Jeder kriegt, was er verdient
Posted by flatter under Best of , Politik[115] Comments
04. Dez 2012 21:10
Es gibt Zeitgenossen, die gern extreme Maßnahmen empfehlen, auch deshalb, weil sie bei ihnen selbst keine Anwendung finden. Würden sie zum Beispiel hundertmal Artikel eins des Grundgesetzes abschreiben müssen, vielleicht wäre es hilfreich, und wenn nicht, hätten sie zumindest eine Gelegenheit gehabt, sich über das zu orientieren, was sie tun und was sie nicht tun. Was Zivilisation einmal auch wollte und wo sie schon wieder gelandet ist. Was gerade Deutsche einmal gelernt zu haben glaubten und was davon noch übrig ist.
Eine andere Lösung wäre nicht weniger extrem, stattdessen radikal, auf einfachste, nämlich primitive Art gerecht und ihnen angemessen. Denjenigen, die nicht begreifen, dass Zivilisation gerade vor Grausamkeiten schützen sollte, die Menschen Menschen antun, die vielmehr gerade jene dazu benutzen, feige und nicht einmal im eigenen Namen andere zu demütigen. Die ernsthaft nach Gesetzen schreien, deren Zweck letztendlich solche Demütigungen sind, die Gesetze, Vorschriften und all das, was ihnen ein bisschen Macht verleiht, zum Werkzeug der Entwürdigung machen.
Ihnen angemessen, obwohl im Grunde zu gerecht, wäre das Beenden dieses gescheiterten Experimentes “Zivilisation”, da sie ohnehin nicht im Mindesten begriffen haben, was daran gut war und was fatal. Ich möchte ihnen gern die Gelegenheit geben, ihre Angelegenheiten wieder ohne den Schutz der Gesetze zu regeln, deren Sinn ihnen ja nicht eingeht. Lasst sie mit Äxten und Knüppeln aufeinander losgehen und sich gegenseitig die bräsigen Schädel einschlagen. Einfache Regeln, unmittelbare Wirkung.
Feige Barbaren
Wo ist der soziale Fortschritt? Nach der Aufklärung kam spätestens mit dem Nationalsozialismus die Steigerung barbarischen Menschenhasses zur industriell organisierten Ausrottung der Menschlichkeit. Immerhin reichte das für einen Schock. Es blieben noch genügend Nazis und Menschenschinder anderer Sorte übrig, der “Schoß” blieb stets “fruchtbar noch, aus dem das kroch”. Aber immerhin wurde kurzfristig erkannt, dass da etwas schiefgelaufen war. “Kapitalismus” wollte man nicht mehr, “Menschenwürde” wurde groß geschrieben, “Demokratie” sollte es werden. Es stand auf dem Papier, und es wurde in den Reden verkündet, so dass das Volk das glaubte.
Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
Es hat nicht lange gedauert, bis alles, aber auch alles wieder vergessen wurde. Die Masse interessiert sich nicht für Demokratie, nicht für Kapitalismus und nicht für Menschenwürde. Das eine erscheint ihnen als Naturgesetz, das andere sagt ihnen nichts. Wer nicht ist wie sie, ihre Schicht, ihre Sicht, ihre Herkunft, Sprache oder Religion, der ist kein “Mensch” mehr. Der ist Ausländer, Arbeitsloser, Grieche, Moslem oder Kommunist. Der hat demnach keine Würde, die es zu schützen gilt, sondern nur Schuld. In Leserbriefen hetzen sie über eine Jugend in Südeuropa, die “Anreize” bräuchte um zu arbeiten, wo mehr als jeder Zweite keinen Arbeitsplatz findet. Das liege daran, dass sie alle faul seien. Denen sei nichts zu gönnen. Kein rationales Argument hilft dagegen.
Beam me up
Die widerlichen Schikanen in den Job Centern, die vor nichts zurückschrecken, zu dem sie Arbeitslose zwingen können, finden nur Applaus in einer verrohten Mittelschicht. Neuestes Beispiel: Da werden den “Kunden” Schrittzähler verordnet, um festzustellen, ob das faule Pack sich auch genügend bewegt. Tut ja nicht weh, das kann man doch leisten, wenn man die Hand aufhält!
Nichts haben die Charakterschweine gelernt, die jeden Zwang befürworten, den sich ein eifriger Kollaborateur ausdenken kann. Das Existenzminimum muss sich niemand “verdienen”. Es ist das, was jedem zusteht, den die Gesellschaft nicht hat integrieren können. Auch die Faulen und die Renitenten. Punkt. Aber nein, diese verschwindende Minderheit taugt ihnen vielmehr zum Grund für den Weg zurück in die gepflegte Barbarei. Einer faul, alle faul. Alle faul, alle unwert. Das wird durchgekaut bis zum Erbrechen und dann noch einmal und noch einmal.
Woanders können sie das auch in unserer Friedensnobelpreis verseuchten Union der Demokratien. In Ungarn wollen sie nach der Ghettoisierung der “Zigeuner” wieder Juden zählen, in Holland wollen sie Ghettos für Asoziale. Was sind das für Leute? Ich möchte mit denen nicht auf demselben Planeten wohnen. Wenigstens würde ich aber gern irgendwo hin, wo Leuteschinderei endlich als die Niedertracht gilt, die sie ist und von allen stets mit der größten Verachtung quittiert wird. Wo die Würde des Menschen endlich verdammt nochmal unantastbar ist.
Dezember 4th, 2012 at 21:25
ich glaub es nicht, der faschismus kommt wieder.
Dezember 4th, 2012 at 21:35
@Klaus Baum
Glaub es ruhig – Mir, als vorrausahnendem Menschen, war dies frühestens ab dem Fall der Berliner Mauer klar, und spätestens seit den Post-Faschistischen-Hartz-Gesetzen.
@flatter
“[...]Was sind das für Leute? Ich möchte mit denen nicht auf demselben Planeten wohnen. Wenigstens würde ich aber gern irgendwo hin, wo Leuteschinderei endlich als die Niedertracht gilt, die sie ist und von allen stets mit der größten Verachtung quittiert wird. Wo die Würde des Menschen endlich verdammt nochmal unantastbar ist[..]”
…mich anschließ….
Gruß
Bernie
Dezember 4th, 2012 at 22:10
Ja, ich bin schockiert, ob dieser Entwicklung…..
ein Wort aus diesem super Artikel ging mir dauernd durch den Kopf heute beim Kommentarschreiben, Charakterschweine !!!
Dezember 4th, 2012 at 22:35
@bernie, für mich war er schon länger da (habe deswegen von attac-leuten verbale prügel bezogen), aber er, der faschismus wird immer offener und direkter.
dem schrittzähler ging übrigens seitens des justizministers unter koch in hessen die idee der fußfessel für arbeitslose voraus. anfang des jahrtausends.
Dezember 4th, 2012 at 22:35
@klaus
was glaubst du nicht? dass der braune dreck wieder fröhliche urständ feiert?
das glaub ich schon lange. nur hören will es keiner. das hätte man/frau/kind und kegel schon sehen können – so schrieben die vorigen poster – als die segensreichen ha(r)tz-reförmchen über die bühne liefen. aber das war zum volkswohl, prost!
demletzt hab ich eine von voll überzeugten demokraten in die fresse gekriegt, als ich erklärte, es heiße nicht erst dann faschismus wenn es mordet, sondern schon dann, wenn es sich ans aussortieren macht.
bel
Dezember 4th, 2012 at 23:05
@bel
hoffentlich nur verbal eins in die fresse gekriegt .
Dezember 4th, 2012 at 23:05
Das Üble ist, dass jene Charakterschweine sich auch noch als Wohltäter und Samariter aufspielen, mit dem Anspruch, anderen durch ihre niederträchtigen Sanktionen erst die Menschenwürde zurückzugeben. Sie reden von “Aktivieren” und wollen den Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit und Minderwertigkeitsgefühlen durchbrechen. Sie lieben doch alle Menschen.
Dezember 4th, 2012 at 23:24
“primitive Art gerecht und und ihnen angemessen.”
etwas zu viel und.
Ehrlich gesagt, ich glaube man muss keine Verknüpfungen zu einem gewesenen Faschismus ziehen, um zu beschreiben, was hier gerade passiert.
Oder es ist sogar kontraproduktiv, weil sich dann jeder nicht gemeint fühlen muss, der sich mit “braunem Gedankengut” eben nicht identifizieren kann/will.
Kapitalfaschismus mit all seinen schönen Blüten ist das, was wir erleben. Gesäte Angst in den Köpfen der Menschen. Es wird versucht, sich zu retten, indem man andere in den Abgrund stößt. Gemäß der Regeln, die wir seit Geburt eingetrichtert bekommen haben. Destruktive Konkurrenz lässt keinen Raum für Würde.
Unerträglich, all das…
Dezember 4th, 2012 at 23:33
Dem ist so. No furthermore comment.
Dezember 4th, 2012 at 23:35
Hör auf mich zum heulen zu bringen !!!
Aber offentsichtlich braucht es erst das Chaos
Danke
Dezember 4th, 2012 at 23:50
Ruhig Brauner *brrrh* bisiness äs juschuel. Was erwartest Du von durchschnittlich einssiebszig … hochgestapelter Krone der Schöpfung … eine einssiebzig hoch gestapelte “Krone des Pilses” würd’ mich da mehr interessieren! Basta!
Sachma, jezz im ernst: Am Anfang dacht’ ich Ogottogott, flatters Testament … kann ich Dich erheitern? Kennste den? “Four notices which tell you, that you might suffer from Alsheimer: First you forget names, second you forget faces, third you forget to zip up, fourth you forget to zip down!” *Muhaha* Na siehste, geht doch wieder!
Dezember 5th, 2012 at 00:01
An der Stelle lässt Du mich etwas ratlos zurück. Welches Argument hilft denn dann? Baseballkeule? Knarre?
Ich kann doch unmöglich mich dreinfügen in einen Defätismus und mich mit der “Gewissheit” sedieren, ich könne ja doch nichts dagegen tun…
Dezember 5th, 2012 at 00:32
Argumente… rational? – Gar keins behaupte ich. Aber die ‘schlagkräftigen’ noch viel weniger.
Nein.
Aber Tatsachen würden welche werden können – wenn nämlich die, die von der Verwertungsmaschine nicht mehr benötigt werden, sich andere Lebensgrundlagen suchen und schaffen, die mit Verwertung nullgarnix zu tun haben – aber das müssen diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit selbst erst einmal für sich entdecken. ;-)
Edit: Zwei Wochen Urlaub, keine Ahnung, ob ich mich im Leben schon mal so über Urlaub gefreut habe… geschafft, jetzt ist er da.
Dezember 5th, 2012 at 00:47
Ungarn?
Holland?
Das können die deutschen Bänker doch nicht auf sich sitzen lassen und erhöhen gleich mal mit Kontensperrung für Iraner
https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/politik-gesellschaft/iranische-studenten-bankkonten-100.html
Dezember 5th, 2012 at 00:57
@totschka.
Das Problem liegt im “rationalen Argument”. Niemand wird dich einem Defätismus überlassen. Niemand,- wird behaupten dass es nur einen Weg gibt. Und Resignation gilt einfach nicht. – Tu- es einfach. Auf deine Art, – und auf deine Weise. Sie muss nur menschenwürdiger sein, – wie die der anderen. Den Königsweg, – gibt es nicht. Es sei denn, – wir akzeptieren Könige.
Dezember 5th, 2012 at 01:03
@eb(15): Genau, prima ;-)
Dezember 5th, 2012 at 01:38
@ totschka
Resignation ist scheiße – weil last exit strick oder so. Man wird zwar müde, aber resignieren? Ich rede, rede, rede und bin zufrieden, wenn ich auf brüder und schwestern im geiste treffe und ansonsten manchmal bemerke, dass es menschen gibt, bei denen mein reden wirkungstreffer zeigt (sie erinnern sich und sprechen mich darauf an), weil sie auf irgendeine art und weise in ihrem leben mit meinem reden konfrontiert worden sind. Es ist nur so unglaublich mühselig und ich würde gern noch zu lebzeiten spürbare veränderungen erleben, habe da jedoch jegliche hoffnung aufgegeben, denn das was zur zeit läuft, toppt jede dystopie. Aber aufhören – geht nicht, geht einfach nicht, nur gelegentliche betäubung: film, musik, fußball und meine treuen freunde pils und port.
Und wenn es demnächst dann wieder reichsarbeitsdienstmäßiges europaweit gibt, dann wird es wohl bald auch wieder lager geben, die ganz zeitgemäß fz (forensische zentren) genannt werden, hört sich einfach beruhigender und humanistischer – weil die “delinquenten” wie auch immer “fürsorglich behandelnd” – an, als der alte begriff.
Dezember 5th, 2012 at 01:44
@flatter
Ich sehe den Text ambivalent, es gibt einiges zu kritisieren:
“Was gerade Deutsche einmal gelernt zu haben glaubten und was davon noch übrig ist.”
Ich verstehe nicht, was Du meinst- haben “gerade Deutsche” nur geglaubt etwas gelernt zu haben? Und wie könnte davon auch nur irgend etwas übrig sein, wenn dieser Glaube falsch war? Was soll diese die Konstruktion des nationalen Kollektivs affimierende Betrachtungsweise überhaupt?
“Nach der Aufklärung kam spätestens mit dem Nationalsozialismus die Steigerung barbarischen Menschenhasses zur industriell organisierten Ausrottung der Menschlichkeit.”
In den Nürnberger Anklageschriften steht “Verbrechen gegen die Menschheit”, der deutschen Betroffenheitsrednern eigene Begriff des “Verbrechens gegen die Menschlichkeit” ist eine bewußt eingesetzte und unbewußt in den Wortschatz einfliessende Verharmlosung. Die “industriell organisierte Ausrottung” von Menschlichkeit macht aber auch sprachlich keinen Sinn.
““Kapitalismus” wollte man nicht mehr, “Menschenwürde” wurde groß geschrieben, “Demokratie” sollte es werden.”
Wer da was “wollte” bleibt unklar… die Westallierten? Thyssen und Krupp? Erzbischof Gröber, förderndes Mitglied der SS? Mir fehlt der Hinweis, dass es während der Entstehung des Grundgesetzes keineswegs einen gesellschaftlichen Konsens gab, der die Verbrechen der Deutschen unter den Nazis verurteilte. Verschweigen, verharmlosen, revisionistisch verdrehen, antikommunistisch aufladen- das waren die Methoden, in denen sich während der Formationszeit der BRD jeder üben musste, der “etwas werden” wollte.
“Die Masse interessiert sich nicht für Demokratie, nicht für Kapitalismus und nicht für Menschenwürde. Das eine erscheint ihnen als Naturgesetz, das andere sagt ihnen nichts.”
Da werden Menschen unterm Kapitalismus und in einem bürgerlichen Staat sozialisiert, drangsaliert und dressiert und Du machst ihnen zum Vorwurf, dass sie nichts anderes kennen. Du schmeisst da ungeheuer viele Menschen zu einer “Masse” zusammen, zur “verrohrten Mittelschicht” und zu “Charakterschweinen”. Das ist methodisch falsch und politisch gefährlich, weil es einer Verachtung eben jener Menschen das Wort redet, ohne die es keine besseren Zustände geben wird.
Ich habe den Eindruck, dass Deine berechtigterweise zornige Kritik an dieser Stelle in linkes Wutbürgertum umschlägt. Mensch darf sich aber nicht dumm machen lassen.
Der moralisierende Zeigefinger und das grobe Eindreschen auf “Charakterschweine” bringt eine Gesellschaft, in der “Leuteschinderei endlich als die Niedertracht gilt, die sie ist und von allen stets mit der größten Verachtung quittiert wird” leider auch nicht näher. Die Kritik muss an den materiellen Bedingungen ansetzen, welche das Sein in dieser Gesellschaft bestimmen.
Noch was: Warum reitest Du auf diesem Gummibegriff “Menschenwürde” so herum? Mit dem kann Dir jeder bürgerliche Moralphilosoph oder quatschköpfige *Gauck*ler noch Deine ureigensten Interessen ausreden.
Von der “Würde der Arbeit”, über das “würdige Altern” und die “Würde des Embryos” bis zur würdewahrende Militärinterventionen entspricht dieser Sprachgebrauch genau der Art von Zwiedenken, welches diese Gesellschaft braucht wie die Luft zum Atmen.
Dass die ganze Konstitution der kapitalistischen Vergesellschaftungsform Menschen permanent verletzt, ihre Interessen und Bedürfnisse in den Dreck tritt, sie der Profitmaximierung wegen verwurstet und sie am Ende noch für imperialistische Expansionspläne verheizt, all dies kann hinter legitimatorischem Wortgeklingel wie “Menschenwürde” wunderbar versteckt werden. Die Unbestimmtheit der Abstraktion entleert die Formel jeden Sinnes und die jeweilige momentgebundene Aufladung ermöglicht ihre unbegrenzte Instrumentalisierung.
Dezember 5th, 2012 at 02:15
Gefunden:
hundert mal
Job Centern
Dezember 5th, 2012 at 02:52
@Salvador, – wer auch immer. Es gibt immer irgend etwas ambivalentes zu etwas, was jemand aus dem Herzen schreibt. Nenne flatter einen Dummkopf,.Nenne mich einen Dummkopf. Nenne alle zu Dummköpfen. Nenne dich einen Dummkopf. Erkläre alle zu Dummköpfen. Kannst du nicht, – verdammt nochmal, -einfach mal etwas mal stehen lassen, – was einfach stimmt? Das muss man nicht dedizieren.
Dezember 5th, 2012 at 07:36
@Salvador Arachnor
Menschenwürde ist unteilbar. Was ist daran nicht zu verstehen? Zu kritisieren ist der, der den Begriff zum Gummibegriff macht, ihn verdreht, benutzt und zum Kostenfaktor macht, nicht der, der ihn wieder vom Kopf auf die Füße stellt. Darf nicht menschenunwürdig genannt werden, was menschenunwürdig ist?
Und was soll in diesem Zusammenhang die Verwendung des verunglimpften Begriffes “Wutbürger”? Du nimmst doch die Perspektive und den Sprach(un)gebrauch derer an, die alles verwursten.
Ich habe diesen Beitrag gestern gelesen, bevor ich Schlafen gehen wollte. Beim Wollen ists dann auch lange geblieben. So hab ich das bisher noch nirgendwo gelesen. Heftig und wahr! Leider.
Dezember 5th, 2012 at 07:51
Salvador 18: Ich verstehe das im Kontext so. Wenn flatter die “Menschenwürde” bemüht, dann nicht, weil er sie wie z. Gauck rhetorisch missbraucht und für sich einklagt, sondern, weil er diesen Figuren, denen die Menschenwürde bei jeder Rede wie Speichel aus den Mundwinkeln tropft, mit dieser verlogenen Floskel den Spiegel vorhält.
Ganz in meinem Sinne.
Dezember 5th, 2012 at 07:55
Mir scheint seit einiger Zeit eine berühmte Bemerkung von Marx recht brauchbar. Er schreibt Hegel zu, dieser habe ‘irgendwo’ bemerkt, alle geschichtlichen Ereignisse fänden sozusagen zweimal statt, habe aber vergessen zu erwähnen: das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce.
Dennn unsere Gegenwart sehe ich als farcenhafte Wiederholung der 30er Jahre.
Mir schwebte dazu eine Liste vor, die das tragödische (barbarische) Element von damals mit dem korrespondierenden farcenhaften (lachhaft-niederträchtigen) von heute zusammenstellte.
Also damals Austerität per Dekret, Lohnsenkung per Gesetz mit Polizeigewalt – heute Austerität per politisch-ökonomischer Erpressung; damals KZ, Folter, Ermordung der ‘Volksschädlinge’- heute Meldepflicht, Drangsalierung, lebensbedrohliche Bestrafung der Hartz-4-Klientel; damals Zwangsarbeit – heute Zwangsbeschulung der Arbeitslosen; damals Kriegsvorbereitung – heute Exportoffensive; damals Weltherrschaft – heute Exportweltmeister — damals Mord und Ausrottung – heute Demütigung und Verdrängung.
Das verhindert auch, sich heute klar gegen einen eindeutigen Faschismus zu stellen; es ist kein eindeutiger Faschismus und wir müssen etwas raffinierter argumentieren.
Wenn wir nicht warten wollen, bis die farce durch das fratzenhafte Pendant zur Weltkriegsniederlage, z. B. einen Zusammenbruch der Wirtschaft in allgemeinem Protektionismus der Welt gegen D und Verbündete, endet, brauchen wir jetzt eine politische Idee.
P.S.: Grotesk auch die Wiederkehr der Bündniskonstellationen: die Niederländer und die Finnen wieder treue Verbündete von D, Frankreichs linke Regierung beim Einknicken; GB auf Distanz von D bedacht, ohne bessere Politik zu betreiben; USA mit pragmatisch-chaotischer Reaktion auf die Krise.
P.P.S.: Übrigens in D auch wieder das seltsame Schauspiel der Spaltung der sozialdemokratischen Partei; wie damals SPD-USPD-KPD.
Alles dies heute in jämmerlicherer Form, nicht mehr blutig, immer noch intelligenzbeleidigend …
Dezember 5th, 2012 at 09:06
Die ‘Menschenwürde’… Nach der Objektformel ‘schütze Art. 1 Abs. 1 GG den Menschen davor, „dass er durch den Staat oder durch seine Mitbürger als bloßes Objekt, das unter vollständiger Verfügung eines anderen Menschen steht, als Nummer eines Kollektivs, als Rädchen im Räderwerk behandelt und dass ihm damit jede eigene geistig-moralische oder gar physische Existenz genommen wird.“’
Wie verträgt sich das mit dem Dasein ‘des Menschen’ als Objekt einer selbstzweckhaften Bewegung? Man definiert ihn – wieder mit Kant – zum Subjekt innerhalb eines ‘gegebenen Zusammenhangs’ um. Der ‘freie Wille’ war immer schon eingezäunt. Die Brücken und Tücken der ‘Aufklärung’…
Dezember 5th, 2012 at 09:32
Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts wir trinken und trinken
Das komplette Gedicht von Paul Celan “Todesfuge” gibt es hier nach zu lesen. Sehr empfehlenswert!
Dezember 5th, 2012 at 10:24
@ flatter: Sammelst du noch “Best of”-Artikel? Ich würd diesen vorschlagen.
Dezember 5th, 2012 at 10:34
Ein Text wie ein Leuchtturm.
Dezember 5th, 2012 at 10:38
… und wer mich/dich nicht braucht, hat mich/dich nicht verdient. ;-)
Dezember 5th, 2012 at 10:39
Diesen Artikel kann man auch noch anhängen: spon – Staatsförderung für Homosexuellen-Therapie
Dezember 5th, 2012 at 10:50
@18 SalvadorArachnor
Wo du schon das Gummi bemühst. Hinter welchem Begriff, wenn denn Würde in deinen Augen so deplatziert ist, kann man dann nicht mit reichlich Wortgeklingel so ziemlich jede Schweinerei verstecken?
Worte an sich haben eine definitionsmäßige Bedeutung und eine gebrauchsmäßige. Bei der letzteren Variante wird es durch Umfeld und Verknüpfung geprägt. (nicht nur)
Welche Begriffe sollen davor gefeit sein?
Und was du als Vorwurf an die Masse beschreibst, lese ich als Beschreibung eines Ist-Zustandes.
Eine verrohte Mittelschicht gesondert hervorzuheben, ist auch legitim, wird sie doch als Fundament/als tragende Säule und Motor der Republik angesehen. Demokratie im Sinne von Anteilnahme und Mitgestaltung ist allerdings Fehlanzeige.
Natürlich kann man immer wieder darauf zurückkommen, dass die ja alle nichts anderes kennengelernt haben. Und selbst das stimmt ja nicht. Sie haben gesehen, wie sich ihre Gesellschaft verfinstert, über Jahrzehnte hinweg.
Verlustängste beziehen sich auf materielle Dinge. Würde, Freiheit, Solidarität und Sicherheit (alles Gummi) wird hingegen nicht als Gut wahrgenommen.
Ich bin ganz sicher nicht dafür, Menschen blindlings vor den Kopf zu schlagen. Berechtigt den Finger in Wunden zu legen, die zwar immer mehr, aber immer noch viel zu wenige als solche empfinden, ist mehr als angebracht.
Geht nicht um ein “Ich bin aber besser”, sondern um ein “so ist es bis jetzt”.
Dezember 5th, 2012 at 10:56
@SalvadorArachnor(18): Es ist keine ein “nationales Kollektiv affimierende Betrachtungsweise“, wenn ich vom Grundgesetz rede als Rechtsnachfolge des Dritten Reiches. Das GG hat weitläufig etwas mit Deutschen zu tun.
Was “sprachlich keinen Sinn macht” (streng genommen übrigens eine falsche Übersetzung von “making sense”, wenn wir schon streng sind), ist eine Frage der Bereitschaft, auch ungewöhnliche Formulierungen verstehen zu wollen. Ich meine das so wie es da steht.
Ich halte Menschenwürde, auch das kannst du dem Text entnehmen, keineswegs für ein bloßes Konstrukt. Für mich ist Artikel eins kein normativer Satz, sondern ein deskriptiver. Daran ist nichts unbestimmt. Ich lasse mir auch vom Zwiesprech nicht die ganze Sprache nehmen, indem ich alles aus meinem Reperoire streiche, was von der Propaganda missbraucht wird. Du machst das genauso wenig.
Schließlich: Ich kann mir nicht vorwerfen lassen, das Problem Kapitalismus hier auszusparen. Es ist aber nicht allein der K., der Menschen zu Charakterschweinen macht. Er fördert lediglich deren Vermehrung. Ich erlaube mir nach wie vor, meine Eindrücke aus verschiedenen Perpektiven zu artikulieren.
Dezember 5th, 2012 at 11:00
Verlustängste beziehen sich auf materielle Dinge. Würde, Freiheit, Solidarität und Sicherheit (alles Gummi) wird hingegen nicht als Gut wahrgenommen.
Schöner Satz!
Dezember 5th, 2012 at 11:01
etwas OT oder auch nicht von wegen niedertracht: telepolis zu Mollath:
“Weitere Merkwürdigkeit in der wegsperr-affäre” und dann in den kommentaren der offene brief des richters i.r. Heindl unter: “aktuelle stunde und offener brief” (pdf).
Kein weiterer kommentar dazzu, ich bleibe ganz ruhig – ohne pillen.
Dezember 5th, 2012 at 11:24
Noch was OT: Steinbrück hält heute eine 15k-Rede vor Bankstern eines Schweizer Unternehemens. “Sarasin Bank” heißt der Laden. Wer braucht da noch Kabarett?
Zitat Sarasin: “Nachhaltigkeit ist für uns daher kein Modebegriff, sondern eine Voraussetzung, damit die heutige Generation ihr Vermögen nutzen und es für die nächste erhalten kann.”
[edit:] Die haben fett die Steuerfahnung am Hals gniihihi
Dezember 5th, 2012 at 11:29
@34 Und gerade lese ich, dass die maßgeblich in die HVB Geschichte verstrickt sind. Ist es eher nicht so die Meldung, die verwundert, weiß ich. Nur wo sich uns Peer grade da tummelt, kommt doch wieder gekonnt zusammen, was zusammen gehört.
Dezember 5th, 2012 at 11:38
Unterdessen schreiben ‘Arbeitsmarktforscher’ Südeuropa ab. Wo der Kapitalismus nicht mehr expandiert, da kontraktiert er eben. Was er hingegen nicht zu kennen scheint, ist irgendeine Form von Gleichgewicht. Allen Marktaposteln zum Trotz. Die sich aber wohl auch nie gefragt haben, warum ein System, das angeblich immer zum Gleichgewicht tendiert, so ‘dynamisch’ ist…
Dezember 5th, 2012 at 11:38
@ flatter 34.
Der kerl kann doch garkein kanzlerkandidat mehr werden/bleiben, das ist doch quasi torpedo mittschiffs. Und in der tat, da können Pispers, Schramm usw. langsam einpacken, das kann man nicht besser “erfinden” und dabei fällt mir auf, dass “Neues aus der Anstalt” doch ein sehr weitsichtig und weise gewählter titel für eine kabarettistische/satirische fernsehsendung war/ist. Ick freu mir so, ick werd irre.
Ist zwar alles “traurig” aber doch auch beste unterhaltung.
@ Peinhart 36. Marktapostel, in welcher position/institution auch immer sie sich befinden, sind für mich i.d.r. neben interessegeleitet, korrupt und vom system profitierend, grenzdebile, kann man nichts machen.
Dezember 5th, 2012 at 11:46
@Peinhart: Ich hab mal nen Link zur FTD eingefügt, war doch richtig? ;-)
Dezember 5th, 2012 at 12:01
Äh, ja. Hatte ich nicht…? Irgendwas übersehen…? Ich fühl mich auch schon so grenzdebil…
Neuer Versuch: die Vertreter der österreichischen Klippschule empfehlen die Goldbindung…
Dezember 5th, 2012 at 12:08
Als nächstes verlinkst du dann auf den Kopping Verlag oder Scientology :-P
Frieden! Wohlstand! Freiheit!!1!
Dezember 5th, 2012 at 12:10
@Wat, #13 und eb, #15,
danke. Irgendwo so sehe ich das ja auch. Ich kann ja auch gar nicht aufgeben, denn ich habe einen Enkel, der zu einem wachen und kritischen Geist geformt werden will…
Dezember 5th, 2012 at 12:46
@totschka(41)
“der zu einem wachen und kritischen Geist geformt werden will…”
D’accord(!), aber grundsätzlich: Vorsichtisch denn wir sehen die Dinge zwar rischtisch … aber aus unserer Brille!
Dezember 5th, 2012 at 12:53
@ flatter #40
„Frieden! Wohlstand! Freiheit!!1!”
So ähnlich stand es auf einem Denkmal in Wittenberge, das der SPD-Bürgermeister von seinen Vasallen abreißen und wahrscheinlich zerstören ließ.
„Waren ihr die Stelen mit den Worten Frieden, Vernunft, Hoffnung und den drei Halbreliefs von Georgi Dimitroff egal …?“
Da braucht es wirklich keine NPD mehr, denn die SPD kann die Arbeit der Barbaren selbst viel effektiver verrichten.
Dezember 5th, 2012 at 12:54
Ich bin nicht der Meinung, dass wir im Faschismus leben. Ja, es gibt eine zunehmende Tendenz innerhalb der herrschenden Klasse hin zum Faschismus. Aber was wir gegenwärtig erleben, als Faschismus zu bezeichnen, das ist mehr als die Verharmlosung des Faschismus. Richtig ist es meiner Ansicht, auf die Tendenzen hinzuweisen und dagegen anzugehen – sofern man das kann.
Noch etwas gefällt mir nicht in dem Beitrag: Die pauschale Verurteilung der Deutschen. Ja, sie sind bequem und verbürgerlicht, ja, sie haben vergessen, dass wir in einer Klassengesellschaft leben, und ja,
sie wollen nicht kämpfen. Das ist alles richtig. Man könnte verzweifeln, wenn man so einem politischen Säugling Zusammenhänge erklären will, damit er begreift, wo er selbst steht, und aktiv wird. Aber das erreicht man nicht damit, dass man die Leute beschimpft. Der Schwerpunkt liegt ja in dem Beitrag auf der Mittelschicht, wer oder was das auch immer sei. Aber gerade diese Mittelschicht ist in der Geschichte die am wenigsten kämpferische und zuverlässige gewesen. Von ihr also eine Veränderung der Verhältnisse zu erwarten, das zeugt schon von einer gehörigen Portion politischer Blindheit.
Dezember 5th, 2012 at 13:28
Im Artikel steht weder, wir lebten im Faschismus, noch sehe ich da eine “pauschale Verurteilung der Deutschen”. Ist ein womöglich anderer Beitrag gemeint?
Dezember 5th, 2012 at 13:32
@Sylvia
“Von ihr also eine Veränderung der Verhältnisse zu erwarten, das zeugt schon von einer gehörigen Portion politischer Blindheit.”
Ich denke, das ist logische Folge der Ansicht, daß alles ‘darunter’ zu blöd ist – sorry, aber so geht es hier doch oft: Der Michel ist doof.
… da schwingt dann auch, ob gewollt oder nicht gewollt, immer mit: Wer was drauf hat, ist wenigstens Mittelschicht (gefühlt und tatsächlich)
… Aber ok, irgendwie sind wir alle Kinder unserer Zeit und könn(t)en uns selbst immer wieder bei eigenen Widersprüchlichkeiten (Sprache, Handeln, Denken) ertappen – ich nehme mich da auch nicht aus.
Dezember 5th, 2012 at 13:49
Starker ehrenhafter Auftritt, skurriler Abgang . . . unter dem Gelächter der Spiesser. Eine Mauer über die man romantisch sehnsuchtsvoll springen könnte existiert nicht einmal mehr in Israel und die ständige Zersplitterung und unorganisierte Zerstrittenheit sog. “linker”, eigentlich eben linkischer politischer Kräfte ist Erfahrung genug, um zu wissen, dass aller gewagt tätige Humanismus ständig droht, ebenso in Ironie, Zynismus, borniertem Quatsch und wehleidiger Eitelkeit der Linken wie im institutionell verblödenden mainstream und machtbewusster Gewalt der Herrschenden des real existierenden Kapitalo-Faschismus’ ersäuft zu werden.
Denkt(egal wie brilliant) nicht nur, sondern denkt nach und traut Euch auch, Euch konsequent zusammenzufinden.
Dezember 5th, 2012 at 13:54
@Siro Feinig: Nur “Euch”… uns ;-)
Dezember 5th, 2012 at 14:06
Steinbrück hat den Vortrag abgesagt. Sehr porfessionell. Den brauchen wir unbedingt als Kanlzer. Ach warte, der tritt ja an, um die Sozen unter 20% zu drücken. Muss man ihm lassen: das ist ein nobles Ansinnen.
Dezember 5th, 2012 at 14:15
Ich schon. Überall, wo man Menschen einteilt in nützlich und unnütz, wo man sie unter Zwang des Hungers unwürdige Dinge tun lässt, ist Faschismus. Ich zitiere mal:
(Quelle)
Wir sind also mittendrin, auch wenn die Braunhemden keine Braunhemden mehr tragen. Und es sind nicht nur “die Herrschenden” oder “die Eliten”, die so ticken.
Dezember 5th, 2012 at 14:19
@ 48 wat
Du hast natürlich Recht . . . ;-)
Dezember 5th, 2012 at 14:27
@ wat 48
dazu müssten WIR aber auch aus dieser allgegenwärtig unernst wabernden Anonymität herausfinden . . . nur dann würden endlich verfassungskonform staats- u. elitenfeindliche Projekte möglich werden und entwickelbat sein . . .
Dezember 5th, 2012 at 14:33
@ Silvya 44
Faschismus ist ein Prinzip, dass so, nämlich im Keim erkannt und erstickt werden muss. Über frühere Erscheinungsformen wurde ursprünglich auch nur unernst gelästert und der Opportunismus selbst des scheinbar (nicht “anscheinend”)eigentlich harmlos und menschlich denkenden Kleinbürgers ist stets ein explosives, nur eines Zünders harrendes Gemisch gewesen, dass alle Unvorstellbarkeiten real werden liess.
Dezember 5th, 2012 at 14:37
Früher habe ich bei solchen Beiträgen -wenn sie überhaupt irgendwo zu lesen waren- so was wie grimmige Zustimmung verspürt. Jetzt eigentlich nur noch Trauer. Der Beitrag spiegelt meine alltäglichen Erfahrungen.
Nach Bertrand Russell sind zwei Dinge zum guten Leben nötig: Liebe und Wissen. Dann schaut euch mal um…
Dezember 5th, 2012 at 16:12
flatter #31
“Es ist keine ein “nationales Kollektiv affimierende Betrachtungsweise“, wenn ich vom Grundgesetz rede als Rechtsnachfolge des Dritten Reiches. Das GG hat weitläufig etwas mit Deutschen zu tun.”
Aber Du sprichst ja ganz kollektivistisch von “gerade Deutschen” die etwas gelernt haben sollten aus dem Faschismus. Waren damit jetzt 10 Leute und ihr Dackel gemeint? Oder nicht doch “Deutsche” als in diesem Nationalstaat lebende und über ihn definierte Menschen? Ich bin halt der Ansicht, dass die körperliche Anwesenheit auf dem Territorium der BRD (bzw. das Blutrecht) einen/eine noch nicht zum “Deutschen” macht.
“Was “sprachlich keinen Sinn macht” (streng genommen übrigens eine falsche Übersetzung von “making sense”, wenn wir schon streng sind), ist eine Frage der Bereitschaft, auch ungewöhnliche Formulierungen verstehen zu wollen. Ich meine das so wie es da steht.”
Ich habe nochmal drüber reflektiert und muss zugeben, dass industriell betriebene Propaganda und ein entsprechendes “Bildungs”wesen zur zunehmenden Zerstörung von Menschlichkeit geführt haben. Da von “Ausrottung” zu sprechen war dann wohl ein Kunstgriff, mit dem Ursache und Folge auf einen Begriff gebracht werden sollten?
“Ich halte Menschenwürde, auch das kannst du dem Text entnehmen, keineswegs für ein bloßes Konstrukt.”
Eine absichtlich unbestimmt bleibende Vokabel wie “Würde”, die dem Menschen eigen sein soll, macht es so viel leichter, im konkreten Fall zu behaupten, sie sei nicht verletzt. Wenn da “Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” stünde, könnte mensch den Staat schon sehr viel besser drauf festnageln, obwohl es sich auch “nur” um den verratenen Wahlspruch einer bürgerlichen Revolution handelt.
“Für mich ist Artikel eins kein normativer Satz, sondern ein deskriptiver. Daran ist nichts unbestimmt.”
Jetzt hast Du mich verloren. Du selbst beschreibst ausführlich, wie das, was Du unter “Würde” verstehst, permanent “angetastet” wird.
Versuch einer Reduktion: Wenn es sich nicht um ein normatives “so soll es sein” und auch nicht um ein deskriptives “so ist es in der Lebenswelt der Menschen” handelt (s.o), bleibt nur etwas metaphysisches übrig, eine dem Menschen inhärente Eigenschaft, die unantastbar bleibt, auch wenn der sie “tragende” Mensch gerade an Brechmitteleinsatz stirbt. Ne, da kann ich gleich in die Kirche gehen.
“Ich lasse mir auch vom Zwiesprech nicht die ganze Sprache nehmen, indem ich alles aus meinem Reperoire streiche, was von der Propaganda missbraucht wird. Du machst das genauso wenig.”
Stimmt, aber es handelt sich dann meistens doch um Begriffe, die eine klarere Bedeutung haben. “Würde” entspricht dem in meinen Augen nicht. Ich spreche vom “gleichen Wert aller Menschen”, von “freier Entfaltung der Person”, von “Interessen” und “Bedürfnissen”- Emanzipation von Unterdrückung, Herrschaft und Leid!
“Schließlich: Ich kann mir nicht vorwerfen lassen, das Problem Kapitalismus hier auszusparen.”
Da gebe ich Dir Recht, ich habe diesen Vorwurf auch nicht erheben wollen. Wenn es so ankam, bedauere ich das.
“Es ist aber nicht allein der K., der Menschen zu Charakterschweinen macht. Er fördert lediglich deren Vermehrung.”
Die bürgerliche Moral ist aber doch ein Ausfluss gerade dieser Vergesellschaftungsform. Da wird gesagt: “Der verdammte Drecksack auf dem Arsch- Amt, schon wieder eine Sanktion! Der verletzt mein Recht!”
Und es wird nicht bedacht, dass eben nicht die “Würde” des Hartz- IV Opfers bei seiner Behandlung relevant ist, sondern der im Wunsch des “Standortes Deutschland” nach billigen Arbeitskräften verdeckt auftretende Verwertungszwang des Kapitals, der vom Staat in Gesetze gegossen wird.
Wenn die “verrohende Mittelschicht” auf “Schmarotzer” und “Parasiten” einschlägt, so tut sie das doch gerade, weil sie einer bürgerlichen Moral folgt, in der die Illusion von “Gemeinschaft” die überall fungierenden gegensätzlichen Interessen überdeckt und von Menschen fordert, “produktiv” zu sein, sogar wenn die Lohnarbeit *die es gibt* nicht zum Leben reicht.
Da wird eine Gesellschaft postuliert, die nicht existiert, und davon ausgehend wird dann moralisierend auf die “Faulenzer, die uns auf der Tasche liegen” eingedroschen.
Und dann kommst Du daher und schlägst auf die “Charakterschweine” drauf, denen es eben eigen ist, ihr durch und durch materialistisches Interesse nach möglichst wenigen Steuern und Abgaben hinter einer angeblichen Sorge um “den Staatshaushalt” oder “die Zukunft unserer Kinder” zu verstecken. Denen auch die Angst vor dem eigenen Abstieg im Rattenrennen den Schweiß aus den Poren treibt und die ständig “haltet den Dieb” rufen, damit nicht sie selbst in die Wurst kommen.
fin
Dezember 5th, 2012 at 16:47
Jeder kriegt was er verdient, zB so eine Art freihändige Scharia…?
Dezember 5th, 2012 at 16:47
Die EU-Kommission hat eine Beschäftigungsgarantie für Jugendliche gefordert. Zu diesem Zweck will sie sich selbst verpflichten, möglichst viele Schulden zu machen, um die Jugendlichen auf Jahre hinaus damit zu beschäftigen, diese Schulden abzustottern.
Dezember 5th, 2012 at 16:49
@flatter #40: vielleicht kommt Peer ja noch damit an. Stärker kann man das fiktive Kapital schließlich nicht regulieren. :D
Dezember 5th, 2012 at 18:45
@Siro Feinig(52)
“dazu müssten WIR aber auch aus dieser allgegenwärtig unernst wabernden Anonymität herausfinden . . . “
allgegenwärtig, unernst, wabernd, Anonymität…
Also, ich mag ja einer Wahrnehmungsstörung meiner selbst unterliegen, aber allgegenwärtig bin ich nicht, unernst ist mir das (hier) nicht und kennen würden mich (hier) wohl so viele auch nicht (persönlich), wenn ich mit Klarnamen zeichne…
… ansonsten, ich sitze nicht nur im iNet, ich geh auch ‘draußen’ Menschen ‘gewaltig’ auf die ‘Nüsse’ mit meinen (leider oft immer noch) komischen, aber (das bestätigen sie eigenartigerweise mindestens genauso oft) sympathischen Ansichten und Auffassungen.
Dezember 5th, 2012 at 21:24
Seit ungefähr 10 Jahren beobachte ich Folgendes:
1. Kreativität …… wo ?
2. Hinterfragen …… wie geht das?
3. Anders ….. geht gar nicht !
4. Miteinander reden ……. wann ?
5. Problem ………. noch in Gesetz … und noch eins…
6. wegschmeißen ….. Zeit, Menschen, Werte
7. und alle fressen die Scheiße, weil sie mittlerweils wissen, wie sie schmeckt, da will man nicht unbedingt riskieren, dass es noch was anderes gibt.
Und trotzdem kriegt es jeder von mir zu hören, ob gewollt oder nicht:
Lieber mit Spaß für eine andere Welt eintreten, als sich nachher sagen zu müssen, Du warst auch nur eine von denen, die alles gefressen haben und sich gewundert haben, warum ihnen so schlecht ist.
Weitermachen !!!
bb
Dezember 5th, 2012 at 23:32
Ich habe in meinem Arbeitsumfeld erklärt, dass Tabak und Alkohol aus dem ALG II Satz gestrichen wurden. Anstatt Verständnislosigkeit erhielt ich Zustimmung nach dem Motto:
“Genau, nicht arbeiten aber Rauchen und Saufen wollen, das geht nicht.”
“Die sollte man in Kasernen stecken, oder mit der Schippe ins Moor.”
“Wer nicht arbeiten will gehört ins Gefängnis”
“Denen muss man auch das Kinderkriegen verbieten, damit die sich nicht auch noch auf unsere Kosten vermehren.”
Kein Scherz.
Dezember 5th, 2012 at 23:42
@61 Glaub ma, da lacht hier auch keiner. Hat so oder ein wenig anders schon jeder gehört, fürchte ich.
Ich finde das immer besonders übel, wenn Menschen sowas sagen, die ich eigentlich mag oder mal mochte. Da kommt es meistens nicht ganz so drastisch im Wortlaut, aber gemeint ist das Gleiche.
Mich packt aber immer noch Fassungslosigkeit und Wut. Dementsprechend antworte ich darauf. Ist vielleicht verständlich, aber der Sache nicht dienlich. Damit gebe ich eindeutig zu viel Grund, mich nicht ernst nehmen zu müssen. Ich arbeite an mehr Gelassenheit… klappt aber noch nicht. ;o)
Dezember 6th, 2012 at 01:57
“möchte mit denen nicht auf demselben Planeten wohnen”
auf einen anderen Planeten ziehen. Sicher nicht die Lösung. Nach dem Gleichheitsgrundsatz (der französischen Revolution)sind wir nur hier auf Erden Miteigentümer der Deutschland AG bzw. GmbH inklusive Gerichtsgebäude usw. und können eine Rendite
daraus einfordern. Ablehnung wäre dann ein Straftatbestand.
Alle Ausgegrenzten sollten sich zu allererst auf dieses Miteigentum am öffentlichen Reichtum berufen, wenn Sie ihre Ansprüche anmelden bei denen, die mit ihrem Miteigentum ihre Geschäfte abziehen.
Bei einigen amerikanischen Indianern soll das so oder ähnlich geklappt haben, die sind nicht mehr nur auf ihre abgesprochene Würde angewiesen.
Dezember 6th, 2012 at 08:45
61/62
dabei gelassen zu bleiben ist ne Kunst, die mir auch nicht gelingen will. Daher ….andere Strategie.
Offensiv !!!
Meist sag ich
1. dieses System hat einfach nicht genug Arbeit für alle
2. sollte man einfach schauen, wer das ALGII am Ende des Monats hat.
Der Empfänger trägt’s ja nur vom Staat zu den reichen Hausbesitzern und Konzernen…..dafür darf er “überleben”.
Wer solchen Menschen nichtmal ein bisserl Freude gönnt, offenbart dabei nur seinen eigenen miesen Charakter.
3. erklär ich dann, dass man schon arg viel B*ldzeitung lesen muss um so nen kleingeistigen Dünnschixx von sich zu geben.
Tja…es funzt.
Dämliche (ALG-)Sprüche hör ich eigentlich nur noch von Söder und Co im TV.
Im Bekanntenkreis nicht mehr :D
Dezember 6th, 2012 at 09:46
@Harald Tu ich auch in der Art. Führt aber nicht immer zu Einsicht in Tatsachen, sondern öfter mal auch dazu, mich auf bestimmte Themen einfach nicht anzusprechen.
Oder wenn ich was erwähne, wird es um mich herum auf einmal ganz still und man kann förmlich denken hören: Oh nee, hoffentlich fängt die jetzt nicht wieder davon an!
;o) You can call me Nervensäge.
Dezember 6th, 2012 at 10:47
Arbeit gibt es genug, bloß Wenige, die sie auch (vernünftig) bezahlen wollen. Eine der großen Lehren der Finanzkrise ist es, dass wetten auf Produkte (auch wetten auf Arbeit und Produktionsfaktoren) mehr wert sind, als das Produkt (die Firma, der P-Faktor) selbst. Das gilt (je nach Land) auch bis zum Ableben der Mitarbeiter.
Dezember 6th, 2012 at 10:51
Würd ich nie tun…
;-)
Nunja…um mich herum denkt niemand mehr so. Die betreffenden machen gleich nen Bogen um mich.
Ich fackle da auch nicht lang rum.
Wer ne Nabelschau seiner schäbigen Ansichten veranstaltet, kriegt halt ne verbale Blutgrätsche.
“Verbietest Du deinen Kindern bloß den St. Martinsumzug oder startest Du auch Gegenveranstaltungen….bloß denen die Pech hatten nix abgeben, bloß nicht teilen….ALLES MEINS. Mir dem teutschen Idealmichel”
(+ gehauchtes “Mein Schaaaatz”)
Müßig zu erwähnen, dass viele Leute mich lieber gehen als kommen sehen.
hehehe ;-)
Die “Everybodies darling”-Nummer ist nicht so mein Ding.
Hab lieber ein Duzend gute (charakterfeste) Freunde als 100 Heuchler um mich rum
Dezember 6th, 2012 at 11:04
@Eike
Ja OK: Arbeit gibt’s genug
und/aber
es gibt auch Geld genug, dies vernünftig zu bezahlen.
Warum’s also mit adäquater Bezahlung nicht klappt, werd ich -nach Lage der Dinge- wohl nie verstehen.
…und ich versuch’s wirklich hart
Dezember 6th, 2012 at 12:33
Hört doch einfach auf mit àrrbeidn`, alle sollten das tun. Und zwar jetzt!
Dezember 6th, 2012 at 12:44
Nein, es gibt weder genug (Lohn-) Arbeit noch genug Geld dafür. Anderslautende Aussagen sind, sorry, naiv und verkennen vor allem die Rolle des (Lohn-) Geldes, das sich entweder nach seiner Entnahme aus dem Kapitaltopf vermehren muss oder, im Falle unproduktiver Arbeit im Sinne des Gesamtkapitals, den Kapitaltopf gar noch ‘netto’ belastet. Siehe zB auch hier, vor allem das Kapitel ‘Relative und absolute Verdrängung lebendiger Arbeit’.
Natürlich gibt es jede Menge sinnvolle Tätigkeiten, die auszuführen wären, wenn diese Gesellschaft nach einem ‘vernünftigen’ System organisiert wäre. Nur vermehrt sich bei diesen eben kein Kapital, weshalb es kein Geld dafür gibt und daher auch keine ‘Arbeit’ daraus wird…
Dezember 6th, 2012 at 12:47
Langlode: Guck mal auf die Uhr. Mahlzeit!
@ Harald: Es wird recht schnell verständlich, wenn man einfach mal rechnet. Kost der Arbeitnehmer nur die Hälfte oder kann ich den vom Staat subventionieren lassen, kann ich das Prodoukt Xy billiger anbieten und neben dem Fachhandel (wo es teuer vermarktet wird) noch billig über Discounter verramschen. Daraufhingehend komme jetzt noch mehr Produktwette als vorher in Frage mit denen ich mich noch mehr oder weniger offiziell bereichern kann (klappt auch mit Baisse, also wenn man davon ausgeht, dass es halt nicht so der Bringer wird).
Dadurch kann ich dann auch mehr Investoren begeistern und im Fall einer Ag entsprechend dort auch noch etwas anbieten und mehr Gelder generieren.
Und das mache ich so oft und so lang bis ich genug verdient habe, um den Rest meines daseins in Saus & Braus zu verbringen. Dann kann man ggf. noch die Anteile entsprechen bewetten und verscherbeln etc. pp.
Dezember 6th, 2012 at 12:59
heutiger Dilbert dazu
Dezember 6th, 2012 at 13:08
Langlode/Eike/Peinhard
Ist ja alles richtig…sofern man bspweise “entfremdete Arbeit” betrachtet.
…komm nämlich gerade von Wikipedia
Es gibt offensichtlich mehrere Sorten Arbeit. ;-)
Who had this thought…jaja
Dazu ein Fundstück von Hannah Arendt:
„(In) ihrem letzten Stadium verwandelt sich die Arbeitsgesellschaft in eine Gesellschaft von Jobholdern, und diese verlangt von denen, die ihr zugehören, kaum mehr als ein automatisches Funktionieren…”
Das hab ich mit Arbeit nicht gemeint….ihr vielleicht ?
@Peinhard’s “sinnvolle Tätigkeiten” sind es dann schon eher.
Dezember 6th, 2012 at 13:16
Nun…Sinn ist immer relativ und kommt auch darauf an ob Du selbst den Sinn bestimmen darfst Wenn Prof. Sinn agiert, wirkt es für mich meist gegenteilig für eine ganze Reihe anderer macht es aber wiederum Sinn.
Dezember 6th, 2012 at 13:44
..und wer kann schon von sich behaupten, selbst zu bestimmen…
Peinhard hat schon recht, wenn er mir (mal wieder) eine gewisse Naivität unterstellt.
;-))
Wenn ich nicht eine subjektiv-idealisiertes (meinetwegen auch naives) Ziel vor Augen hab, welchen Sinn machte dann eine Standortbestimmung.
Bin schließlich auch nur einer von denen, die automatisch funktionieren…..auch wenn’s mir 10mal nicht passt und sich mir der Sinn meiner (Sachbearbeiter-)Tätigkeit partout nicht erschliessen will.
Das MUSS doch besser gehen !^^
Dezember 6th, 2012 at 15:01
Hallo,
ich lese hier schon seit langem sporadisch mit und in letzter Zeit häufiger. Hierher gefunden habe ich über die Seite von Dirk Müllers cashkurs, flatters Artikel sind dort fast täglich im newsfeed verlinkt, falls euch das noch nicht bekannt ist. Ich muss allerdings gestehen, dass ich hauptsächlich wegen der Kommentare hier lese, für mich sind die das “Salz in der Suppe” und ich konnte dadurch einiges dazulernen.
Weshalb ich mich auch mal zu Wort melde ein kurzes Intro: ich hatte im Verlauf meines Lebens schon öfter plötzlch irgendwelche “Erkenntnisse”, von denen mir nicht klar war, woher sie stammten, bei denen ich aber gleichzeitig das Gefühl hatte, dass ich damit ziemlich richtig liege. Bisher wurden diese auch jedesmal viele Jahre später bestätigt, obwohl zu Beginn meiner Ideen das jeweilige Thema noch Jahre von seiner ersten Erwähnung entfernt war.
Vor kurzem kam mir wieder mal so eine „Erleuchtung“, wahrscheinlich ausgelöst durch die vielen Diskussionen zum Themenkomplex „Armutsbericht“, Produktivität, Hartz4, „Gerechtigkeit“ etc., als ich darüber nachdachte, was jenseits moralischer Erwägungen (Neiddebatte, Gier etc.) oder dem berüchtigten Zinseszinseffekt einer Umverteilung „von oben nach unten“ entgegensteht. Wobei zu fragen wäre, bis wohin dieses „Oben“ reicht, da die frei flottierenden Bits und Bytes gewisser Kreise sich längst jedem Zugriff entziehen. Doch selbst dann, wenn dieser „Reichtum“ zum Verteilen bereitstünde, frage ich mich, ob das überhaupt – im Sinne des Systems – wünschenswert wäre, die allgemeine Kaufkraft zu erhöhen.
Leider fehlen mir hier die tiefgreifenden Kenntnisse speziell aus dem Bereich Nationalökonomie und auch die Zeit, mich mit dem Thema intensiv zu befassen und meine Annahmen zu prüfen. Vielleicht kennt sich von den Kommentatoren jemand damit aus, ob an dieser Sache was dran ist oder meine Intuition mir hier etwas vorgaukelt.
Also nochmal ganz konkret meine Hypothese:
Eine „gerecht(er)e“ Verteilung durch u.a. adäquate Arbeitsentgelte, höhere Sätze bei Sozialhilfe, Hartz4 etc. und Mindestlöhne, die keinen staatlichen Zuschuss zum Lebensunterhalt erfordern, wird von diesem System nicht (ausschließlich) aus Böswilligkeit verweigert. Bei seinem mittlerweile erreichten Entwicklungsstand wäre das Wirtschaftssystem durch die Erhöhung der Kaufkraft noch schneller am Ende.
Grad eben kommt mir der Gedanke: wie Monopoly kurz vorm Schluß …
Zum Topic möchte ich anmerken, dass faschistische Tendenzen derzeit weltweit fröhlich Urständ feiern und mir scheint, gerade außerhalb Deutschlands. Für ganz Mutige empfehle ich den Blick über’n großen Teich in das Forum „godlikeproductions“, da ist der hiesige „Stammtisch“ ein Kaffekränzchen dagegen. Siehe u.a. diesen Thread, in dem leicht zu erkennen ist, dass sogar die Gesetzgebung im LOTF („Land Of The Free“) schon viel weiter ist als hier: https://www.godlikeproductions.com/forum1/message2071543/pg1
Ansonsten erscheinen mir sämtliche Maßnahmen der Obrigkeit und jegliches Theater drumherum als Spektakel, das Spiel noch ein wenig am Laufen zu halten und dem Publikum vorzugaukeln, dass in dem totgerittenen Gaul Kapitalismus noch Leben steckt. So beklagenswert die resultierenden Lebensumstände für die meisten Menschen weltweit auch sind, empfinde ich es als müßig, die einzelnen Aspekte der Misere zu bejammern. Aber auch Demonstrationen, Petitionen und sogar Streiks werden nichts Wesentliches ändern, es sind letztlich Appelle, die am „Real existierenden Kapitalismus“ abprallen. Sinnvoller wäre es, aus dem Spiel auszusteigen und stattdessen eine brauchbare Alternative aufzubauen. Und zwar bald, ich glaube, es wird zeitlich langsam eng…
cu
renée
PS: einige Links funktionieren nicht.
Dezember 6th, 2012 at 17:11
@renée: die Kaufkraft als solche hätte das System schon gerne – nur hergeben tut es sie nicht mehr. Denn wie schon oben angeführt, sind Löhne, Sozialleistungen etc Abzüge vom Gewinn bzw vom Gesamtmehrwert. Und nur für den wird der ganze Zauber ja aufgeführt, nicht dafür, dass es Menschen besser geht oder sie ihre Bedürfnisse befriedigen können, letztlich egal wie elementar auch immer die sind.
Aus der realwirtschaftlichen Abwärtsspirale kommt es aber natürlich so oder so nicht heraus, eben wegen der Doppelfunktion von ‘Kosten’ einerseits und ‘Kaufkraft’ andererseits. Entweder bleiben Waren mangels Kaufkraft liegen oder sie werden wegen zu hoher Lohnkosten und/oder Abgaben gar nicht erst produziert.
Der Trick Deutschlands, dem es ja, wie wir wissen, sooo gut geht, ist allerdings, Kaufkraft durch Exportweltmeisterschaft schlicht woanders abzuziehen. Dh die Kosten fallen in den importierenden Ländern an, die Kaufkraft hingegen landet hier. Für das globalisierte Kapital ist das aber auch wieder nur das Nullsummenspiel. Hilfreich wäre daher, man entdeckte auf dem Mars endlich Leben. Kaufkräftiges, versteht sich. ;)
Mit ‘zeitlich eng’ ist das so eine Sache. Das kann sich noch Jahrzehnte ziehen, wird aber dabei sukzessive immer ungemütlicher. Die Frage dabei ist leider gar nicht unbedingt, wann der Frosch springt, sondern ob er überhaupt noch…
Dezember 6th, 2012 at 17:25
@flatter #34: Nachtrag dazu. Die sind so doof, die beisst nicht mal mehr ein Schwein.
Dezember 6th, 2012 at 19:40
@Renée Solche Gedanken drängen sich einem zwangsläufig auf, sobald man sich einmal mit dem Hirn in die Mühle begibt. Genau so wie die Frage, warum es (trotz zunehmender Armut bzw. sinkenden Löhnen) immer mehr absolute Luxusgüter gibt. Kaufkraft hat sich verlagert.
Eben weil die Kaufkraft nur noch “oben” vorhanden ist, während “unten” je nach Einkommen Grundversorgung plus jeweilige Extras angesagt ist. Auch das eine zwangsläufige Entwicklung. Und eine die irgendwann an einen Punkt kommt, wo sie nicht mehr funktionieren kann. Als Nischenproduktion kann sowas funktionieren. Als breite Basis für eine Volkswirtschaft nicht. Selbst Prunk und Protz hat seine Grenzen. Die ganz großen Vermögen hingegen nicht. Leeres Kapital also, künstlich geschaffen und vermehrt.
Wenn Geld von oben nach unten verteilt würde, stiege die Kaufkraft dennoch nur in einem bestimmten Segment. Wären ja nicht alle auf einen Schlag reiche Leute. Insofern wüsste ich nicht, aus welchem Grund das System damit Schwierigkeiten haben sollte.
Schwierig für das System wären eher rigorose Maßnahmen, die Anlagemöglichkeiten des Großkapitals beschneiden. Und wenn das ganze Kapital, was um den Globus brettert und jetzt ohnehin nie in einem Konsumkreislauf landet, nicht mehr wüsste wohin mit sich und der Welt.
Zugewinne im unteren Verdienst-Segment sind aber, wie Peinhart schon sagte, durch die Abwärtsspirale unmöglich geworden. Zumindest so lang sich alle einbilden, dass man nun immer und zu jeder Zeit im globalen Wettbewerb steht und diese Zugewinne nicht im Interesse der Entscheider und Profiteure sind.
Böswilligkeit würde ich dem System auch nicht unterstellen, aber selbstlaufende Entwicklung (ok, mit reichlich Hilfe).
Dezember 6th, 2012 at 22:51
@77
„… nicht dafür, dass es Menschen besser geht oder sie ihre Bedürfnisse befriedigen können, letztlich egal wie elementar auch immer die sind.“
Oooch nöööö. wie gemein … ;)
„Für das globalisierte Kapital ist das aber auch wieder nur das Nullsummenspiel.“
Evtl. dieses, dass sich die „Gewinne“ einer verschwindend kleinen Minderheit nur durch die Verluste der übergroßen Mehrheit der restlichen Welt (alles, Flora, Fauna und Humankapital) realisieren lassen?
Wie ich’s auch drehe und wende, wenn dieses Spiel Kapitalismus heißt und zu seinem Fortbestand wesentliche Spielregeln geändert werden müssten, dann ist es nicht mehr das gleiche Spiel. Wenn das Spielfeld nicht (mehr) zulässt, dringend nötige Anpassungen der Spielregeln vorzunehmen, dann ist das Spiel zu Ende.
Im Moment wird das System u. a. dadurch stabilisiert, dass ein großer Teil des Geldes aus dem Kreislauf herausgehalten rsp. weiter herausgezogen wird. Ich kenne die letzten Zahlen nicht, aber die „Realwirtschaft“ gibt das nicht her, dass die Summen im Geldkreislauf erhöht werden. Ob außer (Hyper-)Inflation da noch etwas anderes befürchtet wird …?
„die Kaufkraft als solche hätte das System schon gerne – nur hergeben tut es sie nicht mehr.“
Sag ich doch, das System gibt das nicht mehr her – Ende Gelände. Wenn es dies trotzdem tun täte, gäbe es ein bisschen trouble und die Karre stünde wahrscheinlich sofort noch näher an der Wand.
„Exportweltmeisterschaft“ – hähä … zählt das jetzt eher zu „Märchenstunde“ oder Witzesammlung. Ich bin dafür, der Rest der Welt sammelt fleißig seine Kröten zusammen und kauft nur noch „Deutsche Made“, dann sind wir gerettet.
„Mit ‘zeitlich eng’ ist das so eine Sache. Das kann sich noch Jahrzehnte ziehen, wird aber dabei sukzessive immer ungemütlicher. Die Frage dabei ist leider gar nicht unbedingt, wann der Frosch springt, sondern ob er überhaupt noch… „
Ich Frosch möchte nicht warten, bis mir das Fleisch von den Knochen fällt und ungemütlich fand ich es schon vor Dekaden, dieses System gibt und gab für mich nichts Lohnendes her. Wie lange es sich noch bis zum Exitus hinzieht kann keiner vorhersagen, ob davor noch das Feuerwerk „WWIII“ abgefackelt wird, ein technologischer Fauxpas die Sache vorzeitig zum Erliegen bringt oder unsere liebe Mutter Erde Blähungen kriegt und noch mehrmals an den richtigen Stellen einen dicken Furz abläßt wie in Japan mit vielleicht noch gravierenderen Kollateralschäden – who knows.
Wenn man nur die ökonomische Seite betrachtet, könnte man ja auf die Idee kommen, dass das System noch viele Jahre bis Jahrzehnte weiterhumpelt. Bei einem näheren Blick auf seine Krücken sieht das aber schon sehr bedenklich aus. Die ausgefeilte Technik, globale Vernetzung, „Just in Time“-Logistik, Ressourcenausnutzung bis zum letzten Tropfen, Nichtbeachtung von systemischen Wechselwirkungen und über allem in vielen wichtigen Bereichen „billig-billig, schnell-schnell“ errichtete Infrastruktur etc. sind in ihrem Zusammenwirken für relativ kleine Störungen äußerst anfällig. Was vor vielleicht 30 Jahren noch wenige Auswirkungen gehabt hätte, könnte heute über einen Domino-Effekt die globale Wirtschaft fast zum Stillstand bringen.
So lange will ich aber nicht ruhig abwarten, egal wie viel noch Zeit uns bleibt, wenn es soweit ist, sollten wir was neues in petto haben. „Es rettet uns kein höh’res Wesen,“ das „müssen wir schon selber tun“, gell. ;)
Macht jemand mit?
cu
renée
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
PS: Leider werden meine Texte wegen ständiger Unterbrechungen nie so ganz stringent, wie ich sie gerne hätte, man möge mir diesen Makel verzeihen …
Dezember 6th, 2012 at 22:56
Dieser Makel sei dir herzlich gegönnt. Mir geht der rote Faden auch gerne mal aus… und dann mach ich in Grün weiter.
Manches sortiert sich erst beim Schreiben, manches verwirrt sich beim Schreiben. Und manchmal passiert beides gleichzeitig.
Dezember 6th, 2012 at 23:07
@renée(80)
“So lange will ich aber nicht ruhig abwarten, egal wie viel noch Zeit uns bleibt, wenn es soweit ist, sollten wir was neues in petto haben. „Es rettet uns kein höh’res Wesen,“ das „müssen wir schon selber tun“, gell.”
Nein und ja ;-)
Nein, weil mit ad hoc ist da mE nichts zu wollen, das “in petto haben” muß ‘vorher’ anlaufen. Nicht nur das Spinnitisieren darüber, das Machen – hier bricht nichts wirklich von alleine zusammen und wenn jemand meint, daß doch, halte ich dagegen, daß darum aber die Eigentumsordnung als solche nicht zusammenbricht. Eigentum ‘sucht’ sich dann andere Wege zu seiner Verwertung.
Das Genick kann nur gebrochen werden, wenn wir uns was anderes einfallen lassen, wie wir uns am Leben erhalten und das dabei auch noch als Leben bezeichnen können.
Wir müss(t)en also den ganzen ‘Krempel’, den wir so zum Leben brauchen, anders herstellen und anders für uns ‘haben und kriegen’ als heute.
Ja, denn wer sollte es sonst a) machen und b) wer außer uns selbst soll(te) je wissen, wie wir das ‘haben’ wollen ;-)
Edit:
“Macht jemand mit?”
Ich könnte jetzt einfach “ich” sagen, aber sage Du mir bitte noch “wobei”…
Dezember 6th, 2012 at 23:58
@Peinhart 78
Und die Leichen im Keller werden zufällig von Helmut-Schmidt-”er kann’s”-ZEIT ausgegraben.
wurde ja schon spekuliert, Steinbrück werde von den Medien erst als der SPD-Kandidat aufgebaut, um ihn hinterher dann medial kleinzuhaun und für alle eventuellen SPD-Anhänger unwählbar zu machen.
Ob die SPD gef*ckt wurde, oder sich selbst gefickt hat – da ihre Visionen sowieso nur bis zur nächsten Wahl reichen und sich auf “Koaltionspartner” begrenzen, kommts am Ende aufs selbe raus.
Dezember 7th, 2012 at 00:38
@79
Im Wesentlichen mit allem d’accord, vielleicht habe ich mich wieder mal zu kompliziert ausgedrückt.
„Zugewinne im unteren Verdienst-Segment sind aber, wie Peinhart schon sagte, durch die Abwärtsspirale unmöglich geworden.“
Wie und wodurch ganz genau – wees ick nich, aber: ja.
„Zumindest so lang sich alle einbilden, dass man nun immer und zu jeder Zeit im globalen Wettbewerb steht und diese Zugewinne nicht im Interesse der Entscheider und Profiteure sind.“
Hmmm, ich vermute, die bilden sich das mit dem globalen Wettbewerb nicht nur ein, der findet in echt statt. Und da fängt’s grade richtig an rundzugehen, wenn ich die Worte der Wirtschaftswaisen ignoriere und lieber die Querschüsse und ähnliches lese.
Ob es für die Protagonisten überhaupt noch Spielräume gibt? Ok, die Profiteure profitieren und ihre Interessen werden fein bedient. Die Entscheider „entscheiden“ nach den vorgegebenen Regeln des Systems, ihre Interessen haben gefälligst die zu sein, dass ihnen mit u.a. finanziellen Annehmlichkeiten das Maul gestopft wird und wer nicht pariert verschwindet von der Bildfläche. Man hält sich noch ein paar professionelle Nörgler als Hofnarren, damit die Farce fürs staunende Publikum nicht zu offensichtlich wird – sonst könnte das ja auf Ideen kommen. Selbst der einzelne „Kapitalist“ muss entweder nach der Pfeife des Systems tanzen oder er ist halt bald keiner mehr.
Wenn aber der globale „ideelle Gesamtkapitalist“ samt Sockenpuppen und Vasallen plötzlich vom Virus des Altruismus überfallen und entgegen seiner Interessen seine Reichtümer verschenken und der Menschheit alle Freiheit lassen würde, stünden wir noch immer vor dem Problem, ein anderes funktionierendes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zum Laufen zu bringen. Möglichst eines, welches den Bedürfnissen der Mehrheit entspricht und das gleichzeitig nicht den ganzen Globus ruiniert.
Jätz wat ich ers noch wat mich wat dazu sacht. Bis heute dann (is ja schon morgen).
cu
renée
Die Lage ist hoffnungslos, aba nich Äans, woll!
Dezember 7th, 2012 at 00:49
“Selbst der einzelne „Kapitalist“ muss entweder nach der Pfeife des Systems tanzen oder er ist halt bald keiner mehr.”
Das mußte der schon immer.
Dezember 7th, 2012 at 01:57
@82
Während ich schrieb … hupps, hast du mich schreiben gehört?
„Nein und ja ;-) „
Ja, nein, schon klar … ;)
Da wo du nein davor geschrieben hast, das meinte ich ungefähr so wie du, dass mit dem neuen schon im alten begonnen wird. Das mit dem in petto meinte ich nicht als Blaupause sondern als funktionierendes Grundgerüst zum weiter ausbauen. Es gibt ja schon Ansätze, das müsste halt weiter vernetzt, vergrößert und besser bekannt gemacht werden.
“wenn wir uns was anderes einfallen lassen, wie wir uns am Leben erhalten und das dabei auch noch als Leben bezeichnen können.
Wir müss(t)en also den ganzen ‘Krempel’, den wir so zum Leben brauchen, anders herstellen und anders für uns ‘haben und kriegen’ als heute.”
Yupp, zurück auf die Bäume will ich auch nicht und individueller Rückzug in die Nabelschauidylle ausgemachter Öko-Esos liegt mir noch weniger. Ich möchte lieber etwas mit Hand und Fuß, das Bestand haben kann und für mehr als ein paar Hänsel ausgelegt ist. Ohne den üblichen Selbstausbeutungseffekt und mit genügend Freiräumen, damit für jeden persönlichen Geschmack was dabei ist. Da gibt’s schon welche, die mit den ersten „Prototypen“ anfangen wollen, leider wieder nicht in unserem Dornröschenland sondern in Skandinavien. Die kommen übrigens nicht aus dem politischen Bereich sondern eher Ingenieurwesen und Computertechnik. Falls dich die Sache interessiert, die HP ist eoslife.eu. Deren Vision in Kürze: Geld weg, Privateigentum an Produktionsmitteln weg, Nutzungsrecht statt Eigentum (z. B. Autos) etc. – die meiner Meinung nach überzeugendste Idee, über die ich in meinem ganzen Leben bisher gestolpert bin.
Vor allem auch, da sie ausdrücklich ihr Konzept nicht als das einzig allseligmachende betrachten sondern als „Open Source“ bezeichnen und alle Menschen und Gruppen mit ähnlichen Zielen zur Kritik und Weiterentwicklung an ihrem Konzept und zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung einladen.
Für weitere Einzelheiten bin ich jetzt allerdings echt zu müde, außerdem muckt mein puter, weil ich wieder mal Stücker über 100 Seiten offen hab im Feuerfux.
cu
renée
Dezember 7th, 2012 at 02:17
@85
“Das mußte der schon immer.”
Kapieren aber nur die wenigsten so wirklich richtich.
Dezember 7th, 2012 at 10:25
@Renée Globalen Wettbewerb gibt es natürlich. Allerdings stehen die allermeisten Dienstleistungen hier bei uns nicht im internationalen Wettbewerb. Das wird erst durch Import von Niedrigstlohn-Kräften und staatlichen Support auf der Basis einer Agenda 2010 möglich. Bestes Beispiel: die Pflege. Im Normalfall würde man denken, dass sich die große Nachfrage nach gut ausgebildetem Personal im Gehalt widerspiegeln würde. Wie der Markt sowas halt regelt, gell.
Passiert aber nicht, sondern genau das Gegenteil.
Und was die Alternativen angeht, da ist ja immer die Frage, ob man auf die perfekte Lösung wartet oder sich einfach mal auf den Weg machen möchte. Ich bin eindeutig für die zweite Variante.
Ich las jüngst “Gemeinwohl Ökonomie” von Christian Felber. Das ist ein alternativer Ansatz. Und natürlich hat es auch da noch reichlich Punkte, wo man kritisch einhaken kann (und wohl auch sollte). Es wird auch kein Anspruch erhoben, jetzt das Rad neu erfunden zu haben, sondern eben einen Prozess in Gang setzen zu wollen. Und wie ich finde, in vielen entscheidenden Punkten wie Eigentum, Lohnarbeit und grundsätzlicher gesellschaftlicher Ausrichtung gute Ansätze.
Ich für meinen Teil bin einfach überzeugt, dass der Anfang die größte Hürde ist, weil unsere gesellschaftlichen Mauern im Denken und unsere absolute Fokussierung auf Konkurrenz und Konsum alternative Bewegung massiv blockieren.
Ist vielleicht nicht revolutionär mit “jetzt ist sofort alles anders und alles besser. Für immer” Aber kann es das geben? Eher nicht, oder?
Dezember 7th, 2012 at 10:59
@Uena
Allerdings stehen die allermeisten Dienstleistungen hier bei uns nicht im internationalen Wettbewerb.
Doch, wenn auch nur indirekt. Der Frisör, der dem Leiharbeiter für einen halben Apfel ohne Ei die Fransen stutzt senkt dessen ‘Reproduktionskosten’ und ermöglicht so niedrigere Löhne auch für diesen, genauso wie die billige Pflegekraft die seine Mutter pflegt und ihn sowie seinen ‘Arbeitgeber’ nicht mit ungebührlich hohen Abgaben belastet. So tragen auch Frisöre und Pfleger noch zu konkurrenzlos günstigen Preisen der Exportmaschine bei.
Dezember 7th, 2012 at 11:20
Peinhart, klar, da haste recht. Aber das ist weniger dem globalen Wettbewerb der Produktionsstandorte geschuldet als der hiesigen Lohndumping-Politik. Denn Letztere ließe sich durch Maßnahmen wie Mindestlohn ja schon begrenzen.
Volkswirtschaftlich ist es auch nicht günstiger für den Standort D, wenn lebensnotwendige Löhne durch Subventionen finanziert werden. Aufstockung verlagert die Kosten ja nur vom Arbeitgeber (wenn man die so nennen möchte) auf die staatliche Finanzierung. Daran schließt sich auch wieder die Kaufkraft-Problematik an. Denn wer nix verdient, kann auch nix kaufen. Die Kaufkraftschwäche trifft auch wieder Unternehmen und Dienstleister, die hauptsächlich national agieren.
Und sich somit alle selbst das Wasser abgraben.
Aber ich verstehe ja, was du meinst. Bei Exportgütern kann man oder muss man das so sehen. Ich wüsste jetzt nur nicht zu benennen in welcher Größenordnung das rangiert. In welchem Verhältnis “Einsparungen” dieser Art den Verlusten der Volkswirtschaft gegenüber stehen.
Aber ohne Zahlen zu kennen, kann man glaube ich getrost sagen, die Rechnung geht nicht auf… wenn ich mich so umschaue und umhöre.
Dezember 7th, 2012 at 11:51
Aber das ist weniger dem globalen Wettbewerb der Produktionsstandorte geschuldet als der hiesigen Lohndumping-Politik.
Aber wem ist letztere denn geschuldet…? Das Lohndumping ist halt der ‘deutsche Sonderweg’ des Umgangs mit dem globalen Wettbewerb. Andere bilden ihre Defizite halt an anderen Stellen aus. Die sind dann eben faul und leben über ihre Verhältnisse. Tun sie es allerdings nicht, guckt die erzwungene deutsche Genügsamkeit auch wieder in die Röhre.
Denn nein, die Rechnung geht nicht auf. Politik kann sozusagen nur noch die spezifische Verlaufsform des Niedergangs moderieren. Wobei die Regierung Merkel unbestritten die erfolgreichste seit der letzten Bundestagswahl ist. :D
Dezember 7th, 2012 at 12:39
Im Exportwahn…
Dezember 7th, 2012 at 12:51
Nö, mit Wahn hat das nix zu tun. Die “Richtigen” verdienen dabei eine Menge Geld und wen interessiert´s, wenn der Rest in Ihren Scumvierteln krepiert?
Dezember 7th, 2012 at 14:17
@renée(86)
“Da gibt’s schon welche, die mit den ersten „Prototypen“ anfangen wollen, leider wieder nicht in unserem Dornröschenland sondern in Skandinavien. Die kommen übrigens nicht aus dem politischen Bereich sondern eher Ingenieurwesen und Computertechnik.”
Die ‘dürfen’ auch nicht aus dem politischen Bereich kommen, wenigstens nicht hauptsächlich, denn das wären dann die, die Dir und mir nur sagen, was wir machen sollen, daß sie ‘nen Lenz von unserer Arbeit (sorry @Peinhart) haben.
… die verlinkte Site is in English, ich komme damit zwar so einigermaßen, wenn auch etwas mühselig, klar, aber wenn es solche Sachen in Landes- noch besser Alltagssprache gibt/gäbe, würde sich deren Verbreitung mE auch noch anders ‘gestalten’. ;-)
Vielleicht irre ich mich, aber da wird (nicht nur auf der Site) jede Menge ersponnen und ersonnen, was ich echt toll finde, aber irgendwie sind das immer ‘nur’ recht ‘abgehobene’ Dinge, wo spinnitisiert mal einer konstruktiv, wie wir hier unser Futter und unsere Kleidung anders und vor allem ortsnah machen können. Und dann bitte so, daß da nicht erst einer ‘nen Studium absolviert haben muß, um es a) zu verstehen und b) da auch (gleichwertig) mitmachen kann/darf.
Irgendwie, wie gesagt, ich schließe nicht aus mich zu irren, sieht mir das dann immer so aus, als solle der (vorläufige) Wissensvorsprung wenigstens noch als sozialer Distinktionsgewinn herhalten können…^^
Dezember 7th, 2012 at 14:28
@Wat. – Nieder mit der Arbeit! :D
Dezember 7th, 2012 at 14:42
@Peinhart: (in Bezug auf Deinen Link) Ich hab mal grad nen Anflug von überbordender Arroganz. Wer nicht einfach und kurz sagen kann, daß Produktion und Konsumtion wieder in eins fallen müssen, der will mE entweder nicht verstanden werden oder will was gaaaaanz anderes als ich ;-)
Dezember 7th, 2012 at 15:06
@ Wat: In meinen Augen ist nicht das Problem, kurz zu formulieren, dass xyz, sondern warum. Mit der Info, dass Produktion und Konsumption wieder in eins fallen müssen, würdest du mich auch hinter keinem Ofen hervorlocken können, solange ich nicht verstanden habe, warum dem so ist. Und für sowas braucht es meist mehr Erläuterung als ein, zwei Sätze. Bei mir zumindest. Aber vielleicht bin ich ja nur besonders langsam ^^.
So, ich geh jetzt raus spielen *g*
Dezember 7th, 2012 at 15:29
@Amike, wo Du recht hast… ;-)
Ich hör nur immer: Arbeit muß weg, Arbeit ist weg. Aber wie das Futter auf den Tisch kommt, ohne daß mir einer vorschreibt, was ich zu essen wollen habe, das steht da nie…
Hochwissenschaftliche Abhandlungen über ‘irgendwat’, aber wie sie das schreiben konnten, ohne daß ihnen ‘einer’ alles hingestellt hat, daß sie überhaupt dazu Zeit und Kraft haben/hatten – Fehlanzeige.
Dezember 7th, 2012 at 15:32
Und wo sollen die jetzt reinfallen…? Amike, warte, ich komm mit! ;)
Dezember 7th, 2012 at 15:39
Kannst bleiben @Peinhart, ich geb (vorläufig) auf, schließlich kann ich mich auch nicht verständlich machen bzw. will tatsächlich, was außer mir hier niemand will.
Dezember 7th, 2012 at 16:02
Ich find’s weiter spannend. Dass menschliche Tätigkeit vonnöten ist, um Notwendiges sowie Gewünschtes zu schaffen, wird ja auch von den Autoren der ‘krisis’ nicht in Abrede gestellt, im Gegenteil. Nur eben nicht in der nun einmal ‘gegebenen’ Form von ‘Arbeit’, die alles über einen Kamm schert und quantitativ plattmacht. Von einer künftigen, ‘besseren’ Gesellschaft erwarte ich mir auch, dass sie die Tätigkeiten nicht nur keiner ‘Quantisierung’ unterzieht, sondern auch, dass sie sie so differenziert und ‘inkommensurabel’ betrachtet und handhabt wie sie nun einmal ‘von Natur aus’ sind.
Dezember 7th, 2012 at 16:50
@Peinhart(101)
Und wie ‘soll’ das gelingen?
Btw. ich wäre Dir dankbar, wenn Du mir jetzt nicht wieder erklärst, weil dann keiner mehr arbeiten muß sondern wenn Du mir mal versuchst aufzuzeigen, wie dann das ‘Gewünschte’ auch zum ‘Wünscher’ kommt.
Danke.
Dezember 7th, 2012 at 17:39
Wenn Kartoffeln gewünscht sind, müssen welche gepflanzt und geerntet werden, wenn Brot gewünscht ist, welches gebacken und wenn Häuser das Begehr sind, welche gebaut. Das sind konkrete, spezifische, nicht vergleichbare Tätigkeiten. Welches gemeinsame, allen gleiche Merkmal sollte sie zu ‘Arbeit’ machen?
Oder was war deine Frage?
Dezember 7th, 2012 at 17:45
@Peinhart(103): Wie (und wodurch) kommt das ‘Gewünschte’ zum ‘Wünscher’ und das Notwendige zu dem, der es braucht?
Dezember 7th, 2012 at 18:24
Mit dieser Formulierung gefragt konnte ich offenbar schon das erste mal nicht das Gewünschte zur Wünscherin bringen…
Dezember 7th, 2012 at 18:29
@Peinhart, ich wollte nicht, daß Du mit “durch Arbeit” antwortest, wirklich nicht. Ich verzweifle immer noch daran, mir vorzustellen, wo ‘alles’ was wir so wünschen und brauchen, herkommen soll, wenn da nicht eine Abrede/Organisation von ‘Tun’ dahinter steht – um diese Abrede/Organisation gehts mir eigentlich. Nicht um einen (mich eher) zermürbenden Streit, ob das nun Arbeit ist oder nicht.
Dezember 7th, 2012 at 18:40
Arbeit impliziert für mich eben den Vergleichsmaßstab, die ‘abstrakte Arbeit’. Das heisst natürlich nicht, dass sie das auch bei dir tut oder tun sollte. Es ist aber mE schon Teil des allgemeinen ‘notwendig falschen Bewußtseins’, das es zu knacken gilt. Tun wir’s nicht, besteht für mich die große Gefahr, dass die Abrede/Organisation – in der Tat der größte Knackpunkt – wieder auf irgendeine Art von ‘Abrechnung’ hinausläuft. Und damit wäre wenig, wenn überhaupt was gewonnen. Deshalb mein Plädoyer, den Begriff Arbeit nicht anders zu behandeln als Ware, Kapital oder Geld.
Dezember 8th, 2012 at 20:10
Grundvoraussetzung des Denkens – sofern es das menschliche Zusammenleben im weitesten Sinne betrifft – ist die Unterscheidungsfähigkeit zwischen Marktwirtschaft und Kapitalismus, die dem unbewussten Kulturmenschen seit jeher von der Religion (selektive geistige Blindheit gegenüber makroökonomischen Konstruktionsfehlern) verwehrt wird.
Dezember 8th, 2012 at 21:41
Ja nee is klar. Ich lösche die Links auf diesen Stuss immer noch.
Dezember 9th, 2012 at 02:03
Gibbet die Texte von Krisis auch auf deutsch, ich hab grad mein Fremdwörterlexikon verlegt? Oder sind die sowieso nur für die Avantgarde und nicht für’s Proletariat vorgesehen, dann brauch ich da nicht mein armes Hirn mit maltraitieren.
Tja, mit der Abbeid ist das so ‘ne Sache, der eine versteht unter diesem Begriff ausschließlich das, was in Teilen Deutschlands “Maloche” genannt wird, die andere bezeichnet alle schöpferische Tätigkeit als Arbeit. Wobei ich bei mir selber eher die Lust zum “Schöpferisch-tätig-sein” verspüre als zu arbeiten … ;)
Was mir an der “Arbeit” am meisten stinkt sind nicht unbedingt die Tätigkeiten an sich sondern das ganze Drumherum, die “Arbeitsethik”, der Zwang, meine “Arbeitskraft” weit unter “Wert” an vorwiegend völlig sinnlose oder widersinnige Tätigkeiten zu verschleudern. Oder gar die Erwartung, dass ich mein Selbstwertgefühl von meiner Arbeitsfähigkeit und Leistungsbereitschaft abhängig machen soll. Und dabei zu wissen, dass ich mit mindestens 80% der Arbeitszeit dieses Gesindel am oberen Rand der Gesellschaft bediene.
Trotzdem möchte ich zu bedenken geben, dass der Streit um Begriffe nicht den konstruktiven Diskurs dominieren oder gar unmöglich machen sollte. Oder ist das so gewollt?
Dezember 9th, 2012 at 02:22
@Stefan Wehmeier(108): sorry, aber dann fang doch bitte endlich mal an, genau die Kulturstufe oberhalb der Religion zu erklimmen ;-)
@renée(110): Ich hoffe, ich deprimiere Dich jetzt nicht zu dolle, Du machst es mit den vollen 100 % und nicht nur Deiner Arbeitszeit, auch oder gerade mit Deiner (ganzen) Arbeit und jedem Atemzug.
… ich auch :-(
Dezember 9th, 2012 at 18:02
@111
Nee, um mich zu deprimieren muss mehr passieren bei meinem obersten Lebensmotto “Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst”.
Trotzdem bin ich mit den “vollen 100 %” nicht ganz einverstanden.
Ich schrieb “mindestens 80 % der Arbeitszeit” und meinte damit den Anteil der Lohnarbeit, der – soweit mir erinnerlich – berechen- und nachweisbar ist (korrigiert mich, wenn ich damit falsch liege).
Ein kleiner Teil bleibt schließlich schon bei mir hängen als “Lebensunterhalt”. Kann auch sein, dass es etwas mit Reproduktion der Arbeitskraft zu tun hat, ohne die dazu nötigen Mittel stirbt das Humankapital aus. (Wie lange die weiter wachsende “Reservearmee” wohl noch durchgefüttert wird?)
Dass wir aber 100 % unseres Lebens dem herrschenden System mit Haut und Haaren und auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind – d’accord. Ob ich selbst noch was grundsätzlich anderes erlebe, bezweifle ich, trotzdem “arbeite” ich daran mit, dass was brauchbareres entsteht.
Dezember 9th, 2012 at 18:15
@renée(112)
“Ein kleiner Teil bleibt schließlich schon bei mir hängen als “Lebensunterhalt”. Kann auch sein, dass es etwas mit Reproduktion der Arbeitskraft zu tun hat, ohne die dazu nötigen Mittel stirbt das Humankapital aus. “
Da bleibt nichts bei Dir “hängen”. Das würde ja heißen, daß der Lohn irgendwas mit dem Gewinn oder ‘wenigstens’ dem Arbeitsergebnis zu tun hat.
Hat er aber nicht.
Den gibts wirklich nur als Lebensmittel(-ersatz), daß Du, so das ‘gewünscht’ ist, morgen wieder antrittst.
Btw. Du kannst den Lohn im Warenwert berechnen und nachweisen, das ist aber nicht unser Bier, als die, die den kriegen – Lohn ist nur eines: Ausbeutung der Arbeit, die ihre Arbeitskraft verkauft und ihre gesamte Arbeitsleistung gibt. Das Arbeitsergebnis gehört eh von vornherein dem ‘Einkäufer’.
Dezember 9th, 2012 at 19:28
Das Arbeitsergebnis gehört eh von vornherein dem ‘Einkäufer’.
Yupp.
Dezember 21st, 2012 at 14:19
@54udo
“Liebe und Wissen. Dann schaut euch mal um…”
beides rar…Traurig.
@62uena
“Ich finde das immer besonders übel, wenn Menschen sowas sagen, die ich eigentlich mag oder mal mochte.”
Da wird es mit der Zeit einsam um einen. Schwer.