Ein Artikel beginnt mit den Worten:
Der Nürnberger Gustl Mollath sitzt seit sieben Jahren in der Psychiatrie. Er selbst hält sich für das Opfer einer Verschwörung“.

Da ist er ja nun nicht der Einzige. Solche Leute gehören schließlich dorthin. Paranoia wurde ihm beschieden, also ist alles bestens, richtig? Oh, da wurden quasi sämtliche Vorwürfe inzwischen pulverisiert und es hat sich herausgestellt, dass Mollath keineswegs illegale Auslandsgeschäfte erfunden hatte, sondern diese tatsächlich stattgefunden haben. Dass seine Frau damit tatsächlich in Verbindung zu bringen ist, ist erwiesen und dass angebliche Ausraster wie das Zerstechen von Reifen nicht einmal ansatzweise nachgewiesen sind, ist ebenfalls amtlich. Daher ist der Fall Mollath für andere Medien ein handfester Skandal.

Der “Stern” aber veröffentlicht einen Artikel von “Carsten Höfer, dpa” – es bleibt zum Schutz des Autors unkenntlich, ob Herr Höfer von der dpa ist oder sich bei der seine Informationen zurechtsortiert hat – in dem diese neuen Wertungen einer vollständigen Revision unterzogen werden. Dies gelingt mithilfe der Aussagen von Mollaths Gegenparteien und sehr durchdachten Bewertungen der Protagonisten und ihres Tuns. So werden Mollaths von ihm angezeigte Frau, die Justizbeamten, deren Versagen oder Rechtsbeugung zur Debatte steht und die bayerische Justizministerin, die jene gedeckt hatte, zitiert.

Spinner, Spinner, Spinner

Das klingt dann so: “alle werteten Mollaths Anzeige damals als Retourkutsche eines Spinners und legten sie zu den Akten. Weil er als Spinner eingestuft wurde, wurde die Anzeige nicht ernst genommen. Und die Schwarzgeldanzeige diente als Beleg, dass er angeblich ein Spinner sei“. Na, was ist der Mollath für einer? Das weiß spätestens jetzt jeder, zumal die nächste Überschrift lautet: “Entkräftete Verschwörungstheorien“.

Diese Ansicht versteht sich von selbst, denn “inzwischen hat sich herausgestellt, dass es sich bei den illegalen Finanzgeschäften in der Schweiz um Alltagsschwindeleien einiger Bürger handelte“. Steuersünden halt, nicht etwa Kaufhausdiebstahl oder Sachbeschädigung. So etwas machen wir doch alle jeden Tag, ein bisschen schwindeln und schwups ist das Geld in der Schweiz.

Es ist sehr zu loben, dass sich hier echter Qualitätsjournalismus nicht der allgemeinen Hysterie um das angebliche Fehlurteil über einen brutalen Schläger und Spinner anschließt, sondern zu einem ganz eigenen Urteil kommt. Die bewusst wahrgenommene Verantwortung für Leistungsträger, deren kleine Schwindeleien nicht der Anlass für die Verfolgung durch Wahnsinnige sein dürfen, ist vorbildlich und ein wohltuender Kontrast zur Kampagne der FR gegen die hessische Landesregierung im Fall der paranoid-querulatorischen Steuerfahnder.

“Argumente” von Spinnern: eine Falle!

Was dieses große Stück Journalismus auszeichnet, ist dass man weder “tatkräftige Anwälte“, die nur “die große Bühne” suchen – sogar durch eine Website! – zu Wort kommen lässt, um ihre kruden Theorien zu verbreiten, geschweige denn den Täter selbst oder dessen “Fans”, wie die Unterstützer zurecht genannt werden. “Fans”, das ist die Kurzform für Fanatiker, die in blinder Gefolgschaft zu jeder Dummheit bereit sind, um ihre Treue unter Beweis zu stellen.

Besonders mutig auch, dass “Carsten Höfer, dpa” sich nicht in das sinistre Geflecht von Zweifeln, Gegendarstellungen und Argumenten begibt, dass die Partei des Paranoikers gesponnen hat. Um sich nicht von denen übers Eis ziehen zu lassen, hat er folgerichtig alle seine Behauptungen unbelegt gelassen und sich jedweden inhaltlichen Bezugs auf andere Quellen enthalten. Der Leser erfährt exakt das, was er erfahren muss. Chapeau!