Mal ganz langsam. Ich saß eben hier, wo ich meistens sitze, wenn ich blogge und sah aus dem Fenster. “Endzeit ist langweilig”, dachte ich bei mir, denn das da draußen scheint alles so weit weg wie die berühmten “Tiere, die von weitem aussehen wie Ameisen”. Neulich wurde angeblich die Geige des Kapellmeisters der Titanic gefunden. Kinder, wenn das kein Omen ist! Die werden doch sonst nie unterbewertet. Aber Ruhe ist die erste und letzte Bürgerpflicht. Es herrscht mentale Egalität. Alles eins und nichts für ungut.

Zypern? Langweilig! Haben wir lange kommen sehen, wurde oft genug dementiert und musste also kommen. Klimakatastrophe? Iwo! Das hohe Handicap am Golfstrom ist doch kein Grund zur Sorge, das haben wir uns hart erkämpft. Wer will schon etwas von all dem wissen, was eh alle wissen, von dem aber niemand Gebrauch zu machen scheint. Gibt es dazu etwas zu sagen? Das will doch niemand hören.
Machen wir’s also einfach mal umgekehrt, und zwar wie die Verlautbarungsmaschine selbst: Dementieren wir einmal etwas, was dann hundertprozentig eintritt. Siehe oben.

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Die unsympathischen Rechtsausleger der Henkel-Lucke-Bande sind auf dem Vormarsch, ihr Programm ist mager, aber explosiv: “Schafft den Euro ab!”, fordern sie und schlagen damit drei Fliegen auf einen Streich: Die Mehrheit der Wähler hat Sympathie für die D-Mark und hatte keine Zeit, sich auch nur annähernd an den Euro zu gewöhnen, ehe der zur Seuche wurde. Alles, was nationalliberal unterwegs ist – in anderen europäischen Staaten ein Erfolgsmodell – hat darauf nur gewartet, und wer die Augen aufmacht, muss konzedieren, dass tatsächlich alle anderen diese Lösung ausschließen, obwohl sie die einzig realistische sein könnte.

Das verkrustete Establishment von Grün bis Christlich verbietet sich kategorisch, die Fehlkonstruktion so zu nennen, so zu betrachten und entsprechende Maßnahmen auch nur zu denken. Sie vertreten die Gewinner des Freilandexperiments und haben den Anschluss an die Realität längst verloren. Und nun zu etwas völlig anderem:

Das historische Versagen der Linken, gewisse Kollegen würden es ein “Verkacken im Industriemaßstab” nennen, setzt dem Ganzen die Krone auf. Der Euro hat sich seit seiner Einführung als ein Vehikel erwiesen geboren aus Betrug und Dilettantismus, Herrschsucht und Gier, kurzum: In der Spätphase des Nachkriegskapitalismus der Bagger, der das Grab aushob, in dem Demokratie und Sozialstaat verscharrt wurden. Wer wenn nicht die ‘Linke’ musste das kommen sehen? Wer wenn nicht die ‘Linke’ muss das analysieren, anprangern und dagegen vorgehen?

Linke Versager

Das aber ist nicht ihr einziges Versagen. Kann sich wer erinnern, dass es eine öffentliche Diskussion gibt darüber, was Sozialismus eigentlich bedeutet? Wie man ihn entwickeln kann und inwiefern er eine Alternative ist zur Alternativlosigkeit? Dass jemand sich die Mühe gemacht hat, Sozialismus als Konzept gegen den Irrsinn des Faktischen konkret in Stellung zu bringen? Dass die PdL irgend etwas anderes in ihren parlamentarischen Präsenzen veranstaltet hat als Machtspielchen und keynesianische, also erzkapitalistische Kaffeekränzchen? Ja richtig, die dilettantischen Äußerungen von Frau Lötzsch in bezug auf “Kommunismus”. Vielleicht wäre das sogar eine gute Möglichkeit gewesen, die durchaus existierenden Diskussionen endlich öffentlich zu führen und sich als inhaltliche Alternative zu präsentieren.

Nein, auch diese Truppe trommelt ihren Funktionären nach, die weder wirklich über Sozialismus sprechen noch den Euro anzweifeln dürfen. Dann gibt es nämlich Mecker von der Tagesschau, das kann man nicht riskieren. Also warten, bis jemand kommt, der es sich leisten kann, auf volksnahe Opposition zu machen. Fehlt nur noch einer mit Charisma. Bis dahin kämpfen wir wie die Löwen für ein bisschen Mindestlohn und ein paar Prozent Vermögenssteuer.