgeber ist die gebündelte Macht der Konsumenten entgegenzusetzen.
Wieso gibt es Unternehmen wie Schlecker und Lidl noch und wieso können diese Kaufleute ihre schmutzigen Geschäfte ungehindert zur persönlichen Bereicherung nutzen? Doch nur, weil die Arbeitnehmer/Konsumenten nch nicht auf die Idee gekommen sind, ihre Möglichkeiten zu nutzen. Gibt es eine Notwendigkeit, Schlecker bei der Ausbeutung seines Personals durch Einkäufe behilflich zu sein? Oder bei Lidl?
Wir haben die Möglichkeit, die Konsumenteninteressen zu bündeln und etwas langfristiger auszurichten, wir nutzen sie nur nicht. Das Internet ist als Werkezug noch nicht im Bewusstsein der Leute angekommen, wenn es, wie zuletzt in Italien, allmählich begriffen wird.
Also, gehen wir es an, quer durch alle Blogs, die sich für des Gemeinwesen verpflichtet sehen. Bisher verlässt sich die Arbeitgeberschaft darauf, dass die Arbeitnehmer/Konsumenten zu träge sind und bei ihrer privaten Nutzenmaximierung extrem kurzfristig denken. Das funktioniert schon seit mehr als 15 Jahren. Und seit mehr als 15 Jahren ist der gesamte Wohlstandszuwachs, der arbeitsteilig und gemeinsam erarbeitet worden ist, auf die oberen 10 % der Bürger verteilt worden, also auf die, die ihn den Einkommenszuwachs am wenigsten nötig haben – und die übrigen 90 % schauen träge und verkniffen einfach nur zu.
Wenn wir das beibehalten wollen, dann sollten wir auch aufhören zu klagen.
Dabei wird das Klären der Machtverhältnisse nach einer gewissen Zeit der Einübung keine grossen Mühen mehr verursachen – greife ich der Unternehmerschaft direkt ins Konto, lernt sie vermutlich extrem schnell. Wenn ein paar Schlecker-Läden geschlossen werden müssen, weil man sie weitgehend meidet, werden die Alarmglocken klingeln. Ein paar Demonstrationen dieser Art, und der Spuk der hemmungslosen Nutzung einer “Markt”situation auf dem Arbeitsmarkt wird ein Ende haben.
Nur zur Abrundung: Die Liberalen werden uns zujubeln. Entspricht die Herrschaft der Konsumenten über die Güterproduktion und die Verteilung doch einem liberalen Ideal – Ludwig Edler v. Mises hat die ideale Wirtschaftsform schon so beschrieben.
Wenn auch nicht so gemeint.
Januar 11th, 2010 at 20:49
… “insbesondere ist die politische Kaste ganz offensichtlich weder willens noch in der Lage, die üppige Liste von Fehlentwicklungen abzuarbeiten – im Gegenteil.”
@Hermann Keske
Was Sie da festhalten, sehe ich längst nicht mehr in statischer Verharrung, sondern als einen erstaunlich “dynamischen” Prozess. Wie man das bewertet, wird immer individuell unterschiedlich sein.
Was die angesprochenen Milliardärs-Clans angeht, wird es Auswirkungen auf das “familiäre Wohlbefinden” sicher nicht so schnell geben. Was deren innere Unternehmensstrukturen betrifft, halte ich alles bis hinunter zur Stufe “prekär” bereits jetzt für möglich.
Januar 11th, 2010 at 21:27
Wir müssen uns dann aber doch mit den angestrebten Umstürzen so langsam ein bischen beeilen – sonst stehen bald an jeder Ampel Körper-Scanner und dann geht nix mehr.
Januar 11th, 2010 at 21:35
@ Alvar Hanso:
der Artikel ist ein echter Hammer. Diese beiden (Zensierte Flüche) haben nicht nur an italienischen, staatlichen, Universitäten studiert und längst ihr Schäflein im Trockenen sie reden auch noch absoluten Bockmist. In den skandinavischen Staaten mit hohem Anteil staatlicher Leistungen sind die Durchschnittseinkommen nicht nur höher als in den südlichen Staaten (https://tinyurl.com/yzeaggr) oder z.B UK sondern es sind auch die Gini-Inizes weitaus niedriger (https://tinyurl.com/yh2v3wg). Ich bin mir sicher, das auch die Medianeinkommen z.B der USA denen der skandinavischen Länder hinterherhinken würden habe aber leider keine Daten dazu (Hat jemand dazu Daten?).
CU
Januar 11th, 2010 at 23:40
@#9
Gut gebrüllt, mein lieber Keske.
“Offensichtlich ist die Unternehmerschaft nicht in der Lage zu begreifen, dass in einer Volkswirtschaft sinkende Löhne nicht zu Wachstum führen können. Ebensowenig begreifen sie, dass sie mit der Fortsetzung der Lohndrückerei den Ast absägen, auf dem sie selber sitzen – es ist nur eine Frage der Zeit.”
So aus eigener Erfahrung:
Unternehmern geht die Volkswirtschaft sonstwo vorbei, haben die keine Ahnung von, interrestiert die auch nicht.
Im Gegenteil, was sich bei ihnen betriebswirtschaftlich “positiv” bewährt, kann für den Staat als ganzen ja nicht schlecht sein.
Insbesondere was die Kompetenz des “richtig mit dem Geld umgehen”, oft blanker Geiz, angeht.
Dazu kommt teils die “Mittelstands”-Hybris, das die faule Restgesellschaft einem ja was schulde, weil man schließlich – völlig uneigennützig natürlich – Arbeitsplätze, das heiligste im Lande, geschaffen habe.
Gut, aber die Arbeitnehmer sind da nicht besser:
Warum kaufst du Gammelfleisch bei Lidl?
Weils sonst ein anderer machen würde.
Das anonyme System “Markt” schafft durch das von ihm gegebene Rechenschafts-Zeitfenster, positive oder negative Rückkopplungen eigener Kaufentscheidungen, einen Zustand der akzeptierten eigenen Verantwortungslosigkeit.
Gut, der Kunde hat theoretisch die Macht, sofern er sich organisiert.
Würde dieses organisieren von kritischen Massen denn generell funktionieren, hätte Flatter viel Freizeit, Merkel und ihr Nachtschattenkabinett wären von der Bevölkerung längst aus dem Amt getreten worden.
Die Idee von Flashmobs die im 3-Schichttakt die Filialen von Schlecker, Lidl und Co belagern und dort größtmöglichen wirtschaftlichen Schaden anrichten, find ich ja prinzipiell höchst sympathisch.
Nur wird derartiges wohl kaum von den Angestellten oder gar von den Kunden begrüßt werden.
Ich denke da vorallem an Dutschkes Vietnam-Aktion, wo dieser dann von einer Meute Kirchgänger verprügelt wurde, weil er ihnen Fotos verbrannter Kinder gezeigt hatte.
Ich denke sogar das der “Volkszorn” gegen die Störer sozial-marktwirtschaftlicher Ordnung einfacher zu mobilisieren sein wird, seitens der allseits beliebten Bratwurstmedien, als gegen die mainhattener Raubbanker.
Und hinterher kommen dann die Dolchstoßlegenden, nicht unsere korrupte Elite hat das Land ruiniert, nein, der sich verweigernde Kunde wars, der links-terroristische Tierschützerextremist.
Ich denke das muss alles erst noch viel schlimmer werden…
Januar 12th, 2010 at 00:40
Heute heist es noch Wettbewerb, morgen Kampf um “unsere” Resourcen und übermorgen KRIEG.
In Uminterpretation des Klassikers Clausewitz zu sprechen:
Krieg ist die Fortsetzung des Wettbewerbs mit definitiv den letzten Mitteln.
Auf die neuen Ordensbleche kann dann ja auch wie folgt gedruckt werden:
Er starb im Glauben für Dieselöl und Esso-Extra.
Januar 12th, 2010 at 01:00
Und der zentrale Glaubenssatz an der Koppel:
“Wachstum mit uns”
Januar 12th, 2010 at 08:52
@Alvar: Nein, da gehört dran “Arbeit macht frei”.
Oder wie sonst soll ich mir die mediale und von der Politik betriebene Hetzjagd auf diejenigen erklären, die keine Arbeit haben bzw. finden?
Nur der, der für möglichst wenig Kohle ohne zu mucken den Buckel krumm schafft, ist ein guter Bürger. Und der kostet eigentlich noch viel zu viel.
Januar 13th, 2010 at 04:44
@ Hermann Keske (9):
“Wieso gibt es Unternehmen wie Schlecker und Lidl noch und wieso können diese Kaufleute ihre schmutzigen Geschäfte ungehindert zur persönlichen Bereicherung nutzen? Doch nur, weil die Arbeitnehmer/Konsumenten nch nicht auf die Idee gekommen sind, ihre Möglichkeiten zu nutzen. Gibt es eine Notwendigkeit, Schlecker bei der Ausbeutung seines Personals durch Einkäufe behilflich zu sein? Oder bei Lidl?”
In der Tat – es ist Zeit zu handeln. Und zwar schon länger. Aber meinst Du wirklich, dass “der Konsument” da tatsächlich etwas bewirken könne? Ganz abgesehen davon, dass Millionen von Menschen in diesem Land schlichtweg darauf angewiesen sind, ihr Leben möglichst billig zu bestreiten und deshalb keine Alternative zu den Discountern haben, macht es meines Erachtens auch keinen Unterschied, ob man nun bei Schlecker, Lidl, Aldi, Penny, dm oder wo auch immer einkauft. Die Arbeitsbedingungen der Angestellten sind überall gleich schlecht – auch wenn hin und wieder eine dieser Firmen in besonders schlechtem Licht erscheint, weil wieder einmal ein Skandal aufgeflogen ist.
“Der Konsument” hat keine Macht. Das ist ein marktüblicher Mythos, der gerne bemüht wird, um andere – weitaus wirksamere Regelungen – zu unterdrücken. Um die bekannten Missstände in den Discountern zu beseitigen, bedürfte es nur weniger gesetzlicher Regelungen (Beschränkung bzw. Abschaffung von Leiharbeit und Minijobs sowie ein angemessener Mindestlohn) – und schon wäre da der Riegel vorgeschoben.
Dass das selbstredend nicht geschehen wird, ist politisch und natürlich auch von Konzernseite gewollt. Und es ist exemplarisch für die gesamte Arbeitswelt zu sehen.
Wenn sich wirklich etwas ändern soll, muss die an der Macht hängende politische, wirtschaftlich verwobene und korrumpierte Klasse abgesetzt werden – die hat ja nun eindrucksvoll seit so vielen Jahren bewiesen, dass sie unter keinen Umständen das Wohl der Bürger im Sinn hat.
Es ist Zeit zu handeln, wahrlich. Aber ein alternativer Einkauf bei Aldi oder Plus statt bei Lidl ist nicht das Handeln, das notwendig ist. Das wäre ein Scheingefecht, das nur den Kapitalisten nutzt; das den Glaubenssatz des scheinbaren “Wettbewerbes” weiter untermauern würde. Wir brauchen keine Konkurrenz … wir brauchen Solidarität, und wir brauchen Menschen, die auf die Straße gehen und laut rufen: “Wir wollen einen anständigen, angemessenen Lohn für unsere Arbeit!” Dann wären sie auch in der Lage, mehr für Lebensmittel zu bezahlen, die vernünftiger erzeugt und verkauft werden. Aber das ist in unserem Land wohl nur Wunschdenken.
Januar 13th, 2010 at 09:14
@ Charlie # 17
Ja, ich meine wirklich, dass der Konsument etwas ändern könnte, und zwar ganz nachhaltig und ohne Gewaltanwendung.
Natürlich sind viele Leute darauf angewiesen, in Discount-Läden einzukaufen, weil sie sonst ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren können. Deshalb kann ich auch nicht alle Discountläden auf einmal boykottieren – der Witz besteht gerade darin, dass ich mir einzelne Unternehmen herausgreifen und in die Kniee zwingen kann. Die Leute sind doch, wenn ich Schlecker boykottiere, nicht gehindert, bei Lidl oder Aldi oder dem Penny-Markt einzukaufen. Sie müssen gar nicht mehr Geld ausgeben, allenfalls ein paar Unbequemlichkeiten ertragen wegen weiterer Wege oder ähnlichem. Ich bin fest davon überzeugt, dass Schlecker binnen weniger Wochen die Segel streicht und seinem Personal angemessene Löhne und sonstige Arbeitsbedingungen bieten wird.
Das alles muss gemacht werden, solange es noch geht, solange noch verschiedene Discounter am Markt aktiv sind. Die Zeit drängt, denn die Konzentrationsprozesse laufen ja, überall im Zuge der Globalisierung. Wenn sich der Wettbewerb auf zwei Teilnehmer reduziert hat, geht nichts mehr, dann ist diese Mittel verloren.
Der Konsument hat wirklich Macht, das ist ganz unbezweifelbar. Das einzige Problem besteht darin, die Arbeitnehmer/Konsumenten, die sich nun schon jahrzehntelang individualisieren, ja atomisieren lassen, wieder an solidarisches Handeln heranzuführen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass dies eine schwierige Aufgabe sein wird, aber man müsste es wenigstens versuchen, zumal wir die technisch-organisatorischen Mittel doch zur Verfügung haben. Ein erster, öffentlichkeitswirksamer Erfolg mit dieser Methode, und die Geschichte wird ein Selbstläufer. Zum einen entdecken die derzeit paralysierten Opfer der gegenwärtigen Verhältnisse, dass sie, solidarisch, tatsächlich etwas ändern können, zum anderen entdecken die derzeitigen Gewinner, wie gefährlich ihnen die eigene Masslosigkeit werden kann, wenn die Opfe sich zusammenschliessen und ihre Interessen gebündelt vertreten.
Das soll kein Ersatz für andere, gründlichere Massnahmen und Vorkehrungen sein, dies ist nur erst ein Anfang. Ich sehe darin, dass die Leute schon zu einem ordentlichen Teil nicht mehr zur Wahl gehen, eine im Ergebnis fatale Resignation – Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten.
Ich habe es schon angesprochen, die öffentliche Verhöhnung der Wähler – und sogar der politischen Klasse – ist schon gar nicht mehr zu übersehen. Es geht schon an die Selbstachtung, wenn man Westerwelle, Merkel, Brüderle und Konsorten werkeln sieht und erkennt, für wie dämlich diese Leute ihr Publikum halten. Ob Sie nun Schäuble nehmen, der ganz offen mit seiner Vertröstung auf die Zeit nach der NRW-Wahl Wählerverhöhung betreibt, oder den Gesundheitsminister nehmen, der gerade einen Lobbyisten der privaten Krankenversicherer in sein Ministerium berufen hat – sie halten nicht einmal einen Rest von Täuschung für nötig. Die Beispiele könnte ich beliebig vermehren.
Der Vorschlag, die Leute auf die Strasse zu bringen, liegt nahe – aber wir werden damit derzeit noch keine Wirkung erzielen, sondern die Schafherde bleiben, die die Eingangssequenz von Chaplins Moderne Zeiten bildet und die wir jetzt als blökende Schar der Blogger modernisiert haben.
Ohne Aktionen mit unmittelbarer Wirksamkeit sind wir nur ein Teil des Systems – da wir nichts tun, was wirklich weh tun könnte, bilden wir die bunte Folklore, die den Unterhaltungswert der Show steigert.
Schlecker ist binnen eines Jahres pleite – wenn wir das wollen. Das wird die anderen Ganoven aufschrecken wie einen Hühnerhaufen – wir sollten es wenigstens einmal probieren. Übernehmen wir Schlecker vom Insolvenzverwalter, machen daraus einen genossenschaftlich organisierten Betrieb, der mit bescheidenen Gewinnen auskommen kann, und dann schaun wir mal, und wie unsere herrschende Schicht reagiert.
Januar 13th, 2010 at 15:42
Nachtrag
In der Tat ist die gesamte politische Kaste aus ihren Ämtern zu entfernen. Nur ist das ein geradezu unlösbares Problem. Wir bekommen doch nicht einmal den ersten Schritt in diese Richtung hin: Der bestände darin, den Wähler direkt entscheiden zu lassen, welcher der Kandidaten einer Partei gewählt sein soll, statt dass die Parteien dies in ihrer Listenaufstellung intern entscheiden.
Eine solche Wahlrechtsänderung müsste die herrschende Kaste beschliessen – und sie wird es ums Verrecken nicht tun. Ende der Diskussion.
Wir müssen handeln, und mein Vorschlag ist eine Option, schnell Wirkung zu erzielen und vor allem einer breiten Öffentlichkeit zu signalisieren, dass wir etwas ändern können, wenn wir nur wollen und uns ein bisschen organisieren.
Vielleicht hat Alvar Hanso recht, dass wir weitere Katastrophen brauchen, bis die Leute endlich das Gesäss aus dem Sofa heben, aber wir sollten wenigstens anfangen damit. Es wird schon noch genug Arbeit und Zeit brauchen, bis Aktionen wirklich genügend Helfer finden und durchschlagen können, aber je länger wir untätig zuschauen, desto schwerer wird es werden.
Januar 13th, 2010 at 21:04
Der Staat soll, lt. Brüderle unn seine Brüder, keinen Wettbewerb machen? Steuersenkungen auf Teufel komm’ raus unn dann die Gehaltsforderungen des ÖD abschmettern mit dem Hinweis: “Geld iss leider alle!” Dat iss kein Wettbewerb, dat iss einfach nur ‘n geiler Trick!
Beste Grüße
Januar 14th, 2010 at 03:53
@ Hermann Keske:
Ich verstehe Deine Sicht der Dinge und teile sie auch in weiten Teilen. Ich glaube aber dennoch nicht, dass der Haufen der Kapitalisten sich maßlos erschrecken würde, wenn es tatsächlich dazu käme, dass Läden wie Schlecker oder Lidl wegen der aufgedeckten Missstände massenhaft boykottiert würden. Ich glaube auch nicht, dass das in unserem gewollt prekarisierten Land überhaupt machbar ist – siehe oben. Inzwischen ist es ja so, wenn ich das richtig gelesen habe, dass Schlecker zumindest teilweise zurückrudert – das ist nun ein Ergebnis der noch rudimentär vorhandenen Pressemacht in diesem Land.
Aber wie Du schon selbst schreibst – das Problem sitzt ja viel, viel tiefer. Niemandem ist wirklich geholfen, wenn es weiterhin erlaubt bleibt, anständig bezahlte Vollzeitarbeitsplätze einfach aufzusplitten in mehrere unterbezahlte 400-Euro-Jobs – ganz egal, in welchem Konzern das nun geschieht. Da ist Schlecker doch keine Ausnahme. Diese Praxis muss unterbunden werden, und zwar vehement!
Das Problem ist in der Tat, dass für solche und ähnliche Gedanken derzeit nur eine einzige Partei in Deutschland steht – und die wird nach wie vor medial blockiert. (Ob die Linke es WIRKLICH besser machen würde, sei an dieser Stelle mal dahingestellt.) Aber zumindest gibt es (noch) eine Option.
Welche anderen Wege gibt es denn, um diesen Filz aus Wirtschaft, Geld, Politik und Dummheit zu überwinden? Wahlen sind das erste Mittel, das man einsetzen muss (auch wenn man keine freie Presse mehr hat) – ich verstehe die vergangene Bundestagswahl als exemplarisch. Da haben offenbar immer noch viele Menschen den albernen Veröffentlichungen in der Presse geglaubt – aber sie erleben ja jetzt, was es wirklich bedeutet, die CDU und FDP gewählt zu haben. Und ich habe schon mit vielen Menschen gesprochen, die einfach nur noch entsetzt sind, was insbesondere die FDP anrichtet (auch wenn das Entsetzen so vorhersagbar war wie das “Amen” in der Kirche). Die nächste Bundestagswahl wird also die entscheidende. Eine Vorahnung können wir vielleicht erleben, wenn wir Glück haben, wenn im Mai in NRW gewählt wird.
Wenn sich herausstellt, dass die Propaganda stärker ist als das reale Erleben der Menschen, dann müssen wir in der Tat ganz neu anfangen zu denken. Dann nützen weder schöne Gedankenspiele etwas, die aus Schlecker eine Genossenschaft machen, noch die Hoffnung auf zukünftige Wahlen.
Um das klarzustellen: Diese Hoffnung auf Einsicht bzw. Erkenntnis einer Mehrheit unserer Mitmenschen ist wirklich nur eine Hoffnung. Ich glaube nicht wirklich daran. Ich befürchte, dass es noch viel, viel schlimmer werden wird, und ich habe große Angst vor der kommenden Zukunft.
Januar 25th, 2010 at 00:38
Georg Schramms Aussage, es waere eine Fehlannahme, dass das alles Versagen ist, ist richtig. Man sollte nicht den Fehler machen und glauben, dass diese Leute nicht wuessten, was ihre verordnete Lohndrueckerei bewirkt. Es ist eine Strategie, begonnen mit Hartz IV etc. Das Ziel von Hartz IV war nie Arbeitsplaetze zu schaffen, man brauchte nur ein Argument um es wenigstens halb verkaufen zu koennen.
Die Kunst waere nur noch zu unterscheiden, wer dummer Gehilfe/Marionette ist und wer der Taeter. Theoretisch wuerde man davon ausgehen, dass alle oeffentlichen Personen nur Marionetten sind, weil diese koennten ja abgewaehlt werden. Dann waers mit der Kontrolle vorbei. (Obwohl ich mir da bei Guttenberg nicht so sicher waere). Also die Frage, ist Merkel Taeter oder Werkzeug? Weiss sie, was sie tut, oder glaubt sie an diesen Aufschwung durch Lohnverzichtquark?
Wie man die Sache aendert? Nun ja. Die sog. Kapitalisten muessen Angst bekommen, der einzige Weg. Erhardt hat ja seine soziale Marktwirtschaft nicht zum Spass eingefuehrt, Bismarck die Sozialversicherung nicht aus Duselei. Der erste hatte Angst, dass der Poebel zum Kommunismus fluechtet, der zweite vor Aufstaenden. Diese Leute heutzutage sind sich ihrer Sache so sicher und sitzen auch derart fest im Sattel, dass ich derzeit keine Hoffnung sehe. Was bringen hier schon ein paar Euros weniger durch Boykott bei Lidl oder eine nette Demo. Es muesste sich breiter Widerstand regen, aber das ist in Dtl. eher unwahrscheinlich. Da ertraegt man, bis es reicht und schart sich dann hinter Einem in brauner Uniform, der aber auch wieder nur dafuer sorgt, dass die gleichen Leute am Konflikt verdienen.
Nagut, unwahrscheinlich, dazu gibt’s in Deutschland nicht genug junge Leute. Aber naja, es gibt sicherlich noch andere Laender die Terroristen beherbergen, dann macht mans halt im Kleinen.