odysseus

Odysseus, so heißt es gemeinhin, sei ein außerordentlich kluger und listenreicher Mann gewesen, der ob seiner Klugheit und seines Listenreichtums die mystischen Mächte überwand und derart der aufgeklärten Weltsicht den Sieg über das Dunkel der Mythen beschert habe. Wie so oft ist in dieser quasi offiziellen Lesart einiges durcheinander geraten und das Wichtigste verschwiegen worden. Zum Beispiel dass er noch vor dem Listen- über ganz banalen wirtschaftlichen Reichtum verfügte.

Verfügte wie über die ‘Kameraden’, die keine waren, weil sie nicht gefragt wurden. Ob sie starben, Qualen erlitten oder Abenteuer erlebten, stets standen sie unter Befehl. Ihr Herr legte dabei weder besonderen Wert auf ihre Meinung noch auf ihre Interessen, es ging immer nur um seine. Ihr Erfolg war seiner, alles, was sie bekamen, war das, was er ihnen ließ. Sie waren Lohnsklaven. Ihnen kam die Arbeit zu, ihm der Ruhm und das Vergnügen.

Freiheit in Verantwortung

So zum Beispiel als er vermeintlich die Sirenen „überlistete“. Jedem, der ihren Gesängen lauschte, drohte der Tod. Nichts Genaues weiß man nicht, aber wer sich von ihnen betören ließ, den zog es auf die Insel, der nie jemand lebendig entkam.
Um also in den Genuss des Gesangs zu kommen ohne die Konsequenzen tragen zu müssen, pfuschte er sich durch. Regeln galten nämlich, Mythos hin oder her, für Herrn Odysseus nicht. Sie galten nur für die Lohnsklaven. Denen befahl er also, sich die Ohren mit Wachs zu verstopfen und die Befehle auszuführen, die er ihnen zuvor gegeben hatte. Dazu gehörte das Befolgen der Route und dass sie ihn an einen Mast binden mussten, um ihn bis zu einer bestimmten Stelle zu ignorieren.

Dies übrigens heißt seitdem bei den Herren „Freiheit“. Die einen befolgen die Befehle noch, wenn sie sie gar nicht mehr hören können, die anderen nehmen zwar nicht mehr am Leben teil, nehmen sich dafür aber, gefesselt in der eigenen Habgier, was allen anderen verwehrt ist. Dies ist ihnen gestattet wegen ihrer besonderen Fähigkeiten und Leistungen. Odysseus nannte man dafür (und dafür, dass er im Krieg sehr effizient töten konnte) einen „Helden“.

Ein großer Führer

Was widerfuhr nun dem Helden am Mast wirklich? Die Sirenen zeichneten sich durch das schlechthin komplette Wissen der Welt aus und verliehen in ihren Gesängen den Zuhörern eine Vorstellung von deren wahrer Größe. Hier das Universum – da du. In diesem Schock war bis dahin jeder Amok gelaufen und hatte sich unverzüglich suizidiert. Odysseus aber kam nicht dazu, ihm waren ja die Hände gebunden. Er hörte Dinge wie „Du bist ein Honk, Odysseus, ein Niemand. Jeder deiner Kameraden ist mehr wert als du. Ach was, jedes Schwein steht über dir, lässt es doch nicht andere für sich leben und sterben.

Das erschütterte ihn zutiefst, was er aber wie gesagt mangels Handhabe überlebte, obzwar einen Nervenzusammenbruch erleidend. Nachdem ihn seine ‘Kameraden’ wieder aufgepäppelt hatten, berichtete er ihnen davon, wie großartig das alles gewesen sei – und er selbst natürlich, dass er es wieder einmal geschafft hatte. Seine Großartigkeit ließ dann erst ein paar Kameraden von Seemonstern fressen, dann alle anderen ertrinken, als er aber als einziger Überlebender (vermutlich hatte er sich aus den Überresten der ‘Kameraden’ ein Floß gebaut) die Heimat erreichte, konnte er tolle Geschichten erzählen, die seinen Status als Held und Herrscher festigten. Zur Feier seiner Rückkehr ließ er noch eine Hochzeitsgesellschaft hinrichten und sich daraufhin als großen und gerechten Führer seiner Nation feiern.

Seitdem wird immer wieder versucht, dieser Karriere nachzueifern. Dies gelingt freilich bis heute nur den Besten der Besten der Besten.