Dieses Bonmot war mir ganz entgangen: Da gehen unsere Öffentlich-rechtlichen Fernsehversender hin und untermalen unterschiedliche Kriege mit demselben bewegten Bild. Einmal belegt es die furchtbare Grausamkeit syrischer Regierungstruppen, einmal die furchtbare Grausamkeit afghanischer Taliban. Ja richtig: Dieselbe Szene. Nun hat das seines Irrtums geständige ZDF durch seinen zuständigen “heute”-Redakteur eine zunächst plausible Erklärung für den Vorfall, die Bilder für Kabul verwendet zu haben, die zuvor in der Tagesschau korrekterweise Homs zugeordnet wurden, indem es “eine falsche Zuordnung der Bilder in unserer Bildschnittdatenbank” sprach. Was aber bedeutet das?
Es illustriert höchst anschaulich die Produktion von “Nachrichten” fürs Fernsehen, und zwar ausgerechnet das Öffentlich-rechtliche, dessen Ressourcen noch für das ausreichen würden, was früher unter dem Begriff “Journalismus” firmierte. Es gibt also Bilddatenbanken, aus denen man sich Stimmungsbilder aussuchen kann, mit denen Berichte sprichwörtlich garniert werden. Die Arbeitsteilung ist total, es werden Versatzstücke passend zum Design zusammengestellt. Der Zuschauer weiß davon nichts, er bleibt in dem Glauben, jemand hätte irgendwo auf der Welt Aufnahmen gemacht und einen Bericht dazu verfasst – oder umgekehrt. Jedenfalls dass derjenige, der den Text zum Bild verfasst, vor Ort war und weiß, worum es sich handelt. Das nämlich wäre ein Bericht, im Gegensatz zum arbeitsteiligen Produkt, das nach ganz anderen Kriterien als dem der Information erstellt wurde.
Was in die Erzählung passt
Problematisch ist ein solches Vorgehen nicht nur, weil es eine Wirklichkeit suggeriert – auch und gerade wenn es nicht zu ‘Irrtümern’ kommt – sondern weil es die Medienwirklichkeit nach Zielvorstellungen entwirft. Nicht zufällig nämlich wurden diese Bilder “Anschlägen der Taliban” zugeordnet. Es sollte so sein und so aussehen, das ist das entscheidende Kriterium. Deshalb gibt es auch keine Berichte, sondern Beflimmerung mit Inhalten, die der gängigen Erzählung entsprechen. Dass Sender, die mit öffentlichen Geldern reichlich ausgestattet werden und einen “Bildungsauftrag” haben, niemanden haben, der die Quelle der Bilder auch nur kennt, schlägt dabei dem Fass den Boden aus. Solche Sendungen mit dem Attribut “Nachrichten” zu versehen, ist reiner Etikettenschwindel.
Das Problem, das sich die Sender mit dieser Selbstentlarvung aufgehalst haben, berührt nicht nur die Oberfläche eines Qualitätsmanagements, das solche ‘Irrtümer’ zu vermeiden hätte. Es legt einen zutiefst manipulativen Produktionsprozess offen, der auch nicht durch das Bemühen um Ehrlichkeit und die Einhaltung von Standards korrigierbar ist. Nicht der Wille zur Manipulation, nicht das wie auch immer korrupte Bewusstsein vermeintlicher oder tatsächlicher Zensoren ist das Problem, sondern der Prozess selbst. Der einzig mögliche erste Schritt zur Besserung wäre die offensive Offenlegung dieses Prozesses, der eindeutige und differenzierte Hinweis auf Quellen, Autoren, Produzenten und Arbeitsweisen. Nur wenn das Publikum selbst alle Informationen in der Hand hat, die der Redaktion vorliegen, kann es sich noch ein Urteil bilden.
Eine langfristige Alternative dazu sehe ich nur in einer nachvollziehbaren Autorenschaft, d.h. dass die Berichte vollständig von einzelnen Journalisten oder Teams vor Ort gemacht würden, also das, was man in Unkenntnis der gängigen Praxis einer Filmproduktion für selbstverständlich hält. Nein, ich bin nicht naiv. Ich bin davon überzeugt, dass das nicht gewollt wird.
Mai 17th, 2013 at 19:13
Ich mache das des öfteren: erfinde Wirklichkeiten durch die Kombination von Text und Bild. Durch den Text manipuliere ich die Wahrnehmung des Betrachters und suggeriere ihm eine Realität, die es so nie gegeben hat. In diesem Sinne verstehe ich mich als ein Schüler Becketts, dessen Roman Molloy mit den Worten endet: >>Ich schrieb: “Es ist Mitternacht. Der Regen peitscht gegen die Scheiben.” Es war nicht Mitternacht. Es regnete nicht.<<
Mai 17th, 2013 at 21:07
Es ist egal was gewollt wird. Es ist bezeichnend, was gewollt ist.
Mai 18th, 2013 at 09:06
Deswegen nutze ich grundsätzlich, wenn ich mich über ein best. Thema informiere, verschiedene Medien, sowohl was deren politische Ausrichtung als auch Format ( TV, Zeitung, Internet ) betrifft. Man ist heutzutage, mehr als früher, gezwungen, die eigene Birne zu benutzen um einen relativ wahrheitsgetreuen Eindruck des tatsächlich Geschehenen zu bekommen. Ein gewisser Bildungshintergrund, gepaart mit der einen oder anderen Auslandserfahrung, ist dabei auch ganz nützlich. Denn kaum ein Verbreiter von “Nachrichten” schafft es wirklich neutral zu bleiben. Ein Hauptgrund dafür ist natürlich die kommerzielle und politische Ausrichtung des jeweiligen Finanziers, denn keiner vertreibt heutzutage Nachrichten, bzw. Nachrichtenformate, damit man informiert ist/wird, sondern ausnahmslos um damit Geld zu verdienen. Gerade auch die sog. “ÖRs”, bei denen kommerzielle und einseitig politische Ausrichtung eine wahrhaft traurige Symbiose eingegangen sind. Beispiel: Werbeblock vorm Wetterbericht z.B., aber nicht nur. Änderung dieses Systems ist meiner Überzeugung nach leider nicht in Sicht, denn diese Verdummungsindustrie zeigt doch, ganz im Sinne der Erfinder, beste weil genauso gewollte Ergebnisse. Wenn meine Arbeitskollegen im mit Hartz IV aufgestockten Hilfsarbeiterjob bekunden, daß sie auch diesmal wieder Merkel wählen, weil die so nett rüberkommt und die Schuldenkrise so gut managt, wat willste da noch sagen….
MfG
Mai 18th, 2013 at 09:44
Die Möglichkeit, Ereignisse mit den ‘unbestechlichen’ Medien Film und Foto zu bebildern, war einmal sowas wie ein Garant der Authentizität. Mit ‘Bildschnittdatenbanken’, dazu noch mit den technischen Möglichkeiten, die wir aus Photoshop und Filmen kennen, sinkt das Bild herab auf die Ebene des Wortes und seiner nur durch Syntax und Grammatik begrenzten beliebigen Kombinierbarkeit. Es wäre also zuallererst einmal die Anforderung an die ‘Medienkompetenz’: ein Bild ist nicht mehr wert als tausend Worte. Ein Text ‘kann einem viel erzählen’, ein Bild oder eine Bilderfolge aber inzwischen eben ganz genauso.
Mai 18th, 2013 at 14:16
ich finde, daß man in medien anderer länder(el pais, guardian, etc.) über deutsche politik teilweise besser (d.h. klarer und unparteiischer) informiert wird als in deutschen medien.
@dildoldi
wenn der anfang-20-jährige medienpurschi mit trendigem vollbart und herablassendem lächeln meine argumente zum thema “solidarität mit den menschen in griechenland” beiseite wischt und mir erklärt, daß ich wohl nicht verstanden hab, daß merkel UNSEREN wohlstand sichert, was will man da noch machen- außer weggehn?
man hat ja nicht immer ne gatling dabei.
schade, die guten sachen fallen einem immer hinterher ein: “ich bin gegen merkel, weil SIE den atomausstieg eingeleitet hat!”
Mai 18th, 2013 at 22:26
Ich erinnere mich noch an die vor einigen Jahren in diversen Medien gezeigten Bilder, wo “böse” Chinesen “arme” Tibeter prügelten, und es sich später – nachdem einigen Leuten aufgefallen war, daß die Uniformen wohl nicht ganz stimmten – herausstellte, daß nepalesische Polizisten die Prügler waren, und die abgebildeten Szenen nicht aus Tibet, sondern aus Nepal stammten…
Absichtliche Täuschung, oder einfach Pech gehabt, weil man nur “schnell” einige Bilder zur “Unterfütterung” oder “Garnierung” des Berichts brauchte?
Selbst Nachrichtensendungen des ÖR-Rundfunks/Fernsehens sollte man sich nur noch als “reality check” antun, das heißt, um zu sehen, wie weit wir schon gekommen sind: mit “Neusprech” und nun auch “Neuzeig” regiert die Macht der Manipulation – ach, ich hör besser auf…
Mai 18th, 2013 at 23:22
@Peinhart: “Ein Text ‘kann einem viel erzählen’, ein Bild oder eine Bilderfolge aber inzwischen eben ganz genauso.”
Inzwischen würde ich im Bezug aufs Internet eher sagen “ein Text sagt mehr als tausend Videos”. Schon seit längerem gibt es nämlich den nervigen Trend, anstelle einer prägnanten Beschreibung lieber ein Video hinzuklatschen, wo erst einmal minutenlang schwadroniert wird, dass es einer Sau graust. Hans Wurste, die zehnmal in einem Satz “irgendwie” oder “keine Ahnung” sagen, erklären uns die Welt.
Mai 19th, 2013 at 00:06
Wir leben in Deutschland. Wahrheit tangiert nicht mal peripher. Nicht weil sie verletzen könnte, sondern weil man damit ein Geschäft verlieren würde. Wenn jemand denkt das Doktorendomino würde nur bei Politiker ablaufen, der hat den Schluss nur mit den Piraten gemacht. Es ist in jeder Firma das Gleiche, dort untersucht es natürlich keiner. Könnte ja selbst auf einen…Wer denkt das betrifft nur die Doktoren irrt schon wieder. Selbst jeder 2. Realschulabschluss ist zumindest bei der Bewerbung getürkt. Warum? Weil wir es uns leisten können und wollen und weil es nicht nur darum geht, möglichst viele Leute zu erreichen, sondern abzuziehen. Der Clou dabei ist allerdings: Das wird sich niemals ändern, es sei denn vielleicht durch Gentechnologie und darin gewollte Fortschritte und ein paar Leute die dabei pennen. Bilder sind nur ein Aspekt der Lüge, aber der am schnellsten vermittelbare. “Hab ich genau gesehen!” Mit dem 3. Auge.
Mai 20th, 2013 at 12:46
@didoldi – „Man ist heutzutage, mehr als früher, gezwungen, die eigene Birne zu benutzen um einen relativ wahrheitsgetreuen Eindruck des tatsächlich Geschehenen zu bekommen.“
Dann bitte bei der Tube mal alte Tagesschauen oder heute Nachrichten anschauen. Erstklassiges Verlautbarungsfernsehen, halbamtlich. Wahrheitsgehalt damals nur bedingt überprüfbar. Ich weiß jetzt allerdings nicht, was Du mit „früher“ meinst.
Mai 20th, 2013 at 14:57
Mit “früher” meine ich z.B. die Zeit, in der old Augstein selig seinen “Spiegel” noch selbst herausgab, Hajo Friedrich bei den ÖRs werkelte und Peter Scholl – Latour die eine oder andere Reportage noch loswerden konnte, um nur mal drei überregional Tätige von “früher” zu nennen. Nicht daß damals ausnahmslos Apostel der Wahrheit unterwegs gewesen wären, ihre Bilder waren dem Spruch von den 1000 Worten jedenfalls erheblich näher und zumindestens die waren “früher” noch glaubwürdig.
MfG
Mai 20th, 2013 at 16:57
Schollatour sdoch heudnochglaubwürdigr alsfrüherman veschdehdnnurnimehr.
Mai 20th, 2013 at 17:36
Augstein und seine Braunnasen wußten noch ordentliche Orgien zu feiern, da können die heutigen Schnösels nicht mit. Möchte man sich auch nicht vorstellen. Aber so als Sturmgeschütz der Demokratie, nee man, lass mal. Das war schon immer viel Selbstbeweihräucherung und Verklärung. Die konnten auch damals schon ins Propagandahorn blasen, wenn´s opportun war. Scholl-Latour, war das der aus Fox tönende Wochenschau ?
Mai 20th, 2013 at 18:53
Klar konnten die auch damals schon ins Propagandahorn tröten daß die Schuppen aus den Haaren fielen, aber wie Du schon sagst eben nur wenns opportun war und nicht schon beim Wetterbericht. Scholl-Latour war, glaub ich zumindestens, auch der mit dem Vietcong Dschungelbuch und afghanischem Bergführer, früher jedenfalls.
MfG