Ich gebe diesen Vortrag einmal weiter. Heinz-Josef Bontrup spinnt den Faden von der neoliberalen Lohnsenkungsreligion zur finalen Krise der Profitrate. In der ersten Stunde, die ich mir eben angehört habe, ist das Wichtigste zusammengefasst.
Ich werde nicht zuletzt diese Ausführungen zum Anlass eines gewagten Ausblicks in die Möglichkeiten eines aus dem Kapitalismus erwachsenden Sozialismus’ nehmen.
[edit: Der Vortrag geht bis 01:12, dann folgt die Diskussion.]
[edit 2: Die "Diskussion" (leider hört man die Fragen nicht, also die Ausführungen Bontrups,) ist ebenfalls höchst hörenswert.]
September 18th, 2012 at 00:45
[...] Hochschule Gelsenkirchen und Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. (via Feynsinn) September 17, 2012 | abgelegt unter [...]
September 18th, 2012 at 01:23
Guter Link, interessant, ich horche gerade sehr interessiert…!
September 18th, 2012 at 08:13
Danke für den Link! Als fleißige Leser Deiner Blogroll links kommt da zwar nicht viel Neues, aber so eine Zusammenfassung macht argumentierfest und füllt die letzten Lücken. Schön zu hören übrigens auch DER hier (Vorsicht: 4h 30m, aber sehr informativ und erstaunlich kurzweilig).
September 18th, 2012 at 08:54
Ich muss mir den Vortrag für später aufheben, den ich mir sicher ansehen und anhören werden, zumal er aus meiner alten Uni kommt.
Nur soviel: Zu Zeiten von Al Capone mag es unvorstellbar gewesen sein, die Herstellung, den Vertrieb, den Verkauf und den Konsum von Alkohol anders sich vorzustellen als in Verbindung mit Mord, Totschlag und dem MG.
Wirtschaft assoziiert sich heute mit Ausbeutung und Kriminalität. Möglicherweise ist diese Assoziierung ebenso vergänglich wie die Herrschaft Al Capones und die von Arturo Ui.
September 18th, 2012 at 09:20
Ich hab den Vortrag sogar als KLICKBEFEHL verlinkt. Und stimmt, die anschliessende Fragerunde ist auch klasse. Insbesondere das mit den fünf Konten der Volkswirtschaft.
Mir ist Herr Bontrup bislang noch nicht so eindrucksvoll über den Weg gekommen. Ein Name, den ich mir mal merken werde ;o)
September 18th, 2012 at 09:29
Ach jaaaa, mit welchen Männern ich so in letzter Zeit meine Nächte verbringe… Flassbeck, Stieglitz, Bontrup, Hartmann usw.
Wenn die wüssten! ;o)
Das Radiointerview aus dem Link oben hab ich mir auch mal gegeben. Ist wirklich recht kurzweilig. Da fand ich die vertretene Position vor allem deswegen schön, weil der fachkundige Gesprächspartner noch überaus jung ist und in den ganzen Verstrickungen immer mal wieder selber gedanklich sortieren muss, wie da Dinge funktionieren und wo genau der Schwachsinn daheim ist.
Ich habe zwar oft das Gefühl, es hilft eh nichts, weil genau die Leute sich nicht dafür interessieren, die es sollten. Aber das ist auch Unsinn. Ich musste auch mit der Nase drauf gestoßen werden, dass nicht nur Einiges nicht stimmt in unserem Lande, sondern so langsam fast gar nix mehr.
Der größte Gegner dabei ist meiner Meinung nach Verlustangst. Die paar Privilegien, die einer hat, will er auch behalten. Selbst wenn es in Wirklichkeit keine sind. Mitmarschieren, Kopp unten halten und immer einen finden, der viel mehr Schuld hat als man selbst.
Insofern bin ich für jeden guten Vortrag dankbar, der verständlich, nicht zu trocken und aufklärend ist. Und aus einer Ecke kommt, wo er noch die Chance hat, Gehör zu finden. Bei den meisten Dingen, die bspw. von der Linken kommen, ist ja schon ein Haken dran, bevor überhaupt ein Wort gesprochen wurde.
September 18th, 2012 at 09:42
Gibt es irgendwo eine Zusammenfassung oder Paraphrase? Bei mir bricht die Übertragung immer wieder ab, und auch der mp3-Download funzt nicht. Ich bin allerdings schon etwas mißtrauisch, wenn er den ‘Paradigmenwechsel’ in den WW als Krisenursache benennt. Kommt er denn noch auf Gründe für diesen Wechsel zu sprechen…? Ein ‘Erfolgsmodell’ wie die ‘soziale Marktwirtschaft’ gibt man ja nicht einfach so auf, sondern eigentlich nur, wenn es eben keinen Erfolg mehr hat. Und schon die Einleitung mit ihrem reduzierten Begriff von Ausbeutung sowie die vier Arten von ‘Wertschöpfung’, die doch nur vier Arten des Einkommens sind machen ehrlich gesagt nicht unbedingt gleich Appetit auf mehr davon…
September 18th, 2012 at 10:34
Peinhart meint:
September 18th, 2012 at 09:42
“Gibt es irgendwo eine Zusammenfassung oder Paraphrase? Bei mir bricht die Übertragung immer wieder ab, und auch der mp3-Download funzt nicht. Ich bin allerdings schon etwas mißtrauisch, wenn er den ‘Paradigmenwechsel’ in den WW als Krisenursache benennt. Kommt er denn noch auf Gründe für diesen Wechsel zu sprechen…?”
Ja, nämlich den zuvor bereits erfolgten Zusammenbruch der Profitraten (Marxens entdecktes Gesetz des tendentiellerń Falls der Profitraten) im verarbeitenden und produzierenden Gewerbe, welcher das Kapital einfach dazu zwang, verbrämt mit der neo-neoliberalen Ideologie einen Feldzug gegen die Löhne und Sozialleistungen der Lohnabhängigen zu eröffnen.
Er ist sich dieser systemimmanenten Gründe ähnlich wie Robert Kurz und eine ganze Reihe in- und ausländischer (insbesondere auch amerikanischer schon in den späten 60ern)anderer Marx nahesstehender Ökonomen sehr wohl bewusst.
Interessant auch, dass er solche Herren wie Ackermann und andere Banker oder die NOKIA Manager keinesfalls für besonders gierige, böse und abartige Zeitgenossen hält sondern für gewöhnliche Charaktermasken dieser Produktionsweise, wo es letztlich immer um Profit geht, diesem also auch alle Entscheidungen untergeordnet sind.
Im Großen und Ganzen ein guter, erhellender Beitrag, und immerhin war er selbst viele Jahre in der Wirtschaft tätig, weiß daher auch sehr praktisch, wovon er spricht.
Das Herunterladen dieses Vortrages hat bei mir leider auch nicht geklappt, schade….
September 18th, 2012 at 10:58
@Peinhart: Du musst die Technik zwingen. Der Paradigmenwechsel geht dahin, dass zunächst die Gewinne als “Restgröße” des Wirtschaftens betrachtet wurden, sich dann aber über die Vermögenden und ihre Zuträger (Ackermann; “25%”) aufschwangen, die Vorgaben zu machen und damit die anderen Einkommensarten unter Druck brachten, so dass am Ende die Löhne zur Restgröße (möglichst niedrig) mutierten. Ich weiß gar nicht, ob das am Ende noch die Kernthese ist, denn die Folgen und Zusammenhänge werden schlüssig dargelegt. Im Hintergrund schwingt immer der Zwang zum Profit mit, auch als Ursache (Einbruch der Profite + Stagflation in den 70ern). Insofern argumentiert Bontrup marxistisch, aber ohne Marx.
September 18th, 2012 at 11:06
flatter meint:
September 18th, 2012 at 10:58
“Insofern argumentiert Bontrup marxistisch, aber ohne Marx.”
Was manchmal, unter der vorwiegend herschenden Meinung der Herrschenden, sehr klug sein kann!
September 18th, 2012 at 11:07
Ein ordentlicher Vortrag, manchmal rhetorisch zu aufgeladen, wenn ihm die Pferde durchgehen und er trotz seiner Erwähnung und Erläuterung des Begriffes der Charaktermasken auf “parasitäre” und “faule” Rentiers einschlägt, aber in der Gesamtschau doch durchaus erhellend und aufklärerisch.
September 18th, 2012 at 11:13
Auch die Gegenseite sieht die Möglichkeit der Eskalation (wie Bontrup).
https://www.wiwo.de/politik/europa/rettungspolitik-die-eskalation-der-krise-/7142094.html
Dort wird das so ausgedrückt. Bisher wurde die Krise mit Vertrauensverlagerung angegangen(von den Banken auf die Staaten und von dort auf die solventen Staaten wie Deutschland und jetzt gibt es niemanden mehr, der noch sein Vertrauen zur Verfügung stellen kann).
Bleibt für die Staaten nur noch der Ausweg in die Inflation.
Die europäische Einigung wird von den Eliten nicht in Frage gestellt werden, egal wie teuer es wird (Inflation). Man hat im Moment nur das Problem, das der Bevölkerung zu verkaufen.
Interessant:
Steuererhöhungen werden als nicht durchsetzbar ausgeschlossen. Wieso eigentlich? Ist doch Quatsch!
Die Möglichkeit “Sparen und Wachstum” wird als eine Einheit gesehen. Wieso eigentlich? Ist doch Quatsch!
Entlarvend der letzte Satz:
“Der beste Verbündete der Rettungspolitiker gegen die Empörungsbereitschaft in der Bevölkerung ist die Komplexität der Krise und die Unübersichtlichkeit der Rechnung, die den Bürgern präsentiert werden wird. Viele Menschen bekommen es wahrscheinlich gar nicht mit, wenn sie und ihre Kinder für etwas bezahlen, das die meisten von ihnen nie haben wollten.”
September 18th, 2012 at 11:13
Danke, dann werd ich es später nochmal probieren, vielleicht gibt es ja gerade einen flatter-induzierten Ansturm auf den Server. ;)
…den zuvor bereits erfolgten Zusammenbruch der Profitraten im verarbeitenden und produzierenden Gewerbe, welcher das Kapital einfach dazu zwang, verbrämt mit der neo-neoliberalen Ideologie einen Feldzug gegen die Löhne und Sozialleistungen der Lohnabhängigen zu eröffnen.
Diesen ‘Zusammenbruch der Profitraten’ hat Albrecht Müller mal in einer Korrespondenz mit mir geradezu wütend bestritten, wenn ich mich recht erinnere… Diese Krisenanalyse aber mal vorausgesetzt, kann es ja nicht um eine simple ‘Rückkehr’ zur sog. ‘Realwirtschaft’ gehen. Was meint der Professor denn dann zu ‘Auswegen aus der Krise’…?
September 18th, 2012 at 11:22
Steuererhöhungen werden als nicht durchsetzbar ausgeschlossen. Wieso eigentlich?
ad eins, zwei und drei: Standortwettbewerb. ;) Die ‘Nationalökonomie’ bekommt im globalisierten Weltmarktzusammenhang tatsächlich so etwas wie ‘Unternehmens-charakter’.
September 18th, 2012 at 11:30
Zu ‘Auswegen aus der Krise’ höre ich da implizit Besteuerung (Vermögen, Spitzengehälter, Erbschaften). Er formuliert das freilich negativ, wenn ich mich recht entsinne. Ich habe die Diskussion aber nicht zu Ende gehört.
September 18th, 2012 at 11:51
>>> Zu ‘Auswegen aus der Krise’ höre ich da implizit Besteuerung (Vermögen, Spitzengehälter, Erbschaften).
Und Flassbeck eine ordentliche Lohnsteigerung!
Warum ist das Quatsch!
In der Krise sind Unternehmen in einer katastrophalen Lage, sie verkaufen nicht, die Lager sind voll, sogar Preise fallen, und sie müssen Schulden zurückzahlen, die man schon vielleicht reprogrammiert hat, und der Zins ist gestiegen …
Das ist eben der BASTARD-Keynesianismus
PS
Natürlich müssen Löhne viel höher sein, aber man kann sie nicht in der Krise erhöhen
September 18th, 2012 at 12:00
Der WiWo-Artikel ist tatsächlich schon mal etwas näher an der Realität. Erstaunlicher ist, dass immer noch Ansichten des Tenors ‘Ach was, Krisen hat es immer gegeben’ dominieren.
Schulden einfach ‘weginflationieren’ soll also die vielversprechendste Variante sein. Aber über welche Größenverhältnisse reden wir hier nach gut 30 Jahren Turmbau mit Karten? Wieviel dieses Geldes und ‘geldwerter Forderungen’ hat zu gegenwärtigen Preisen noch Entsprechungen in der ‘real world’? 20%? Oder doch nur noch 10%? Lazarus, übernehmen Sie… ;)
Wie lange soll das also dauern, und möglichst auch noch, ohne dass die Menschen es merken? Und was macht in der Zeit die ‘Realwirtschaft’, wenn sie nicht mehr laufend durch neue Schulden unterfüttert wird…?
September 18th, 2012 at 12:04
Sehr guter Beitrag, danke flatter.
Gibts dann doch noch Leute die “komplizierte” Sachverhalte verständlich für die Masse aufbereiten, sowas als Pflichtprogramm im Kino Altersheim vor der Lindenstrasse oder Teutschland sucht den Schupperstar wär doch nett ^^
Sagte ja 24 std. Woche bei vollem Lohnausgleich Rente mit 50!!!!!
Auf Überstunden 100% Zuschlag
Rührup Rafelhüsschen und Konsorten entlarven wies der Prof tut is da schon ein Anfang, gewundert hatt mich bischen das auch in der darauffolgenden Diskussion keiner den zins/zinseszinsmechanismus thematisiert hatt
@flatter
Er geht in der Diskussion am Ende drauf ein das Begriffe wie Steuererhöhung oder Vermögensabgabe im Volk derartig negativ konotiert sind das auch noch die Oma meint mann will ihr ans ersparte, Bild Bams und Glotze ham das gut hingekriegt.
September 18th, 2012 at 12:35
das auch in der darauffolgenden Diskussion keiner den zins/zinseszinsmechanismus thematisiert hatt
Weil es kein eigener Mechaneismus ist, sondern nur ein ‘Ableger’ der Profitproduktion.
September 18th, 2012 at 13:07
Guter Fund. Dank je wel!
September 18th, 2012 at 21:39
@flatter, das war ein super Vortrag. Vielleicht kam das besagte Bandbreitenproblem von mir, ich hab nämlich das an alle meine Kontakte verschickt.
September 19th, 2012 at 01:28
Vielen, vielen Dank für diesen hochinteressanten und glänzend dargebrachten Vortrag, flatter und Andreas (hier hatte ich den Vortrag über den Klickbefehl zuerst entdeckt).
Die anderen, bei YouTube vorzufindenden Vorträge Bontrups sind ebenfalls empfehlenswert – auch wenn sich natürlich vieles wiederholt. Bezeichnend, daß solche Redner einen über Umwege (rechtsfreier Raum!) und erst nach Monaten erreichen. Erhellender als ein Jahr Illner, Will, Jauch und co. zusammen – to no surprise.
ninjaturkey (#3), auch dir danke! Das ist Economics 101 der wirklich kurzweiligen Sorte. Aber auch erschütternd. Und wie niederschmetternd für den Qualitätsjournalismus (sic) und alle Hetzer.
September 19th, 2012 at 01:34
Passend dazu (noch ist das Leistungsschutzrecht (sic) ja noch nicht in Kraft):
“Das private Nettovermögen hat sich von Anfang 1992 bis Anfang 2012 von knapp 4,6 Billionen auf rund zehn Billionen Euro mehr als verdoppelt. Den vermögensstärksten zehn Prozent der Haushalte gehört mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens [...]“, heißt es im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.
Die größte Armut herrscht wieder mal kognitiv wie rhetorisch:
“Während die Opposition die Bundesregierung scharf kritisert, ist diese mit den Ergebnissen des Berichts grundsätzlich zufrieden. Nach Auffassung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zeigt der Bericht, dass es Deutschland insgesamt besser gehe. Die Arbeitslosigkeit sei gesunken, sagte die CDU-Politikerin in Berlin. Außerdem gebe es weniger Kinder, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen seien. Von der Leyen räumte jedoch auch ein, dass vor allem die hohen Einkommen vom wachsenden Wohlstand profitiert hätten. Deshalb müssten die Chancen für Geringverdiener verbessert werden.”
(Quelle: https://www.dradio.de/aktuell/1869448/)
September 19th, 2012 at 10:17
Ich hatte es ja schon einmal in einem früheren Artikel erwähnt. Prof. Bontrup hat u.a. auch an einer wiss. Ausarbeitung mitgearbeitet, die sich mit einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenarbeitsstunden beschäftigt und diese argumentativ herleitet. U.a. auch nachzulesen im Buch “Wir sind empört”, zu dem ich ebenfalls mit meiner Untersuchung “Was der Mensch braucht” einen Beitrag geleistet habe.
Dennoch auch für mich sehr schön, einmal eine ganze Stunde seinen schlüssigen, aber für mich auch äußerst herzerfrischenden Ausführungen in aller Ruhe zuzuhören. Man spürt, dass er ein Professor von “altem Schrot und Korn” ist, der seine Studenten nicht auswendig pauken lässt, sondern der ihnen wirkliches Verstehen beibringt. Der keine Dogmen herunterbetet, sondern es anhand praktischer Beispiele plastisch darlegt.
September 19th, 2012 at 10:58
Arbeitszeitverkürzung wäre wie Umverteilung von ‘oben nach unten’, von Kapital- zu Arbeitseinkommen sicher ‘hilfreich’ – aber welche Institution soll das durchsetzen? Ohne dass die Standortkonkurrenz zuschlägt?
Und hätte es einen Einfluss (und wenn ja, welchen) auf die Profitraten der sog ‘Realwirtschaft’, die ja auch nach Bontrup schon den 70ern (zu) niedrig waren und seitdem durch die weiter gestiegene Produktivität bei fehlender Marktexpansion noch mehr gelitten haben dürften?
Kurz – warum sollen Konzepte, die schon der Stagflation der 70er ‘vernünftig’, aber eben nicht (mehr) durchsetzbar waren, es jetzt sein?
September 19th, 2012 at 11:38
Wenn man sich auf den von Dir beschriebenen Standpunkt begibt, kann man eigentlich nur noch den Kopf senken und alles über sich ergehen lassen. Das ist ja auch genau das, was ich (und viele andere) den Realos so vorwerfe. Man nimmt nur das überhaupt als anzustreben an, was die Gegenseite als “realistisch” bezeichnet. Und eben genau deshalb völlig wirkungslos ist.
Ich schreibe es ja immer wieder. Die Politiker haben die verdammte (grundgesetzliche) Pflicht und Schuldigkeit, genau dies zu tun. Denn sie sind dem Allgemeinwohl verpflichtet. Und sie haben die Macht dazu. Sie müssen “nur” durch die Bevölkerung dazu gezwungen werden, dieser Pflicht auch nachzukommen. Dass dies in der Praxis einer Vielzahl von Problemen gegenübersteht, ist mir selbstverständlich auch klar.
Standortkonkurrenz ist die eine Seite der Medaille. Wer jedoch nur die Angebotsseite betrachtet, vernachlässigt, dass Deutschland genauso ein Konsummarkt mit 82 Mio. Verbrauchern ist. Die Stärkung der Masseneinkommen hätte ebenfalls eine fundamentale Bedeutung für die Wirtschaft. Und es wäre wahrlich kein Nachteil, wenn die unsägliche Exportorientierung zugunsten eines stärkeren Binnenkonsums beseitigt werden würde.
Und was die Profitraten anbelangt. Sicherlich würden diese sich dann nicht weiter nach oben entwickeln. (Mir sitzt regelrecht eine Träne im Knopfloch.) Die entsprechenden Unternehmen hätten doch die Wahl. Entweder sie ziehen sich aus diesem Markt zurück, weil ihnen der Profit zu niedrig ist und verzichten vollständig auf den erzielbaren Gewinn. Oder sie akzeptieren dies und können immer noch Gewinn, allerdings eben nicht in dieser oftmals exorbitanten Höhe, generieren.
Einfache Entscheidung. Entweder den Spatz in der Hand oder die Luft auf dem Dach.
Wir können natürlich auch so weitermachen wie bisher schon. Immer stärkere Arbeitsverdichtung, weiter verlängerte Wochenarbeitszeiten und steigende Lebenarbeitszeiten. Bei sinkenden Verdiensten. Da brauchen wir dann auch niemanden, der dies durchsetzt. Das machen die Unternehmenslobbyisten schon von alleine.
September 19th, 2012 at 12:48
Ich bin ganz gewiss kein ‘Realo’ in dem von dir beschriebenen Sinne. Und unterstütze – das habe ich nicht nur hier auch immer wieder gesagt – alle Forderungen in Richtung Umverteilung, Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung, Regulierung etc jederzeit und vorbehaltlos. Wir müssen bloß – und das magst du dann ‘Realismus’ nennen ;) – damit rechnen, dass dann das Kapital streikt. Weil es keinen Spatz, sondern nicht mal mehr eine Stubenfliege in die Hand bekommt. Was übrigens auch Keynes in seinen ‘Möglichkeiten unserer Enkel’ so vorausgesagt hat. Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass die Epoche der Kapitalakkumulation zu Ende geht. Was sicher auch erstmal nicht so lustig wird.
September 19th, 2012 at 17:31
Ich bin ganz gewiss kein ‘Realo’ in dem von dir beschriebenen Sinne.
Das habe ich so ja auch nicht gesagt und gemeint. Aber die Äußerung
aber welche Institution soll das durchsetzen?
trägt einen solchen Fatalismus in sich, dass ich darin eine zumindest ähnliche Synapsenverknüpfung zu erkennen glaube.
Okay. Die derzeitigen Institutionen und Personen wehren sich mit Händen und Füßen gegen ihre eigentliche(n) Verpflichtung(en). Dies ist jedoch nicht im geringsten ein Grund, das als gegeben hinzunehmen, sondern stattdessen vielmehr den Druck auf sie zu erhöhen, dies endlich zu tun.
Und Nein. Ich würde ihnen den Spatz nicht streitig machen wollen. (Wobei natürlich darüber zu diskutieren wäre, welche konkreten Ausmaße der Spatz haben sollte. Weil es ansonsten ja eine Taube wäre. Oder gar ein Adler.) Aber gegen den Spatz hätte ich nichts einzuwenden. Es gibt da einen einfachen Satz: Leben und leben lassen. Und der gilt in alle Richtungen gleichermaßen.
September 19th, 2012 at 17:57
Kapital lebt…? Im übrigen würde ich dich bitten, noch einmal zu lesen: ich wähnte, dass die Profitraten, die bekanntlich bereits in den 70ern in den Keller gingen, bei inzwischen weiter gestiegener Produktivität und ausbleibender Expansionsmöglichkeiten nicht einmal mehr eine Stubenfliege, geschweige denn einen Spatz abgäben. Da geht es nicht um Gönnen oder Nicht-Gönnen, sondern um kapitalistische Bewegungs’gesetze’. Immer mehr akkumuliertes Kapital muss unter Vernutzung von immer weniger Arbeit immer weiter verwertet werden. Die finanzkapitalistische Scheinlösung wurde doch nicht aus Jux und Dollerei, und auch nicht aus reiner Gier und Bosheit gesucht.
Also noch einmal: wie soll das bitte heute gehen, wenn das schon vor 30 Jahren ‘prekär’ wurde? Und warum soll man eigentlich überhaupt so weiter verfahren? Worin liegt der ‘höhere Sinn’ weiterer Kapitalakkumulation?
September 21st, 2012 at 17:25
Danke für den Link.
Verständlicher ist das Zustandekommen der “Euro- Schuldenkriese” und ihre Ursache in der neoliberalen Lohnraubpolitik der letzten drei Jahrzehnte kaum erläutert worden… -guter Mann der Hr. Bontrup!
September 22nd, 2012 at 14:57
Ich habe mir auch die Zeit genommen, Kinder derweil verbannt, die plappern sonst immer dazwischen, und mir alles in einem Stück angehört.
Vieles davon kannte ich, beschäftige mich schon längere Zeit mit dem “wie” und “warum” meine Realität so anders ist?, als von der Politik und den Medien dargestellt.
Für mich war z.B. sehr interessant der Zusammenhang: Kapitalismus – die “erzeugte” Arbeitslosigkeit und der damit entstehende Druck auf die Löhne und Gehälter. War mir so nicht bewußt.
Das macht mich eigentlich noch wütender, wenn man sich dann Sprüche anhören muß wie, “wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen”, oder “es gibt kein Recht auf Faulheit” usw usf.
Ich arbeite als prekär Beschäftigte für 3,75 Euro die Stunde.
Am liebsten würde ich bei meiner nächsten Einladung zum Jobcenter, meiner “manchmal” sehr hochnäsigen Arbeitsvermittlerin ihr diese Sachen um die Ohren hauen.
2,9 MIO Arbeitslose, die versteckten nicht mitgezählt. Letztens waren es 817 000 Jobangebote bundesweit. Allein hier, ist mir schon länger aufgefallen, daß 4 private Arbeitsvermittler ein und die selbe Stelle anbieten.
WOW, was bleibt dann eigentlich hochgerechnet noch?
Und es ist SO schwierig, das unter mein Umfeld zu bringen.
September 22nd, 2012 at 16:48
und jetzt seh ich grad dies https://www.ardmediathek.de/das-erste/panorama/hass-statt-gastfreundschaft-asyl-in-wolgast?documentId=11816750
hier bei uns (ca.7000 Einwohner) sollen auch 200 – 300 Asylbewerber aus Krisen Gebieten einquartiert werden. NPD hat dann in sämtlichen Haushalten ein Flugblatt verteilt.Ich kann nicht sagen,was dabei raus kam,weil es widert mich an.
Es ist ein Elend, wenn man weiß warum Arbeitslosigkeit existiert und auch hier in Sachsen solche Auswüchse treibt.
September 23rd, 2012 at 20:36
Meine Zeit ist kostbar. Kommt der Vortragende auch auf die Grenzen des Wachstums, Fiatgeld und Peak Oil zu sprechen? Blickt er über den Tellerand des Industriezeitalters und der Volkswirtschaft hinaus? Oder handelt es sich nur wieder um einen Vertreter der keynesianischen (nachfrageorienterten) VWL, der sich an der neoliberalen (angebotsorientierten) VWL abarbeitet?
September 23rd, 2012 at 22:03
@teiler: Du bist ja lustisch…! :D
September 23rd, 2012 at 22:53
@Dennis82: Ich weiß. Und DU erst…! :D
Oktober 14th, 2012 at 22:00
[...] seinem kürzlich verlinkten Vortrag sagt Heinz-Josef Bontrup, dass niemand im Fachbereich Volkswirtschaftslehre befürchten [...]