Ich habe einige Tage nichts Neues geschrieben, stattdessen hier diskutiert und da draußen und stelle fest, dass eigentlich keiner mehr so recht weiß, was er zu dem ganzen Zirkus noch sagen soll. Mich persönlich stört das technisch betrachtet nicht so arg, denn das Verhältnis von Reden und Tun kann sich ja gern mal verändern mit der Zeit. Ich habe mit einigen Leuten gesprochen und dabei die Frage aufgeworfen, wie sie sich die Welt in zehn Jahren vorstellen, und niemand hatte eine klare Idee. Was die Arroganz des westlichen Kapitals in seltener Gründlichkeit bereits geschafft hat, ist jeden Glauben an die Zukunft zu zerstören. Das wird Folgen haben.

Keine Folgen wird es haben für die blöde Propaganda, die wie schon oft gezeigt inzwischen unter DDR-Niveau gesunken ist, bloß in Hochglanz und Dolby Surround. Die wird uns weiter bis zum Tinnitus mit Wohlstand®-Wachstum®-Zukunfts-Bullshit volldröhnen. Es wird aber Folgen haben für das, was die Propaganda eigentlich erreichen soll, nämlich die Menschen einzubinden in das Herrschaftskonzept. Wer an nichts mehr glaubt, nicht an die Rente, nicht an die Privatsphäre, nicht an “Bündnispartner”, nicht an irgendein politisches Versprechen oder auch nur daran, dass es dann noch das liebe Geld gibt, der wendet sich ab.

Vom Staat nichts zu erwarten

Vermutlich stehen die Bürger der USA deshalb noch am ehesten hinter ihrem System – obwohl auch dort der Zweifel grassiert – weil sie immer darauf geimpft waren, sich selbst zu helfen. Dies führt u.a. zu Formen der Solidarität, die der Neoliberalismus anderswo zerstörte, ehe sie wachsen konnten. Europa war stolz auf die Integration aller Randgruppen und eine staatlich wohlorganisierte Solidarität. Mit dem Zerschießen der Staaten, ihrer Haushalte und Sozialleistungen wurde auch diese Solidarität zerstört.

Die Erosion des Vertrauens in die Politik ist auch eine der Solidarität, wiel diese immer ein Ergebnis staatdsdemokratischer Verhandlungen war. Die Europäer glaubten mehrheitlich an ihre verfassten Staatsgebilde. Ganz anders als die Amerikaner, die gern statt der hier üblichen “Wähle Notruf 110″-Schilder das genaue Gegenteil plakatieren: “We don’t call 911″ – darunter hängt dann gleich der Colt, damit auch klar ist, was sie stattdessen tun.

Sich nicht auf den Staat zu verlassen, wozu wir längst gezwungen sind, bedeutet auch, die Autorität sowie die Solidarität wieder in die eigene Hand zu nehmen. Man schenkt sich wieder was anstatt für jeden Handgriff zu kassieren. Man erkennt ganz langsam, dass man selbst der ‘Feind’ ist, den sie im Zweifel bekämpfen werden und dass es den Nachbarn genau so gehen wird. Ein schwaches Pflänzchen noch, aber wenn das nicht gedeiht, gehen wir alle mit ein.

Schweigt stille, Lemminge

Was man sonst noch tun kann, dazu muss ich im Zusammenhang mit der angestrebten totalen Kontrolle des Netzes auch noch ein paar Takte sagen. Fefe hat das schon in sehr passende Worte gekleidet. Hier im Haus laufen inzwischen einige Linux-Installationen, zuletzt fiel mir wieder Kanotix sehr positiv auf, das jede Maschine fehlerfrei zum Rennen brachte, auf die ich es gepackt habe. Ja, Linux ist anders, etwas komplizierter und hat nicht alle ‘Features’, die andere haben, insbesondere die Unterstützung der IT-Großindustrie.

Das ist am Ende aber wie der Unterschied, ob man zu Mäckes geht oder sich selbst etwas wirklich Essbares kocht. Kann man lernen, auch schrittweise, geht nebenbei, man muss nicht sofort ganz umsteigen. Wer das aber nicht (ggf. auch noch einmal) versucht, wer immer nur das Gängigste benutzt, das Bunteste und Einfachste, der kann sich nicht mehr ernsthaft beschweren. Es ist eure Faulheit, euer Verzicht die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, der es ihnen derart leicht macht, euch zu kontrollieren.