Militärmacht Deutschland – mittendrin statt nur dabei
Posted by flatter under PolitikKommentare deaktiviert
14. Dez 2009 23:35
Patrick Bahners (FAZ) glaubt, er habe jetzt den Überblick über Guttenbergs Informationspolitik. Leider bin ich nach Lektüre seines Artikels eher noch verwirrter bezüglich der Abläufe nach dem Bombardement. Immerhin bestätigt sich aufs Deutlichste, was ich bereits resümmiert hatte: Es geht ums Töten, wie das in einem Krieg eben üblich ist.
Dazu paßt auch die zeitlich sehr deplazierte Nachricht über den General des Friedens-Nobelpreisträgers. Ein wenig tendenziös formuliert, weil etwa nicht erkennbar ist, von wem das Zitat
“Wenn einer der von uns gesuchten Typen in einem Gebäude ist – und mit ihm 34 Zivilisten, dann sterben an diesem Tag eben 35 Leute.” stammt, aber wenn McChrystal mit dieser Mentalität unmittelbar in Zusammenhang zu bringen ist, ist er wohl ein rechter Bluthund. Der Mann ist nicht erst seit gestern Chef im Afghanischen Krieg, ich hätte dergleichen gern früher erfahren – und vor allem differenzierter.
Derweil steigt nicht nur das Militärbudget des Bundeshaushalts unentwegt, seitdem Deutschland von Freunden umzingelt ist, auch die Rüstungsexporte stemmen sich tapfer dem wirtschaftlichen Krisentrend entgegen. Daß es offiziell noch immer eine Exportkontrolle für Rüstungsgüter gibt, im Wirtschaftsministerium nämlich, das Brüderle jüngst von zu Guttenberg übernommen hat, ist wohl eher formeller Natur. Dort hat niemand Bedenken, fröhlich Waffen nach Pakistan und sonstwohin zu liefern, wo man offenbar keine Krisengebiete mehr sieht. Krise ist halt überall und nirgends, je nach Bedarf und wenn’s dem kurzfristigen Wachstum dient.
Deutschland entwickelt sich rasant zur Kriegsnation. Dabei sollte niemand glauben, es sei noch lange keine Militärmacht. Was andere mit Soldaten erledigen, besorgt hier der Exportapparat. Dem stand in der Bundesrepublik traditionell eine gewisse Zurückhaltung entgegen, was die direkte Unterstützung von Kriegsparteien anbetraf. Der Lack ist ab, und daß deutsche Militärs sich nunmehr ohne jede Scham am Töten beteiligen, ist ein Paradigmenwechsel, der die Welt noch weniger friedlich macht. In der Tat stehen wir vor der Entscheidung, ob Deutschland sich zur aggressiven Großmacht entwickeln soll, auch wenn es dabei zugeht wie bei der Echternacher Springprozession.
Völlig absurd ist dabei das ewige Totschlagargument, man müsse den neuen Hitler da und und das nächste Auschwitz dort verhindern, indem man Menschen tötet. Darauf haben wir noch immer sämtliche Urheberrechte, und wenn es ein Volk gibt, das ich nicht im Krieg sehen will, ist es das deutsche. Die ultima ratio in jeder Wirtschaftskrise, das Volk zu den Waffen zu rufen, würde der Welt beizeiten nur wieder vor Augen halten, wer der Meister aus Deutschland ist. Davor bewahre uns, wer immer dann noch dazu in der Lage sein wird.
Dezember 15th, 2009 at 05:51
Ich habe in diesem Zusammenhang – jenen Oberst betreffend, der offenbar den Befehl zur Bombardierung der Tanklastzüge gegeben hat – erstmals das Wort “vernichten” gelesen. Es scheint, als sei es in erster Linie genau darum gegangen – ums Vernichten (von Menschen). – Mir ist ein eisiger Schauer über den Rücken gelaufen, als ich das gelesen habe.
Aber macht das wirklich einen Unterschied? War der Krieg vorher sinnvoller, hinnehmbarer, erklärbarer? Ich glaube nicht. Sicher offenbart sich hier eine neue Dimension, die wohl fast niemand für möglich gehalten hat – aber das liegt wohl eher daran, dass viele von uns (mich eingeschlossen) vorher auch auf das PR-Gefasel hereingefallen sind und in unserem Denken Worte wie “Bundeswehreinsatz” oder gar “humanitäre Hilfe” benutzt haben. Jetzt haben wir es endlich schwarz auf weiß: Ein Krieg ist ein Krieg. Und Krieger wollen “den Feind” (wer auch immer das in Afghanistan und im Fall der Tanklastzüge konkret sein soll) vernichten.
Ich teile die Sorge, dass Deutschland sich rasant zur Kriegsnation entwickelt. Wie wollen wir das verhindern? Der EU-Vertrag ist durch … und mit diesem Papier im Gepäck darf jetzt auch Deutschland (entgegen dem Grundgesetz) Angriffskriege führen.
Afghanistan wird nicht der letzte Krieg sein, in dem deutsche Soldaten Menschen ermorden – und ihrerseits ermordet werden.
Morgen kämpfen wir gegen die bösen Unmenschen von Ozeanien. Oder war es doch Eurasien?
Dezember 15th, 2009 at 09:49
Der EU-Vertrag begründet kein höheres, womöglich dem GG widersprechendes Recht. Das ist doch immerhin herausgekommen bei den Klagen von Gauweiler und anderen. Das Gleiche gilt für’s Völkerrecht – oder sollte es zumindest. Die rechtliche Grundlage bleibt damit höchst zweifelhaft, wie in diesem Interview aktuell noch einmal nachzulesen.
Die ‘Entwicklung zur Kriegsnation’ wird, da stimme ich zu, trotzdem weitergehen, und man wird dabei weiter alle Grauzonen, Umschreibungen und Ausreden ausnutzen, die man finden kann. Und es wird auch weiterhin im Kern um Rohstoffe, Energie und die ‘Sicherung von Handelswegen’ gehen. Die Maschine muss laufen, koste es was es wolle. Einer erneuten ‘Barbarisierung’ haben wir dabei im Rahmen des Bestehenden nicht viel entgegenzusetzen außer naiven Appellen. Denn eben dieser Rahmen ist das Problem…
Dezember 15th, 2009 at 09:50
Völlig absurd ist dabei das ewige Totschlagargument, man müsse den neuen Hitler da und und das nächste Auschwitz dort verhindern, indem man Menschen tötet. Darauf haben wir noch immer sämtliche Urheberrechte, und wenn es ein Volk gibt, das ich nicht im Krieg sehen will, ist es das deutsche.
Für mich sind das *die* entscheidenden Sätze!
Ähnliche Totschlagargumente kommen zum selben Thema auch in dem Blog von Roberto von einem gewissen Heinzi ( https://ad-sinistram.blogspot.com/2009/12/de-auditu.html#comment-7546300177763515120).
Diese kotzwürdige deutsche Mentalität – “an unserem Wesen die Welt soll genesen” – ist wohl nie aus dem Deutschen Volke herauszubekommen. Auch wenn’s – scheinbar – nur ein Restgrüppchen im Volke ist, das so denkt.
Und was mich nach wie vor anKOTZT, ist, daß hier ein völlig sinnloser Krieg geführt wird, gegen den Willen der Mehrheit der Deutschen. Seit 2 Jahren sind die Umfrageergebnisse zum Thema ‘Bundeswehr raus oder bleiben’ nie unter den Wert von 50% gesunken
(https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/ard-deutschlandtrend/2009/dezember/)
Ja haben wir jetzt Demokratie oder was!?
Da kotzt der Klaus!!!
Dezember 15th, 2009 at 13:55
Hier noch etwas Info zu unserem gegelten Lack- und Kriegsaffen:
https://www.bleib-passiv.de/beitraege/artikel/66-zur-person-karl-theodor-zu-guttenberg.html
Lesenswert.
Und meine Entschuldigung geht an alle echten Affen.
Dezember 15th, 2009 at 17:25
Sieh an, SpOn. Aber da ist es wohl wie bei der FAZ und der verstohlenen Kapitalismuskritik – Sache des Feuilletons bzw der Kultur-Redaktion…
Dezember 15th, 2009 at 18:54
“Davor bewahre uns, wer immer dann noch dazu in der Lage sein wird.”
WIR sind dazu in der Lage! Zumindest wären unsere Ausreden deutlich billiger als die unserer Väter oder Großväter. WIR haben die Möglichkeit zu wählen. WIR haben die Möglichkeit zu demonstrieren. WIR haben die Möglichkeit Meinung zu bilden und Öffentlichkeit herzustellen.
So bekommt der Satz von Kennedy neuen drive: “Frage nicht was dein Land für dich tut, sondern frage was du für dein Land tun kannst.” Klar: Verhindern wir die Kriege. Verhindern wir den Überwachungsstaat. Verhindern wir den sozialen Kahlschlag. Wenn nicht WIR, wer dann?
Dezember 15th, 2009 at 21:09
Feynsinn schreibt: “Deutschland entwickelt sich rasant zur Kriegsnation.” Aber, aber! Was nur für ein Kurzzeit-Gedächtnis!
War dieses “Deutschland”, unter was für Namen es auch immer firmierte – mit einer einzigen Ausnahme: der DDR!! – seit 1870/71 nicht schon immer eine Kriegsnation?
Sollte sich daran nur deshalb etwas geändert haben, weil dieses “Deutschland” vom Mai 1945 bis zum Oktober 1990 dank der militärischen Niederlage von 1945 in diesem “westzonalen Schlauch” names “gute alte BRD” quasi über einige leider viel zu kurze Jahrzehnte in Quarantäne gehalten wurde?
Nun, nachdem dieses altbekannte Ungeheuer 1990 aus seiner Quarantäne “befreit” wurde, begann es sogleich wieder, ganz seiner verbrecherischen altbekannten Natur nach in Europa zu wüten: zunächst Haupteinpeitscher bei der Vorbereitung und Zerschlagung des Vielvölkerstaates Jugoslawien, danach eher etwas heimliche, finanziell aber um so wuchtigere Unterstützung bei dem ersten US-Krieg gegen den Irak 1991, anschließend aktive Vorbereitung und ganz aktive Teilnahme an dem absolut völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Rest-Jugoslawien bzw. “Kosovo-Krieg”, anschließend seit jenem Angriffskrieg ein ebenso vökerrechtswidriges Besatzungsregime in einigen Gebieten dieser serbischen Provinz. Nach dieser “Heldentat” natürlich auch aktive logistische Unterstützung der USA beim zweiten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der USA und einiger ihrer Vasallen gegen den Irak.., und nun immer mächtiger werdendes militärisches “Auftrumpfen” in Afghanistan, wobei das gut bekannte deutsche “Vernichten” wieder fröhliche Urstände feiert….
Und dieses “Deutschland” soll sich nur zu einer Kriegsnation “entwickeln”?
Nein, man ruft und kreischt heute – auch mit neu gestifteten “Goldenen Eichenlaubschwertern” noch viel penetranter als in den restaurativen “50ern”: “Wir sind wieder wer!”
Auch die wirklichen Motive dieses Treibens sind trotz heutigen Vasallen-Staus die gleichen wie einst: “Weltgeltung”, “Platz an der Sonne”, modern-euphemistisch verklärt: “Verantwortung”.
Dezember 17th, 2009 at 10:14
[...] Militärmacht Deutschland – Mittendrin statt nur dabei [...]
Dezember 19th, 2009 at 00:50
Dat iss ja ´mal ´n Satz, so richtig aus dem richtigen Leben gegriffen. Herrlich!
Dezember 21st, 2009 at 06:06
[...] Großmacht entwickeln soll, auch wenn es dabei zugeht wie bei der Echternacher Springprozession. Artikel komplett lesen Bookmarken [...]