Ein Pessimist ist ein Optimist, der nachgedacht hat. Was sagt das über den Optimisten aus? Und was macht Hans Ulrich Jörges so furchtbar optimistisch?
Die Diskussion über Albrecht Müllers Buch “Meinungsmache” ist zwar interessant, hat aber mit mehr als zwei Stunden dezente Überlänge. Beteiligt waren Der Autor selbst, Oskar Lafontaine, Hans Ulrich Jörges und Zuhörer, moderiert wurde das Ganze von Sabine Adler vom DLF.
Die Zusammensetzung ist ein wenig asymmetrisch, weswegen Frau Adler auch gleich eingangs Jörges als “Bad Guy” einführt. Er wird dieser Rolle nur bedingt gerecht.
Das Gespräch hat deutlich mehr Niveau als die üblichen Talkshows, in denen sich die Protagonisten zuweilen auch schon begegnet sind.
Für Leser der Nachdenkseiten ist der Erkenntnisgewinn sehr übersichtlich, allein die Beiträge von Jörges sind interessant und der Verweis von Lafontaine auf die Notwendigkeit von mehr Basisdemokratie in den Parteien.
Gezählte neun Mal wiederholte Jörges sein Hauptargument, daß die Menschen “nicht so blöd” seien. Für ihn ist die Welt des Journalismus in Ordnung, gegen jede Kampagne habe es auch andere Meinungen gegeben in den Medien – womit er in der Hauptsache sich selbst und den “Stern” meint. So unterschätze Albrecht Müller eben auch die “Gegenkräfte”, als die Jörges nicht nur die klugen
Leser betrachtet, sondern auch die vielen Anbieter freier Informationen im Internet. Ausgerechnet. Für alles Böse kennt er etwas Gutes. Einflußnahme von Konzernen, Verlegern, Anzeigenkunden? Iwo, Bertelsmann habe nicht einmal angerufen, als er den Rücktritt Ackermanns gefordert habe. So frei ist dieses Land!
Auf die komplexe Struktur von Manipulation und Meinungsmache, von skandalösen Kampagnen wie die gegen Ypsilanti bis hin zur Schere im Kopf, geht Jörges nicht ein, und es führt ihn leider auch niemand auf diesen Weg. Mit vielem ist er sogar einverstanden, sieht ein Versagen von Politik und Wirtschaft. Keiner kam auf die Idee, ihn einmal zu fragen, warum die klugen Menschen angesichts dieser Faktenlage massenhaft FDP gewählt haben. Zur Causa Ypsilanti hat er hingegen eine Meinung: Die war nämlich “so blöd” zu tun, was sie tat. Na wenigstens eine.
Blöde gibt es auch in den Parlamenten: dort stimmten Abgeordnete nämlich “Gesetzen zu, die sie weder gelesen noch verstanden haben”. Die Deppen seiner Welt sitzen sämtlich in der Politik. Das ist immerhin eine Aussage.
Er stimmt Lafontaine voll und ganz zu, sofern es darum geht, die innerparteilichen Strukturen zu demokratisieren. Jörges sagt ganz offen, daß in diesem Land die Machtstrukturen nicht demokratisch sind. Die Macht der Wirtschaft ist erdrückend, die Parteien in der Hand der Funktionäre. Der Einfluß der Parteien auf die Öffentlich-rechtlichen Medien ist ihm ein Dorn im Auge. Das ist verständlich und auch weitgehend richtig.
Daß er aber das gigantische Systemversagen der eigenen Zunft nicht sehen will und vehement leugnet, macht ihn, Pardon, zum Nützlichen Idioten gerade der Mächte, die er so gern beschneiden will. Wer derart den Lampenputzer macht und mit seinem Ego jeder kritischen Betrachtung der eigenen Kollegenschaft im Wege steht, ist eben Qualitätsjournalist. An der “vierten Gewalt” liegt ihm nichts, im Gegenteil scheint es ihm zu gefallen, wenn flächendechend Quark getreten wird. Der “Alphajournalist” wirft einen tollen langen Schatten, was geht’s ihn an, daß die Sonne kaum über den Horizont steigt?
November 23rd, 2009 at 01:34
Okay, der Jörges lässt mich trotzdem hoffen. Ich sah mal einen Beitrag von und mit ihm, in dem er die katastrophalen Vorgänge um die Berliner S-Bahn messerscharf auf die Gewinnmaximierung zur Umsetzung der Privatisierungsbestrebungen der Bahn zurückführte. Fazit: Privatisierung solch wichtiger Lebensbereiche ist Mist! Kurz vorher hatte er solcherlei Ansinnen noch vehement das Wort geredet.
Er scheint also durchaus lernfähig zu sein. Ich denke, ich lasse ihm noch ein wenig Zeit, dann wird er auch das Versagen seiner Zunft erkennen. Da bin ich Optimist… ;-)
November 23rd, 2009 at 02:19
trotzdem muss dem jörges das immer wieder unter die nase gehalten werden.
mir fällt allerdings auch immer wieder auf, dass auch die sprecher der DIE LINKE nicht konkrete kampagnen vom kern heraufzeigen, wie es gerade am fall ypsilanty sehr deutlich herausgestellt werden könnte.
ich habe in manchen talkshows das energische und entschiedene verhalten, sowohl gegen lautsprechende gegner, als auch gegen
die parteiisch auftretenden moderatoren
vermisst. auch das müssen wir einfordern, und unsere sprecher unterstützen, durch proteste
an die adresse der verantwortlichen und
die moderatoren/innen.
ALFRED LANFER
DER GLOCKENSTADTBOTE
November 23rd, 2009 at 02:19
trotzdem muss dem jörges das immer wieder unter die nase gehalten werden.
mir fällt allerdings auch immer wieder auf, dass auch die sprecher der DIE LINKE nicht konkrete kampagnen vom kern heraufzeigen, wie es gerade am fall ypsilanty sehr deutlich herausgestellt werden könnte.
ich habe in manchen talkshows das energische und entschiedene verhalten, sowohl gegen lautsprechende gegner, als auch gegen
die parteiisch auftretenden moderatoren
vermisst. auch das müssen wir einfordern, und unsere sprecher unterstützen, durch proteste
an die adresse der verantwortlichen und
die moderatoren/innen.
ALFRED LANFER
DER GLOCKENSTADTBOTE
November 23rd, 2009 at 03:38
Ich verstehe den Zynismus von Herrn Jörges nicht. Wenn die Leser ohnehin jeden Trug durchschauen, kann man ihnen also Wischiwaschi vorsetzen. Wer das eigene Blatt dann trotzdem noch kauft, ist eben nicht zu retten. Oder hab ich da was nicht mitgekriegt? Ich lese den Stern ja nicht.
November 23rd, 2009 at 09:07
joerges ist ein vollprofi in sachen meinungsmache. das sieht man daran, wie die agendapresse nun den armen kranken lafo in schutz nimmt, ihn aber als munition gebrauchen, um die naechste breitseite gegen die linken abzufeuern! gestern das interview mit gysi im bericht aus berlin war mal wieder ein exemplarisches beispiel der meinungsmache im zdf. nur das gysi leider 10x mehr drauf hat, als ulrich aus deppendorf! nach der wahl ist vor der wahl. oder so. joerges ueber lafo
(gruss nach gescher)
November 23rd, 2009 at 09:51
Super Bericht eines Teilnehmers hier : ==>Meinungsmache in Berlin
https://www.manwithahorn.de/2009/11/meinungsmache-in-berlin.html
und Erwiderung was der Stern daraus machte hier:
https://www.manwithahorn.de/2009/11/last-man-standing-politische.html
November 23rd, 2009 at 10:56
Hi Flatter!
“Der “Alphajournalist” wirft einen tollen langen Schatten, was geht’s ihn an, daß die Sonne kaum über den Horizont steigt? ”
Super! So isses! Krieg ich ein T-Shirt wenn ich meiner Hausärztin beibringe den Stern nicht mehr für das Wartezimmer zu kaufen?
November 23rd, 2009 at 13:20
Vom Optimist zum Terrorist, wie das Äi Tiem es in den neunzigern formuliert hat. Schöner Text, danke!
November 23rd, 2009 at 13:58
wenn der jörges nicht dumm ist, dann ist er dummdreist.
November 23rd, 2009 at 15:50
@Ralf-zwei.null
Für mich ist Herr Jörges ein rechter Wendehals,
er weis, wie man die Fahne richtig in den Wind hängt. Der hat noch nie seine Meinung länger als 14 Tage halten können. Er spürt wohl zur Zeit so etwas wie linken Zeitgeist, und den bedient er eben oder versucht es zumindestens. Und wenn der Wind andersrum weht, schwenkt er auch sein Fähnchen. So funktioniert eben der Journalismus in Deutschland.
Gruss Zasti
November 23rd, 2009 at 18:47
@Zasti
Wie recht Du hast! Über viele Jahre hab´ich Jörges geschätzt, aber seit ebenso vielen Jahren platzt der Lack an ihm ab, meterweise!
Beste Grüße
November 23rd, 2009 at 22:43
Mir kommt dieser Jörges ebenfalls eher wie ein pfiffiger Wendehals vor, je nach Bedarf, je nach Publikum.
Wir dürfen nicht vergessen, dass dieser Journalist im Vorfeld und nach Einführung der Agenda 2010 und Hartz 4 pausenlos durch sämtliche öffentlichen und privaten Fernsehsender durchgereicht wurde in denen er mit meist hoch-roten Kopf plus Wissen vortäuschenden Grinsen pausenlos nach Reformen und noch mehr Reformen schrie, Reformen,die ihm noch nicht weit genug gingen, (so genannten)Reformen welche zuallererst in den think tanks des Deutschen Kapitals (INSM, Bertelsmann-Stiftung, etc..) ausgeheckt wurden, erst danach durch gekaufte Politiker aller Parteien(außer DIE LINKE)in die Politik getragen wurden.
Diesem Kerl und allem was er sagt oder zustimmt sollte man mit grundsätzlich größten Mißtrauen begegnen.
November 24th, 2009 at 14:33
Moin!
Nachtrag zu Ypsilanti:
Carmen Everts (eine der 4 Aufrechten) wird jetzt Referatsleiterin der Hessischen Landeszentrale für Politische Bildung.Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Die HLZ ist unmittelbar dem MP Roland Koch zugeordnet.
Na dann..
November 25th, 2009 at 00:01
Oh, die SED hat in Hessen gesessen? Vom Brocken runter direkt Kassel unterwandert? Erstaunlich.
Und was kriegt die Rebellin dafür?