Was es alles zu berichten gibt! Die Frau, der eine Trainer, der andere Trainer, der Onkel, die Tante, der Hund. Alles als Klickstrecke, Satz für Satz.
Ein tolles Titelthema für den Print. Toter Held geht immer. Ein bißchen was über Depression, ein Portiönchen zum Leistungsdruck, bunte Bilder vom Sarg und den Fans und der Familie, Tränen über Tränen, Entsetzen, Gefühlskino. Leicht und fix getippt, findet rasenden Absatz. Money for Nothing.
Wenn der Trauerhype dann vorbei ist, geht’s in der nächsten Woche weiter mit traumatisierten Lokführern, schockierten Zeugen und den armen Schweinen, die solchen Gulasch von den Gleisen kratzen müssen.
Am Montag am Kiosk.
November 15th, 2009 at 17:20
Ach was…wie unsensibel von Dir! Ich durfte mir dieser Tage von einigen Leuten anhören, dass die Kritik an der Trauer um Enke, echt pietätlos von mir sei! Dass seien alles echte Gefühle, kein Trauer-Event, kein dabei-sein-wollen, keine Pseudo-Gefühle und es werde sich sicher auch was verändern! Jawohl! Schließlich vergisst niemand den Enke! Der DFB, die Fans und die Medien lernen doch sicher daraus. Alles wird besser: weniger Leistungsdruck, weniger Sensationsgeilheit und verständnisvollere Fans bei schlechten fussballerischen Leistungen. Ganz bestimmt. Wir müssen nur fest daran glauben!
Ich krieg das Kotzen bei soviel Heuchelei und Verlogenheit.
November 15th, 2009 at 19:05
Wo du gerade die Gulaschkratzer ansprichst: erst gut zwei Wochen zuvor hatte sich noch jemand am selben Bahnübergang vor einem Güterzug wiedergefunden. Streifschuss, man brauchte also keinen Löffel zum Einsammeln. Aber schön war es trotzdem nicht.
Allgemein scheint die Bahn hier in der Ecke als Endstation recht beliebt zu sein. Den Wartungstrupp der Bahn erfreut es immer aufs Neue, wenn sie noch Hunderte Meter weiter kleine Stückchen entdecken. Da gibts jedoch keine Betreuung, da sie, anders als der Lokführer, nicht direkt beteiligt sind. Und später wundert man sich, warum die Leute nicht nur physisch, sondern auch psychisch komplett im Arsch sind.
November 15th, 2009 at 19:21
@ epikur: Mit was für Leuten gibst Du Dich ab?
Das die Gefühle echt sind, glaube ich dennoch. Hysteriker haben halt auch Gefühle. Ihr Problem ist halt nur, dass sie sie nicht im Griff haben.
Das ist alles nicht neu. Neu ist, dass besagte Anstands-Krüppel und Gruppenmief-Terroristen eine Mehrheit stellen.
Es war einmal undenkbar, eine trauernde Person mit seinen infantilen Projektionen zu belästigen. Nun muss man sich der Pietätlosigkeit bezichtigen lassen, wenn man auf eben solch eine hinweist, die es nun einmal ist, wenn eine retadierte Masse auf Trauergemeinschaft macht, nur um irgendwo (und möglichst überall) dabei zu sein.
Denen würde nicht einmal etwas auffallen, wenn der Meister der schwachsinnigen Geschmacklosigkeiten, Mario Barth, sich auf den Sarg stellte und `ne Rede hielte (womit ich wirklich gerechnet hatte).
So gesehen mein gut gemeinter Rat an Dich, Epikur: Manche Freundschaften werden überbewertet. Anstatt zu viel zu kotzen (schlecht für die Zähne), solltest du die Behinderten meiden.
November 15th, 2009 at 19:29
Zumindest waren ganze Menge Trauerfeier-Touristen unter den Trauergästen, Leute die kein Mitgefühl hatten und nicht trauerten. Wer sonst zerklatscht eine Trauerrede? Wer klatscht Beifall, wenn der Sarg aufgenommen wird? Doch wohl nur pietätlose Menschen oder Trauerfeier-Touristen ohne jedes Mitgefühl!
Meine Meinung dazu:
https://www.lumperladen.de/lumpereien/2009/11/15/beifall-zerklatschte-trauerfeier/
November 15th, 2009 at 20:25
Also, ich hab kein Problem mit der großen Anteilnahme, nein, es hilft mir sehr, den Schmerz zu verarbeiten. Vielleicht für euch kaum zu glauben, aber ich hab ihn sehr gemocht und ich wollte wissen, was ihn dazu bewegt hat, diesen Schritt zu gehen. Wäre ich im Stadion heute dabei gewesen, hätte ich auch geklatscht, als der Sarg angehoben wurde. Zur Info, man hat nicht das Anheben ansich beklatscht, sondern, ist es als Ruf an die Manschaftskollegen zu werten, oder aber ein letzter Gruß an Robert.
Robert wird mir fehlen.
November 15th, 2009 at 20:26
in deiner auflistung hast du die leute vergessen, die wegen “achtung auf gleis x. wegen personenschaden hat ihr zug eine verspätung von 2 stunden 30 minuten” ziemlich lange warten durften.
November 15th, 2009 at 20:40
In meinen Bekanntenkreis hat sich der Vater kurz nach dem Selbstmord Enkes erhängt.
Wahrscheinlich eine arme Seele, die sich durch die Tat Enke´s und die darauffolgende mediale Hysterie bestärkt gefühlt hat.
Mich würden da mal Statistiken interessieren, ob da ein kausaler Zusammenhang zwischen Medienaufmerksamkeit und steigende Selbstmordrate besteht.
Habe mal was von einer Studie in Wien gehört.
November 15th, 2009 at 20:49
@ Harald
Nun, nicht alles was pietätlos erscheinen mag, ist auch pietätlos.
In anderen Ländern z.B. Spanien, Italien erweist man dem Verstorbenen durch Applaudieren, Klatschen, Beifall die letzte Ehre.
Ein wahrlich guter Brauch.
Was die schauerlichen Reden der Politiker betrifft, da hätte man allerdings verbittert verstummen sollen.
November 15th, 2009 at 21:29
Nur in einem solchen Rahmen kann der Leistungsträger noch schwäche zeigen. Wer will denn weinende Erfolgsmenschen sehen, das würde doch unserem neuen sozialen Menschenbild widersprechen.
Und wer denkt noch an Krise oder Systemwechsel wenn die Schlagzeilen so anrührend sind.
November 15th, 2009 at 22:02
Warum erwähnt bei diesem ersatzreligiös anmutenden Rummel um den Pseudo-Helden Robert Enke eigentlich niemand den Fall Sebastian Deisler? Der hatte sich allerdings öffentlich “geoutet” wegen seiner Depressionen und nicht “heldenhaft” vor den Zug geworfen. Vielleicht konnte Deisler im Gegensatz zu Enke noch rechtzeitig von der “Droge Fußball” loslassen und hat sich deshalb nicht dem “Fußballgott” geopfert. Aber Kritik ist hier ja “pietätlos”.
November 15th, 2009 at 23:09
@Markus: Ich habe in den letzten Tagen mindestens zwei Artikel überflogen, in denen Deisler zumindest erwähnt wurde. Insofern liegst du da nicht ganz richtig.
Daß aber ein lebendiger Fußballer, der den Erwartungen nicht gerecht wurde, weniger interessant ist als ein jung verstorbener Held, liegt auf der Hand. That’s Rock’n Roll, ‘n that sells.
November 16th, 2009 at 02:43
Opa Merckle hatte keine TV-Liveübertragung seiner Trauerfeier…
November 16th, 2009 at 09:59
Danke Feynsinn!
für diese Plattform und die erfreulich pietätlosen Kommentare, die hier veröffentlicht werden können, wahrhaftige Meinungen dazu findet man ja ansonsten allenfalls mit dem Mikroskop.
Ich lehne diesen verkommenen und verlogenen Profisport, seine Protagonisten, Fans(chafe) und diejenigen, die ansonsten daran verdienen, erbarmungslos ab, den Rest kann man sich denken, möchte ja nicht zu direkt werden, oder sollte ich etwa.
November 16th, 2009 at 11:54
Können wir erwarten, das ab jetzt öffentliche Verwaltungen und Industrie ihre psychisch erkrankten Mitarbeiter nicht mehr in den Ruhestand verabschieden?
Oder anders gefragt, werden die in der vorzeitigen Ruhestand verabschiedeten hessischen Steuerprüfer jetzt wieder eingestellt?
Erst wenn sich tatsächlich etwas bewegt, können wir “Danke, Enke” sagen.
Nix für ungut…
November 16th, 2009 at 13:40
Die große Frage ist ja auch die: Hätte Robert Enke solch einen Zirkus gewollt?
Das glaube ich nämlich nicht. Insofern geht es hier schon lange nicht mehr nur um Enke.
November 16th, 2009 at 13:59
“Wenn der Trauerhype dann vorbei ist, geht’s in der nächsten Woche weiter mit traumatisierten Lokführern, schockierten Zeugen und den armen Schweinen, die solchen Gulasch von den Gleisen kratzen müssen.
Am Montag am Kiosk.”
In der Tat, es geht weiter… irgendwo in Deutschland… Zum Beispiel hier
https://www.nwzonline.de/Region/Artikel/2159801/Rastederberg++Mann+wirft+sich+vor+Zug+der+Nordwestbahn.html
November 16th, 2009 at 21:27
@ flatter
Auf jeden Fall wurde dieser Medienhype am Wochenende immer aufdringlicher mit grotesken Rührseligkeiten, trauernden Massen, einer monumentalen Abschiedsfeier und den geschnalzten Beileidsbekundungen der Honoratiorenschaften.
Aber richtig, der “Depressive von nebenan” ohne Promibonus und Aussicht auf Verkaufserfolg seiner Lebens- und Leidensgeschichte ist nach wie vor das Weichei und der Drückeberger.
Ein guter Beitrag zum Thema ist hier zu finden:
https://www.blogsgesang.de/2009/11/16/manisch-depressive-republik/#comments
Manisch-depressive Republik | blogsgesang.de