Barack Obama erinnert mich immer mehr an Gerhard Schröder, und das nicht etwa, weil ich in letzterem den besseren Preisträger sähe. Diese originelle Ansicht vertritt übrigens Gabor Steingart, der nur deshalb kein Geisterfahrer ist, weil er mit einer Fahrtrichtung nicht auskommt und stets ohne Sicht und Gehör von Planke zu Planke schrotet.
Nein, es ist die vage Hoffnung, die man in einen setzt, von dem man meint, er könnte es können und von dem man glaubt, er sei schon deshalb gut, weil sein Vorgänger unerträglich war.

Dabei ist die Rhetorik gerade deshalb verräterisch, weil sie so vernünftig klingt. Realistisch, doch in guter Absicht, macht sie den Menschen Hoffnung und appelliert doch an deren Geduld und Opferbereitschaft. Es sind schwierige Zeiten, und was muß, das muß eben.
Schröder hat nicht nur jeden Kredit verspielt, sondern alle, die ihm Glauben geschenkt haben, enttäuscht, verkaspert und im Regen stehen lassen.
Obwohl Obama von einem anderen Format ist und andere Probleme zu bewältigen hat als Armani-Acker, ist die Lehre zu ziehen, daß spätestens nach der heutigen Rede nichts Gutes mehr erwartet werden darf.

Nicht zufällig bejubelt Springers Welt in einer öligen Predigt den Zwiesprech des US-Präsidenten, der vom Frieden durch Krieg und der furchtbaren Bedrohung Al Qaida salbadert.
Natürlich hinkt der Vergleich. Obama hat die Diplomatie in die Außenpolitik zurückgeholt. Er spricht sich für eine atomwaffenfreie Welt aus. Er will Guantanamo schließen und ein Ende der aktuellen Kriege herbeiführen. Er hat manche Kehrtwende vollzogen der Politik, für die George W. Bush als Verbrecher in die Geschichte eingehen wird.

Ehe Bush nationales wie internationales Recht ignorierte, zertrat und zerbombte, war das, was Obamas Außen-und Sicherheitspolitik ausmacht, aber die Regel und der Konsens zwischen zivilisierten Staaten. Folterlager, Angriffskriege auf der Basis unfassbarer Lügen und sinnlose Rachefeldzüge galten bis dahin als Unrecht und Skandal.
Wenn jetzt nicht von heute auf morgen alles besser wird, dann ist das nicht unbedingt der Obama-Administration anzulasten. Es sind nicht seine Kriege und nicht seine Menschenrechtsverletzungen, so lange er nur ernsthaft nach Lösungen strebt, die er in seinem Amt durchsetzen kann. Dabei ist auch nicht zu vergessen, daß er US-Präsident ist und sicher eine zweite Amtsperiode benötigt, um wirklich die Visionen umzusetzen, die er dem Grauen der Bush-Ära entgegengesetzt hat.

Es mag sein, daß seine teils doppeldeutigen, teils abgedroschenen Einlassungen anläßlich der Verleihung des Friedens-Nobelpreises den Zuhörern in den USA geschuldet sind.
Es ist aber klüger, darauf nicht hereinzufallen wie hiesige Sozialdemokraten auf die Versprechungen eines Gerhard Schröder. Machen wir uns darauf gefaßt, daß die Wende ausbleibt und der neue Kennedy sich als Hund im Schafspelz erweist. Frieden ist weit und breit noch nicht in Sicht, und wenn er dann doch kommt, wird es eine große Freude sein. Bis dahin ist jener Realismus gefordert, den Obama heute selbst eingefordert hat. Demnach gilt:
Wer sich zu früh freut, den bestraft der furchtbarste Militärapparat in der Geschichte der Menschheit.