hasispaltIch lese beinahe täglich von einer “Spaltung der Linken”, die es zu vermeiden gelte. Bis heute habe ich das nicht verstanden. Das liegt unter anderem daran, dass die parlamentarischen Parteien, denen obendrein die marodierende Propaganda permanent einen “Linksrutsch” unterstellt, mit einer “Linken” nichts zu tun haben. Es liegt aber auch daran, dass unterschiedliche Perspektiven, unterschiedliche Ziele und unterschiedliche Theorien nicht “gespalten” werden müssen. Im Gegenteil können sich sogar leidenschaftlich widerstreitende Strömungen und Gruppierungen unter Umständen sehr schnell vereinigen. Und vereint müssten sie erst mal sein, um sich zu “spalten”.

Auch Animositäten unter Linken oder selbsternannten Linken sind keine Spaltung. Weder das Mobbing einzelner Vollidioten gegen andere ist “Spaltung”, noch das womögliche organisierte Zerlabern von Diskussionen. Wäre das schon Spaltung, könnte jeder, der ein Interesse daran hat, sich “links” nennen, durch die Foren ziehen, Leute anpöbeln und derart “spalten”. Wäre es denn so einfach, müsste man davor auch wieder keine Angst haben. Dann wäre die Linke halt gespalten, der Begriff verlöre aber nicht nur die Brisanz, sondern am Ende jede Bedeutung. Das neutralisiert keine “Linke” und sagt nichts über ihren Zustand.

Ich hack mir den Fuß ab

Ist es “Spaltung”, wenn ich sage, dass ich mir lieber einen Fuß abhacke, als Grün oder SPD zu wählen? Sind die “links”? Wer eine solidarische Gesellschaft anstrebt, Sozialist ist, Kriege ablehnt oder Ausbeutung verdammt, kann mit diesen Pappnasen nichts anfangen. Die sind dann einfach draußen. Wenn es ein “Links” gibt, das diese Ziele nicht kennt, na gut – dann spaltet sich das hier wohl. Denn es geht einfach nicht zusammen mit dem, was ich als “links” zu definieren beanspruche. Auch das tut aber niemandem weh, der Steinbrück nicht für eine geeignete Führungsfigur der “Linken” hält.

Der Riss der Kulisse “Links” geht mitten durch die Partei, die sich “die Linke” nennt. Dort findet die Diskussion lebhaft statt, ob unter den gegebenen Verhältnissen – geprägt von tendenziösen Medien und einer korrupten Parteiendemokratie – eine Linke parlamentarisch überhaupt etwas bewirken kann. Ob ‘Kompromisse’, die dort gemacht werden, nicht jeder linken Zielrichtung schaden. Ich bin der Ansicht, dass die Partei dieses Dilemma angemessen repräsentiert. Weitermachen!

Die außerparlamentarische Linke ihrerseits deckt ein großes Spektrum ab. Das heißt “Spektrum”, weil es aus vielen Farben besteht. Darin wiederum gibt es durchaus auch Unvereinbarkeiten. Diese sind allerdings weitgehend irrelevant, weil man sich zum Beispiel mit “Antideutschen” nicht um deren bizarren Markenkern streiten muss, wenn es um die Analyse der sozialen Situation geht. Eine relevante Linke ist Opposition gegen etwas, und diese Opposition speist sich schon allein aus der reaktionären Praxis.

Einig gespalten, reaktionär

Reaktion ist eigentlich das Spielfeld der “Einigkeit”. Das Festhalten am Bestehenden ist das Band, das die Mehrheit zusammenhält. Eine Mehrheit, die sich nicht über drei politische Grundsätze einig ist. Sollen wir das auch anstreben? Wozu ist das gut? Sollen wir vielleicht Symposien abhalten mit Gruppenkuscheln und minutenlangem Beifall für einen Stock mit Hut, um Einigkeit zu demonstrieren? Da ist mir doch der knallharte Streit um Möglichkeiten und Unmöglichkeiten lieber, wenn er denn langfristig zu brauchbaren Erkenntnissen führt.

Schließlich: Es war mir immer schon ein Rätsel, was so schwierig daran ist, Sachverhalte von Personen zu trennen. Noch rätselhafter ist mir, wie man Menschen abgewöhnen kann, alles und jedes zu personalisieren. Dass sich manche Leute nicht riechen können, ist bekannt, auch das hat nichts mit Spaltung zu tun. Ich bin am Ende sogar davon überzeugt, dass die Einigkeit bezüglich vieler Inhalte nur künstlich übertüncht wird, und zwar deutlich über das linke Spektrum hinaus. Das aber ist ein Symptom geballter Macht und ihrer Medien. Die Spaltung, die da waltet, ist keine zwischen Links und Rechts und nicht einmal mehr die zwischen oben und unten. Es ist die Abspaltung der Wahrnehmung von der Wirklichkeit.