TV und Wirklichkeit: Geschichte wird gemacht
Posted by flatter under Politik[56] Comments
05. Jan 2013 16:02
Fefe verweist heute auf eine spannende Studie, nach der in Nigeria eine extrem beliebte Fernsehserie signifikant die Einstellung der zuschauenden Bevölkerung beeinflusst, nämlich in ihrer Haltung und ihrem Handeln zur Familienplanung. Bei Zuschauerquoten von 70% und einer Serie, die also Langzeitwirkung entfalten kann, sind sowohl die Nachweisbarkeit als auch die Wirkung selbst entsprechend hoch. Hierzulande dürfte dergleichen so eindeutig seit der Einführung des Privatfernsehens nicht mehr zu beobachten gewesen sein.
Dennoch ist Fefes Frage natürlich die richtige: Wie sieht es eigentlich hier aus hinsichtlich des Einflusses der Medien auf die Einstellungen der Zuschauer?
Ich gehe dazu zunächst einen Schritt zurück in die Zeit, in der solche Einflüsse hier erkennbar waren, namentlich in die frühen 80er Jahre (die mich in den nächsten Tagen ohnehin intensiver beschäftigen werden). 1979 wurde im deutschen Fernsehen der Vierteiler “Holocaust” ausgestrahlt. Von dem, was die “68er” aufgewühlt hatten, war bis dahin nicht allzu viel angekommen in weniger gebildeten oder bürgerlichen Kreisen. Obwohl “Holocaust” in den “Dritten” lief, erreichte es Einschaltquoten von bis zu 40%.
“Holocaust”, ein Tabubruch
Ich erinnere mich sehr gut an die Wirkung im Umfeld meiner Familie. Es wurde bis dahin nie über den Nationalsozialismus gesprochen, schon gar nicht über die industrielle Vernichtung von Menschen. Durch diese Serie wurde das Thema präsent und blieb es über Jahre, bis eine routinierte Betroffenheit den Diskurs erstickte.
Dieses Beispiel ist eines für die Effekte von Massenmedien, hier das Aufbrechen von Tabus und die Verstärkung eines vorher nur latent vorhandenen Diskurses. Die Auseinandersetzung mit dem Nazistaat war bis dahin noch immer Tabu gewesen. Der Reflex, nichts damit zu tun haben zu wollen, war zu stark gewesen; andererseits war es zu einfach, dazu zu schweigen. Das änderte sich damit, dass das Fernsehen das Thema unübersehbar auf die Agenda gesetzt hatte.
Weniger nachweisbar sind freilich Anpassungsprozesse, die subtiler, verstreuter und weniger emotional besetzt sind. Man muss spekulieren, aber einige plausible Vermutungen lassen sich formulieren.
So dürfte zur Nachahmung motivieren, was in medialer Darstellung alltäglich erscheint, obwohl es real zunächst eher selten vorkommt. Ein gutes Beispiel dafür sind Nachmittagstalkshows und Gerichtsshows, die das Bild von einer asozialen verdummten Unterschicht zeichnen. Diese Brot-und-Spiele-Formate haben Folgen, u.a. Schamlosigkeit und Projektion. Wenn solches Verhalten öffentlich zur Schau gestellt wird, wird es von vielen für akzeptabel gehalten. Diejenigen, die hingegen noch einen Funken Schamgefühl haben, können sich somit erheben über Menschen, die vermeintlich noch unter ihnen stehen.
Die Sklaverei ist überwunden
An dieser Stelle greift der Boulevard zur Zweitverwertung und zeichnet das Bild von einem asozialen Pöbel, der nichts Menschliches mehr an sich hat und – da setzt die Propaganda auf – auf Kosten anderer lebt. Dieses Zerrbild entbehrt jeglicher Fakten; es ist ein aus Bildern von Bildern assoziativ zusammengesetztes Narrativ, eine Erzählweise, die niedrige Instinkte bedient und ideologischen Absichten folgt. Sie spaltet noch einmal in Unterschicht und Untermenschen und verfestigt den Schuldvorwurf an Arbeitslose, die mit solchen identifiziert werden.
Es kann theoretisch auch andersherum gehen, aber auf eine spannende Reihe zur Geschichte des Mehrwerts werden wir wohl vergeblich warten. Stattdessen wird aktuell ein äußerst zweischneidiges Programm in den Kinos gespielt. Das Thema ist die Sklaverei in den USA. Es ist schon erstaunlich, wie zielsicher die Aktualität in die Vergangenheit verlegt wird. Die Heroisierung eines Abraham Lincoln unterbietet dabei noch den historischen Niveaulimbo von Guido Knopp, aber das war ja zu erwarten. Dass Tarantino schon filmtechnisch bedingt der Sache näher kommt, versteht sich.
Das Thema ist hervorragend dazu geeignet, von der Wirklichkeit der Arbeiter in den USA und anderswo abzulenken, deren Abhängigkeit bei gigantischen Profiten und ungeheurer Produktivität sich immer weiter der Sklaverei annähert, mit dem Unterschied, dass Sklavenhalter immerhin dafür sorgen mussten, dass ihr Eigentum nicht verhungerte. Mit dem Unterschied, dass direkte blutige Gewalt nicht mehr das Mittel der ersten Wahl ist. Der Zwang ist subtiler, aber wie immer eine am Ende tödliche Drohung. Es wird unterschieden in Menschen und Untermenschen, die Knute halten die höheren Angestellten, die sich den Herren näher wähnen als den Sklaven. Als ‘Geschichte’ darf man jetzt darüber reden.
Januar 5th, 2013 at 16:38
INSM
In einem „Ausnamebeitrag“ wird über die Figuren der von Fefe auch erwähnten
INSM berichtet.
Wurde/wird von den Massen aber wohl nicht so wahrgenommen? :-(
Sonst: „… 1979 wurde im deutschen Fernsehen …“
Ist das hier jetzt nur noch ein Forum für Westsozialisierte? Ich habe, nicht nur im TV, die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus anders erlebt.
Januar 5th, 2013 at 16:48
Ist etwas OT, passt aber irgendwie rein:
https://www.tele5.de/fresse_2012
Januar 5th, 2013 at 16:53
@Manfred Peters: Das ist ein Blog von einem ‘Westsozialisierten’. Sofern ich von meiner Erfahrung spreche, kann ich nur diese Perspektive wählen. Außerdem haben ‘wir Wessis’ ungebrochen mit den alten Nazis weitergemacht, in dem Kontext ist die DDR irrelevant.
Januar 5th, 2013 at 17:01
Mit dem Tatort und co. wird einem immer wieder eine Polizei, die für das Gute kämpft und deshalb im moralischem Recht dieses zu überschreiten eingetrichtert.
Bei Berlin Tag und Nacht bekommt die total verblödete, aber noch konsum-zombie-Jugend eine Welt voller Mode und Scheinprobleme gelehrt.
15 Jährige wollen mir erzählen, dass ich arbeiten gehen soll.
Heul Deitschland
Januar 5th, 2013 at 17:11
Es gibt Möglichkeiten. ;)
Januar 5th, 2013 at 17:20
Zwischen den Jahren sendete das ZDF auf einem seine Digitalkanäle,ich glaube es war neo,wieder einmal Fackeln im Sturm.
Wohl als Teaser für die Lincoln-Filme die nun kommen werden.
Der sturmbefackelte Lincoln war eine sehr heroisierte Figur,die ausschließlich Krieg führte zum Zwecke der Sklavereiabschaffung.Freiheit für die Sklaven und sonst gar nichts.
Allerdings wurde in einer Folge sogar auf das Elend der Industriearbeiter im Norden hingewiesen,allersamt Einwanderer aus Europa.Nach Ansicht des Südstaatlers würde es den Arbeitern sogar schlechter gehen als den Sklaven im Süden.Macht nichts,meint der Nordmann,die sind hier freiwillig.Die können ja wieder gehen.Zwingt sie keiner.
Nun ja erwidert der Südmann,der Hunger zwingt sie schon.
Ein bisserl Gesellschaftskritik war schon dabei.
Januar 5th, 2013 at 17:34
Ich glaube sogar, dass der alltägliche Einfluss von TV und Co, – der Einfluss überhaupt ist. In einer Welt in der z.B. Film nicht mehr nur darstellend ist sondern sogar als Vorlage dient, ist dies unausweichlich. Und auch gerade wegen dieser Subtilität, welche über Normalität zwar als sekundär empfunden wird, aber dafür umso heftiger wirkt. Hier werden vom aktuellen Zustand abhängige Gestalter zur Potenzierung des aktuellen Zustandes. Ein vielleicht unpassendes und sehr banales, – aber eines der unzähligen Beispiele der ununterbrochen wirkenden Feinheiten alltäglichem Konsums, – wäre z.B. der vehemente Unterschied, – ob in einem Tatort oder sonstigem Klischeekrimi alles vermieden wird, was die letzten zehn Jahre effektiv passiert ist, – oder z.B. Hartmut in seinem Ostseeripper so ganz nebenbei, die Deutschlehrerin den Satz fallen lässt, “die Fabel vom Fuchs und den Trauben auf neoliberal”, – als etwas was von einer Deutschlehrerin heute verlangt wird. Lässt man solche Dinge im alltäglichen Medienkonsum weg, bleibt das Loch der heilen Welt, deren negative Seite einen nicht unmittelbar betrifft und deshalb wie in weiter Ferne liegt. Was der Nährboden schlechthin ist, – um z.B. dem quotenbedingten Abstauben von Privaten die Gestaltung zu überlassen. Welche diese Leere mit der billigen Bild-Zeitungsmethode des Reitens auf der Suche nach Bestätigung für eigene Ressentiments füllt. Egal wie und wo man Kunst verorten will, (ich sehe TV und Film durchaus auch als Kunst an) – sie hat definitiv versagt und sich erbärmlich in die eigenen Abhängigkeiten verkrochen.
Januar 5th, 2013 at 17:37
Deswegen hat man ja auch, kaum daß der dicke Helmut an die Macht gehievt worden war die Trivialisierung und exzessive Kommerzialisierung des TV mit Volldampf vorangetrieben. Ich kann mich auch noch daran erinnern wie die “Holocaust” Serie z.B. in unserer Schule zu ausgiebigen Diskussionen im Unterricht und zu noch heftigeren im Lehrkörper führten, in dem die jüngeren, aus der 68er Bewegung kommenden Geschichts-, Sozialkunde-, Deutschlehrer auf ihre teilweise noch als HJ ler aktiv und stolz darauf gewesenen älteren Kollegen trafen.
Damit sowas nie wieder passiert hat man RTL, Sat1 und wie so noch alle heißen mit der Lizenz zur 24 Stunden Vollverarschung ausgestattet. Der Erfolg der Verdummung einer ganen Generation lässt sich heute auf jedem Schulhof besichtigen.
MfG
Januar 5th, 2013 at 18:14
Bei ZDF-
HitlerHistory und N-TV/24 gibts den Führerkult täglich und sogar auch in Farbe. D-Max und DSF liefern die Überlebens-, Waffen- und Kampfgrundkenntnisse.Ich weiss, wohin die Reise geht, meine jüdischen Gene geben mir ein Gespür für die das Volk beherrschende Geistesverfassung.
Januar 5th, 2013 at 18:17
Gefunden:
anders herum
Januar 5th, 2013 at 18:27
@ flatter #3
Dass Essen in „Westdeutschland“ liegt, ist selbst mir als Ostostfriesen inzwischen einigermaßen geläufig. ;-)
Mir ging es um die Wortwahl, die etwas von der Hallstein-Doktrin hat.
Damit ist diese auch heute noch im gesamtdeutschen Sprachgebrauch – „deutschen Fernsehen“- „ungebrochen“.
„Aber auch nach der Entspannung der deutsch-deutschen Beziehungen und der Aufnahme beider Staaten in die UN am 18. September 1973 blieb überwiegend die Auffassung bestehen, dass die Bundesrepublik Deutschland der alleinige rechtmäßige Vertreter des gesamten deutschen Volkes sei, weil sie völkerrechtlich identisch mit dem Deutschen Reich sei.“
Und damit wären wir dann wohl wieder einer Meinung und das mit der Erfahrung als 13jähriger war doch nicht so nachhaltig?
——————————————
Januar 5th, 2013 at 18:34
@Eike, #5,
ich les’ da nur von Geld, Finanzierung, Zinsen…
Was solln das fürn Ausstieg sein?!
Januar 5th, 2013 at 18:40
Der Unterschied zwischen Sklaven und Lohnsklaven ist das Eigentum. Während erstere Eigentum ihrer Herren waren, sind letzere dies nicht. De Fakto ergibt sich allerdings bei entsprechend niedriger Entlohnung des Lohnsklaven das gleiche Ergebnis: Der Tod desselben als Kolateralschaden. Beim Sklaven hatte man dessen Tod allerdings von vorn herein in seine Wirtschaftlichkeitsrechnung mit eingerechnet. Dies überläßt man nun dem freien Markt. So tötet der
Markt und nicht der Eigentümer. Dagegen kommt man schwerer an. Deshalb hat sich dieses Prinzip durchgesetzt. Es abstrahiert: Die Täter werden anonymisiert und sie verstecken sich hinter dem Markt.
Januar 5th, 2013 at 18:46
@Manfred Peters: ich weiß nicht, was du da jetzt drauf rumreitest, das ist in dem Zusammenhang(!) doch absolut irrelevant. Im übrigen ist die BRD 1990 der unveränderte Nachfolger der BRD 1989, schon bemerkt? Das ist aber nicht das Thema im Posting, da kreuzen sich schon genügend andere.
Januar 5th, 2013 at 18:58
Es ist ja nicht nur so, dass eine sogenannte Unterschicht als dumm, faul und kommunikationsunfähig dargestellt wird, in den unzähligen “Telenovelas” im ÖR wird ebenso wie bei Sat1 und RTL immer wieder das Märchen vom Aufstieg erzählt. Da kann ein früheres Zimmermädchen sich hocharbeiten zur anerkannten Managerin oder Künstlerin, die graue Maus wird zur Schönheitskönigin. Man muss eben nur seine eigenen Ressourcen (äußerlich wie innerlich) erkennen (die dann gegen alle Widerstände von natürlich auch immer vorkommenden Bösewichtern von den “klugen” Adligen oder potenziellen Arbeitgebern erkannt und gefördert werden)und unbeirrbar daran glauben – dann schaffe ich es, der Intrigantin den Job abzuluchsen und wahrscheinlich lockt am Ende noch die große Liebe. Seltsamerweise gehts da tatsächlich meist um Frauen. Ich hab noch nie einen Mann sich vom hässlichen Entlein zum Schwan entwickeln gesehen.
Es gab mal eine Zeit, da wurde das mit Recht Trivialliteratur (heute wird ja nicht mehr gelesen) genannt – weitab von der Realität.
Die vielen Talenteshows fallen in dieselbe Kategorie und die vielen Erfolgsmeldungen in den Nachrichten und Dokumentationen auch.
Die Serie Knopps fing mMn ja mal ganz ambitioniert an, aber inzwischen gehts mehr um Adelshäuser und Klatsch und Tratsch denn um Geschichte und Geschichtsverständnis. An “History” ist mir der Verfall besonders deutlich aufgefallen – und es ging sehr schnell.
Aber es geschehen Wunder in Deutschland, die natürlich keine wirklichen sind, weil ja jeder selber dieses Wunder bei sich geschehen lassen kann.
Die Auswirkungen kann ich jeden Tag an meiner Arbeit beobachten.
Im Übrigen: Die Nationalsozialisten haben Film und Fernsehen ganz gezielt eingesetzt. Die wussten genau, wo die Hebel angesetzt werden müssen.
Ich glaube nicht, dass das heute dem Zufall überlassen wird.
Januar 5th, 2013 at 19:01
Ein sehr treffendes Beispiel für die Macht der Massenmedien war der Kosovo- Krieg, in dem trotz des dritten deutschen Angriffes auf Serbien im 20ten Jahrhundert von der sogenannten “Friedenbewegung” nicht viel zu sehen war.
Januar 5th, 2013 at 19:09
Der Kosovokrieg ist wirklich massenwirksam in Szene gesetzt worden, mit mMn sogar denselben Bildern für unterschiedliche Situationen. Die Macht der Bilder sollte man wirklich nicht unterschätzen.
Januar 5th, 2013 at 19:31
Wir kennen ‘Welt’ und ‘Wirklichkeit’ nur noch medial vermittelt. Die Mutter, die ihr Kind von einem brennenden Haus wegzieht mit den Worten ‘Komm jetzt, das können wir doch nachher im Fernsehen viel besser sehen’ hat’s begriffen. Das medial Vermittelte wird längst nicht mehr in die je eigene Welt und Wirklichkeit, die unmittelbare Erfahrung des Einzelnen eingepasst, sondern umgekehrt. Die Macht der Medien und ihrer Macher ist kaum zu überschätzen.
Das Thema ist hervorragend dazu geeignet, von der Wirklichkeit der Arbeiter in den USA und anderswo abzulenken…
In einer ‘offenen’ Diktatur ohne diese ‘Meinungsfreiheit’, so jedenfalls die Erzählungen, würde das von den Konsumenten genau andersrum verstanden werden. Als nur leicht getarnter Hinweis auf eben diese Wirklichkeit. Ich kann das nicht recht beurteilen, aber vielleicht können einige ‘Ostsozialisierte’ etwas dazu sagen.
Mich als ‘Wessi’ haben Geschichtsthemen jedenfalls auch schon oft in diesem Sinne als durchaus ‘aktuell’ angesprochen, die Parallelen springen einen oft geradezu an, Vergleiche drängen sich auf. Allem Anschein nach aber weder die Macher noch das sog. ‘breite’ Publikum, soweit man dessen Reaktionen mitbekommt. Vermutlich ist in beiden Fällen schon eine gewisse ‘Dissidenz’ Voraussetzung solcher Wahrnehmung.
Januar 5th, 2013 at 19:36
@Frau Lehmann – Zur Film-Propaganda der Nazis hat Hans Schmid ein interessantes eBook verfasst. Wenn man nach dem Autor sucht, können auch viele Beiträge noch auf telepolis gelesen werden.
Januar 5th, 2013 at 20:04
@Troschka Einer für die, die nicht wissen… Aber komfortabel geht sowas eben nicht oder nur, wenn man halt mit vielen trotzdem gut kann. ;)
Januar 5th, 2013 at 20:05
@Manfred Peters(11): Falls es dir nur um die Formulierung “im deutschen Fernsehen” ging: “Holocaust” war eine US-Serie, die zuvor schon im US-Fernsehen lief, daher die Abgrenzung. Wie du sicher weißt, war deustches Westfernsehen übrigens auch in der DDR zu empfangen. US-Fernsehem nicht so.
Januar 5th, 2013 at 20:09
Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang, das sich nach dem “Ersticken des Holocaustdiskurses” im neuen Jahrtausend der Opferdiskurs unter Federführung der Bildmedien, insbesonders des TV-Event-Movies stark entwickelte.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, lassen sich vor allem vier Filme anführen. So wurde den deutschen Fernsehzuschauern im Jahr der Fußballweltmeisterschaft, 2006 (wir waren wieder wer – zu Gast bei Freunden), im Film »Dresden« noch einmal das »Flammeninferno« der alliierten Bombenangriffe vor Augen geführt. In »Die Flucht« (2007) und »Die Gustloff« (2008) wurde an die deutschen Flüchtlingstrecks gemahnt, die sich vor den »plündernd und vergewaltigend« in Ostdeutschland einmarschierenden Rotarmisten in Sicherheit zu bringen versuchten, und 2009 wurde in »Krupp – eine deutsche Familie« die Geschichte des bemitleidenswerten Alfried Krupp in den Mittelpunkt gerückt, der sich »von der Wucht des Kruppschen Vermächtnisses schier erdrückt« fühlte. Die Filme wurden sämtlich von ARD und ZDF ausgestrahlt und erreichten Einschaltquoten von mindestens gut sieben bis hin zu fast 13 Millionen Zuschauern. Damit konnten sie sogar der Show »Wetten, dass…?« und der Krimireihe »Tatort« Konkurrenz machen, was in Deutschland schon was heißen will.
Und ohne zu thematisieren, wann das Grauen begann, erschien 2003 das Buch über die Opferrolle ehemaliger Nazissen nach 1945 “BeFreier und Befreite. Krieg,Vergewaltigungen,Kinder.” von Helke Sander. Im Fernsehen lief der Film “Anonyma – eine Frau in Berlin” nach seiner Kinoaufführung 2008.
Höhepunkt der Hitlerisierung des deutschen TV war der vor kurzen ausgestrahlte Film über den “Widerständler” Rommel.
Die propagandistische daran ist, dass den Rezipienten suggeriert wird, aufgrund der eingängigen Dramaturgie sei das Gezeigte historisch authentisch.
Januar 5th, 2013 at 20:14
Ich denke, dass die Entwicklung und Verbreitung der elektronischen Medien, ausschließlich wegen der Möglichkeiten der Meinungsmanipulation, voran getrieben wurde.
Wir hätten kein Fernsehen und kein Radio, wenn diese nicht so effizient in der Lenkung der Bevölkerung wären.
Januar 5th, 2013 at 20:30
@Peinhart #18
“In einer ‘offenen’ Diktatur ohne diese ‘Meinungsfreiheit’, so jedenfalls die Erzählungen, würde das von den Konsumenten genau andersrum verstanden werden. Als nur leicht getarnter Hinweis auf eben diese Wirklichkeit. Ich kann das nicht recht beurteilen, aber vielleicht können einige ‘Ostsozialisierte’ etwas dazu sagen.”
Ich kann nicht so richtig nachvollziehen, wie deine Frage gemeint ist.
Darum erst einmal soviel: Weil der Konsument wusste, dass er aufgearbeitetes (manipuliertes) “Material” vorgesetzt bekam, lernte er zwischen den Zeilen zu lesen/sehen. Wir mussten ja nicht lernen zu entscheiden, welcher Film, welche Dokumentation, welches Buch jetzt auf seriöse bzw. redliche Absender zurückzuführen ist. Geschichte wurde ebenso verfälscht, aber das wusste man irgendwann, auch in welche Richtung. Meist geschah das aber durch Weglassen und Selektierung, weniger durch gänzliche Verkehrung oder Emotionalisierung. Alles war aber vorinterpretiert. Die literarische und filmische Aufarbeitung der Geschichte der Indianer Nordamerikas z.B. ging nicht mit so viel Verkitschung und Pathos vonstatten wie durch die Karl-May-Verfilmungen. Natürlich hat man versucht, heldenhafte revolutionäre Gedanken z.B. beim Aufbau der Sowjetunion in die Gegenwart zu transformieren, aber all die Bücher, die zu dem Thema in der Schule Pflichtlektüre gewesen sind, sind aus heutiger Sicht größtenteils auch belegbare und ernst zu nehmende Zeitzeugnisse. Sie wurden natürlich in eine bestimmte Richtung interpretiert.
Huch, ist jetzt doch ziemlich umfangreich geworden. Sorry. Und auch nur meine persönliche Einschätztung.
#19 Danke!
Januar 5th, 2013 at 20:44
Ich erinnere mich noch daran, wie eines Tages der komplette Schulunterricht umgekrempelt wurde, weil damals in der Glotze “The Day After” lief und der Lehrkörper uns mit diesem gruseligen Atombombenstreifen nicht pädagogisch unbehandelt lassen wollte. Wie wir heute wissen waren wir in den Achzigern tatsächlich mehrmal kurz davor, daß rote Knöppe gerdrückt wurden. Was mir in diesen Tagen und schon länger zum Thema TV-Indoktrinationen einfällt, sind die inflationären “mit Wachtmeister Kuddel unterwegs” – Formate, in denen uns die bummsdeutschen Ordungshüter (Vom Lebensmittelkontroleur bis zum Hundefänger) als total töfte Buddies vorgeführt werden, die den bösen Buben (vorzugsweise besoffenes Prekariat o. NixVerstaan-Mitbürger) auf die Finger hauen. Ja da erwacht unser innerer Abschnittsbevollmächtigter und meldet sich zu Wort. Das Schlimme ist, daß ich bei Teilen wie “mit Stützecops auf Streife” regelmäßig hängenbleibe, weil mein Scheißedetektor dann immer so laut aufheult und ich nicht glauben kann, was mir da vermittelt werden soll. Und da keimt nicht übel die Lust mal bei so einer Produktionsfirmaklitsche einzulaufen und den grenzdebilen Propagandisten ordentlich ins Script zu kotzen.
Januar 5th, 2013 at 20:55
Den Film “The Day After Tomorrow” durften unsere “Schüler” im Original im Kino sehen. Da gehts neben der unbedingten “Aktualität” auch um den puren Kommerz.
Vor ein paar Jahren haben wir eine hochgelobte und EU geförderte Dokumentation zum Thema Wasser im Kino gesehen, die, lacht jetzt nicht, von Vertretern der Wasserwirtschaft präsentiert wurde. Was glaubt ihr, in wessen Sinn die anschließende Diskussion geführt wurde?
Januar 5th, 2013 at 21:33
In unmittelbarer Nachbarschaft erlebe ich folgendes, eine Frau 80 Jahre, schwer krank, wird täglich versorgt und hat ihr Leben lang schwer gearbeitet. – Für die Mitbewohner im Haus, sitzt sie den ganzen Tag nur rum und wiederholt hörte ich die Aussage “die ist nur noch faul”. … soweit sind die Menschen inzwischen zum (kritischen) Denken unfähig und auf den Punkt gebracht, medial verblödet.
Januar 5th, 2013 at 21:57
@Peinhart(18): JA. Der Blick war/ist aber auch anders ‘geschärft’.
‘Ihr’ wurdet über die fehlende Freiheit bei ‘uns’ (teil-!)aufgeklärt, ‘wir’ über ‘Eure’ Ausbeutung.
Btw. Teil-Aufgeklärt gilt für beides, jeder eben soweit, wie es ins jeweilige System paßte. Der ‘Dissens’ ergab sich mE nicht nur aus einer ‘selbstgewählten’ Opposition, sondern auch aus ‘geübter’ Interpretation. (Insofern kann ich nur tlw. @Frau Lehmann zustimmen.)
Januar 5th, 2013 at 22:06
@Hartmut
Dafür brauchts nichtmal kritisches Denken. Zur medialen Verblödung kommt da noch der pure Neid, der es einfach nicht zulässt, jemandem irgendetwas zu gönnen, völlig egal, ob “verdient” oder nicht. Die Verblödung zeigt sich dann wahrscheinlich in der wiedergkäuten Erklärung, dass dieses “Nichtstun” ja schließlich von ihnen, den Steuerzahlern, bezahlt werden müsse.
Aber nur die Besten sterben ja bekanntlich jung.
Januar 5th, 2013 at 22:12
@flatter
Wunderst du dich? Nicht wirklich, oder?
Geschichtsfälschung via Medien ist schon immer eine neoliberale Strategie gewesen, und dies gilt nicht allein für Europa, oder Deutschland. Schau mal in die USA, dort gilt der Neoliberalismus als der Heilige Gral, und Geschichte wird dort nur noch über die Schiene Kapitalismus = Positiv geschrieben, und wer etwas anderes herausfindet ist eben ein Sozialist/Kommunist – auch wenn er als gebürtiger US-Amerikaner nie etwas vom real existierenden Sozialismus erfahren durfte – dank Tea Party.
Ich stimme überall zu, nur einen Punkt will ich – seit heute – ergänzt haben:
“[...] Ein gutes Beispiel dafür sind Nachmittagstalkshows und Gerichtsshows, die das Bild von einer asozialen verdummten Unterschicht zeichnen. Diese Brot-und-Spiele-Formate haben Folgen, u.a. Schamlosigkeit und Projektion[...]”
…es sind mittlerweile auch angeblich harmlose Gartengestaltungssendungen im RTL, die mit Begriffen wie “Opfer” und “Unterschicht” hantieren….
…hab Bauklötzchen gestaunt, als ich – zum ersten Mal seit ewigen Zeiten – eine Sendung, ja eben besagte Gartensendung im RTL angesehen habe….
Dort ging es darum wie man einen Sichtschutz, der zwei Farben hatte, so aufstellt, dass es nicht so krass auffällt….die Dame meinte “Hier nicht, dass sieht doch als ob hier ein Opfer wohnen würde….”
…Neoliberalismus/Kapitalismus entblödet sich also nicht mehr – via Propaganda – harmlose Formate zu entern….
Gibt es eigentlich schon Kochsendungen mit solchen “Unterschichtskommentaren”?
Frei nach dem Motto:
“Das ess ich nicht ich bin kein Opfer!”
….wundern würde es mich nicht….
Amüsierte Grüße
Bernie
Januar 5th, 2013 at 22:21
Stimmt, @Wat.
Nur zur Ergänzung: Es fehlte ja auch die Notwendigkeit einer Verkaufsstrategie der Ideologie. Keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gerechter als Ausbeutung zu verstehen, bedurfte erstmal keines zusätzlichen Anreizes.
Edit: Und keiner Verschleierung
Januar 5th, 2013 at 22:30
@Frau Lehmann(31): Sorry, das habe ich jetzt nicht verstanden, was Du da sagen willst, sagst Du es mir bitte noch einmal anders. Danke.
Edit: Du meinst, wenn ich jetzt Deinen weiteren Nachsatz richtig verstehe, es gab da keine Ausbeutung? Widerspruch, die gab es, nicht nur Unterdrückung des Menschen durch den Menschen.
Januar 5th, 2013 at 22:45
@Wat.: Ich meinte, dass wir in der DDR die Theorie des Kapitalismus (Ausbeutung) ja durchaus kannten und jeder irgendwie auch eingesehen hat, dass das ein ungerechtes System sein muss. Die DDR-Ideologen mussten also im Gegensatz zur beispielsweise Bundesrepublik keine Anstrengung unternehmen, um das eigene System als gerechteres System zu legitimieren. Während die Bundesrepublik ihr, weil kapitalistisch, und damit auf Ausbeutung beruhendes, System “menschenfreundlich”, also sozial, gestalten musste (das meinte ich mit Verkaufsstrategie), um die Ausbeutung vergessen machen zu können bzw. zu verschleiern.
Besser verständlich?
Januar 5th, 2013 at 22:51
@Frau Lehmann(33): Ja, Danke und Zustimmung.
Januar 6th, 2013 at 07:23
@Frau Lehmann – Punkt 26
Filmtipp eines kritischen spanischen Spielfilmes über Wasserprivatisierung, und wo die – dank Scheitern dieser Privatisierungspläne – zum ersten indigenen Präsidenten Südamerikas geführt hat – Evo Morales in Bolivien.
Übrigens, der Film ist dem verstorbenen kritischen US-Historiker Howard Zinn gewidmet, und basiert tatsächlich auf Ereignissen aus dem Jahr 2000….eben besagtem Kampf gegen die gelante totale Wasserprivatisierung (der Originaltitel heißt frei übersetzt “Sogar der Regen”) durch Neoliberale in Bolivien, der dort fatal gescheitert ist…damals….
https://www.und-dann-der-regen.de
…der Trailer ist auch informativ….und dank EU-Wasserprivatisierungsplänen wohl immer noch hochakutell?
…mittlerweile auf DVD erhältlich, und “Schülern” vorführbar….
Gruß
Bernie
Januar 6th, 2013 at 10:29
Piet 25: Du beschreibst mit den “toften Buddies” und “Wachtmeister Knuddel” sehr originell einen wichtigen Aspekt. Dadurch wird vermittelt, dass die einen sich im Plüschsessel vor der Glotze sicher fühlen dürfen, die anderen sich jederzeit auf der Hut befinden müssen. Der Kontaktbereichsbulle könnte überall sein. Toto und Harry lassen grüßen.
Januar 6th, 2013 at 11:35
@ flatter #21
„… dir nur um die Formulierung “im deutschen Fernsehen” …“
+1!
Noch profaner, aus östlichen Sicht „Westfernsehen“! Aber das wäre für die Thüringer auch nicht ganz richtig, denn das Fernsehsignal kam vorwiegend aus dem schwarzen Süden.
&
@ sramXX #22
„Höhepunkt der Hitlerisierung des deutschen TV war der vor kurzen ausgestrahlte Film über den “Widerständler” Rommel.“
Es hat mich schon überrascht, wie wenig Kritik an dieser Geschichtsklitterung aufkam.
Wenn man dann noch die Heiligsprechung eines anderen umstrittenen Protagonisten, den
„Widerständler“ General Speidel,* erleben muss, kann einem schon übel werden.
Andere aktuelle Quelle:
„Zum Politikum wurde ihr Film “Unternehmen Teutonenschwert” von 1958. Darin warfen sie dem Nato-General Hans Speidel Kriegsverbrechen in der Sowjetunion vor. Speidel wies die Anschuldigungen zurück. Thorndikes Werke wurden daraufhin in der Bundesrepublik und anderen westlichen Ländern nicht gezeigt, so dass sie dort weitgehend unbekannt blieb.“
So gab es nicht nur in der DDR „Das Tal der Ahnungslosen“, sondern gibt es bis heute eine gerne
ahnungslose (West)Republik, Deckname BRD.
Januar 6th, 2013 at 13:39
Ach übrigens: Es geht voran! ;)
Januar 6th, 2013 at 13:43
https://www.retronaut.com/2012/06/photomanipulation-1865-1976/
Januar 6th, 2013 at 13:49
Ich bin ein gelegentlicher Betrachter der Serie GROßstadtrevier mit Jan Fedder als Dirk Matthies.
Das prägt mein Bild von der Polizei. Jedes Mal wenn ein Polizist ein meiner Tür klingelt, rufe ich voller Freude aus, aaah Dirk Matthies kommt.
Die sind dann immer so was von freundlich und entgegenkommend.
Januar 6th, 2013 at 14:04
Nicht, dass sich das Entgegenkommen dann auf die Faust erstreckt???
Januar 6th, 2013 at 14:14
@Peinhart: Wie ausgesprochen spontan! :-P
Berge explodieren …
Januar 6th, 2013 at 15:24
Graue B-Film Helden… aber die sind ja sogar schon reif für die Münze… ;)
Januar 6th, 2013 at 15:49
@ 38/43 und 42
es liegt ein grauschleier über dem land,
den mutti nicht mehr wegwaschen kann.
ansonsten: … kein freispiel drin
Januar 6th, 2013 at 18:05
“… stadt” und “… hat” reimten sich in den 80ern besser. ;-)
Januar 6th, 2013 at 18:13
@ flatter
Hast ja recht, aber “das war vor jahren” ;-)
und “mutti” ging nur mit der erweiterung land und ein besserer reim fiel mir da nicht ein.
Januar 6th, 2013 at 18:33
Die Zeit für lustige Reime ist eh abgelaufen. Und uns Mutti der personifizierte Grauschleier selbst. :P
Januar 6th, 2013 at 18:47
“Paul ist tot” , da hilft auch keine Mutti mehr.
(mußte sein)
Januar 6th, 2013 at 18:56
Mann, sind wir belesen, ey! :D
Januar 6th, 2013 at 19:34
Und diese Scheißchokolade macht einen Feta und Feta und Feta …
Ich glaube, in diesem Thread unterbeiten wir unser Niveau in höchst beeindruckender Weise. Eike wird den plötzlichen Floskeltod gestorben sein.
Januar 6th, 2013 at 19:40
Wen es interessiert – auch die junge Welt befasst sich aktuell mit einer ähnlichen Thematik: Teil 1 und Teil 2
Januar 6th, 2013 at 21:18
@39 Klaus Interessanter Link. War mir ehrlich gesagt nicht so bewusst, dass es schon dunnemals Usus war unliebsame Gestalten aus Lichtbildern zu entfernen oder gar Montagen zu erstellen. Bei dem Aufwand wär ich davon ausgegangen, dass es zigfach leichter gewesen wäre das Foto neu zu machen.
Btw. Wieso klingeln bei dir öfter Polizisten an der Tür? ;o)
@Peinhart Personifizierter Grauschleier gefällt mir sehr gut. Das nehm ich. *g*
Januar 6th, 2013 at 22:41
Was soll man denn auch angesichts der Situation in diesem Land noch schreiben, außer: So verdammt besch eiden ist es… und dennoch lachen, wenn auch vielleicht nur, damit man nicht weinen muss.?
@Frank F. #51
Interessante Beiträge. So das eine oder andere scheinbare Klischee bwahrheitet sich dann eben doch.
Januar 8th, 2013 at 01:18
Kurz als 1EUR – Lesetipp
“Industrialisierung des Bewusstseins” von A. Kluge & Co. direkt aus den 80ern (“Neue Medien” war damals noch Privatfernsehen).
Das die scriptete Grütze von RTL und Konsorten abfärbt und als Vorbild dient, durfte ich letztens direkt selbst erleben. Es war kaum zu fassen. Es gibt Leute, die so drauf sind – also tatsächlich so kommunizieren und so leben. Und ich befürchte, es sind nicht wenige …
Januar 8th, 2013 at 09:13
@22
Die “Rückbesinnung” auf die “Opferrolle” der Deutschen nach dem Zusammenbruch des 1000-Jährigen ist nichts weiter als die Wiederaufnahme des “wir-sind-wieder-wer” aus den Zeiten, als das “Wirtschaftswunder” der Deutschen Sinnstiftung schlechthin war.
Lang genug auf “Knien gerutscht”!
Wird man ja wohl auch noch sagen dürfen!
Passt doch alles perfekt zu der neuen “Deutschen Führungsrolle” Merkelscher Prägung, oder?
Januar 8th, 2013 at 15:42
@#18 Peinhart:
Solche Darstellungen zielen ja gerade darauf ab, dass der Zuschauer die Geschichte gefühlsmäßig nachvollziehen kann, aber eben die Ratio keine Parallelen zur eigenen Situation ziehen kann. Er wird sich also in den Darstellungen wiederfinden, ohne evtl. zu wissen warum. Er findet es gut und der Film wird ein Erfolg.
Ein intelligenter Vertreter des westlichen Zuschauers wird diese Parallele jedoch ziehen können (z.B. unser Freund Flatter). Ebenso wird es natürlich Leute in einer Diktatur geben, die das erkennen können.
Allerdings hätte der Zensor in der Diktatur wahrscheinlich versucht einen Strich durch die Rechnung zu machen. Schon sowas war zu gefährlich. Man muss nur mal schauen, was für an sich harmlose – und gutgemeinte! – Filme/Theaterstücke in der DDR Aufführungsverbot hatten.
Der Unterschied ist aber an anderer Stelle ein wesentlicher: Die Intention, einen Film SO zu gestalten wäre eben in der “freien Marktwirtschaft” und der Diktatur gegensätzlich. Auf der einen Seite wird auf die Dummheit des Konsumenten gesetzt, auf der anderen auf die Intelligenz des Zuschauers.
@24 Frau Lehmann:
Diese von ihnen harmlos “einseitig” genannten Darstellungen (die zu 99% langweilig, offensichtlich dumm und ideenlos waren) hat der breiten Bevölkerung im Laufe der Jahrzehnte leider die Rezeption der ganzen DDR-Kulturprodukte KOMPLETT vergrätzt. Mag sein, dass es bis Ende der Sechziger tatsächlich noch große Bevölkerungsteile gab, die von den DDR-Ideologen durch Einflussnahme auf die Kultur auf Linie gebracht werden konnten. Spätestens in den Achtzigern war dann definitiv Schicht im Schacht und der Einfluß tendierte gegen Null. Und dieser kulturelle Identitätsverlust war m.E. auch der Grund, warum sich die DDR-Bevölkerung dieses Staates überhaupt so unglaublich schnell entledigen konnte. Es waren nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse (es ging für die Leute nie bergab!)
Man muss konstatieren, dass die DDR-Funktionäre vollständig verkackt haben. Sie waren zu unfähig und haben ihrem eigenen Ideal _nachhaltig_ geschadet, auch wenn das mancheiner nicht wahrhaben will.
Noch ein Wort zum kulturellen Output, den die DDR hatte: Es gab da wundervolle Sachen, die eben nur in einem solchen Umfeld erwachsen konnten. Ich kann es von meinem heutigen Standpunkt kaum ermessen, aber es gab da wahrscheinlich in dem kleinen Land eine relativ überschaubare Bevölkerungsgruppe, die eben sensibelst mittels der obengenannten Zeichen zu kommunizieren wusste. (Und alle internen und externen Geschehnisse wurden durch Horch&Guck ja ausserordentlich gewissenhaft dokumentiert. Im Nachgang der historischen Einordnung (z.B. in 200 Jahren) ein echter Vorteil, wie ich meine :P)
@#33 – nochmal Frau Lehmann:
Man kann ihre seltsame Darstellung auch komplett umdrehen:
Da für jeden offensichtlich war, dass in der DDR mehr ausgebeutet wurde als im Westen – im Westen bekam man ja mehr Gegenleistung für die gleiche Arbeit, z.B. einen VW Golf statt Trabi – hatten die DDR-Ideologen ja alle Hände voll damit zu tun, diese Verhältnisse umzudeuten. “Arbeiten für Sozialismus und Weltfrieden” etc…
Es handelt sich doch um einen Witz, wenn sie behaupten, der “real existierende Sozialismus” der DDR wäre von der Bevölkerung per se als gerechteres System gesehen und legitimiert worden, weshalb es keine “Notwendigkeit einer Verkaufsstrategie der Ideologie” bedurfte?! Können sie sich noch an die “Wahlen” entsinnen und diese peinlichen Aktionen im Vorfeld eben jener? Oder an das Eingabewesen?
Kein DDR-Bürger hatte das Gefühl in der gerechteren Hälfte Deutschlands zu leben. Jedenfalls keiner aus meiner Generation.
Ihr ganzer Kommentar #33 ist m.E. völlig verkehrt.
Frage nebenbei: Kann es sein, dass sie schon in der DDR im Lehrbetrieb waren?