Was tut eine Regierung, die eine gigantische Wirtschaftkrise zu bewältigen hat? Man sollte meinen, daß alle Ressorucen gebündelt werden, möglichst kompetente Leute sich zusammensetzen und offen beratschlagen, welche Möglichkeiten des Krisenmanagements bestehen und welche davon die besten sind. Federführend in diesbezüglichen Bemühungen sollte der zuständige Minister sein, im Falle der Bundesregierung eben der Bundeswirtschaftsminister.
Daß mit Michel Glos bislang ein Totalausfall vor sich hin gewurschtelt hat, dessen beste Idee eine Subvention privater Kühlschränke war, ist Anlaß genug zur Bestürzung. Immerhin hat er als einer der wenigen bemerkt, daß er am falschen Platz sitzt, was ihn zunächst eisern nichtstun ließ, um nunmehr einsichtig das Handtuch zu werfen. Eine Chance, auf die kaum jemand gehofft hatte, und jetzt sollte es doch an der Kanzlerin sein, jemanden zu berufen, von dem man etwas Konstruktives erwarten darf.
Was sich aber tatsächlich abspielt, ist ein Fanal der Verachtung aller demokratischen und politischen Anforderungen, die an ein solches Amt geknüpft sind. Glos reicht nicht etwa bei Merkel seinen Rücktritt ein, die allein verantwortlich und zuständig ist für die Bennung der Minister, sondern er ruft seinen Parteichef Seehofer an und erklärt diesem seine Unlust. Der rüffelt den Parteifreund erst und will ihn an seinen Sessel anschrauben. Als er feststellt, daß der Glos partout nicht mehr zum Bleiben zu zwingen ist, schickt auch er ihn nicht ins Kanzleramt, sondern beginnt flugs damit, einen anderen Parteifreund auszukungeln, der in Zukunft den Proporz sichert.
Frau Merkel hat nichs dagegen, sie findet dieses Vorgehen vielmehr richtig und alternativlos. Es liegt ihr nichts an einer Regierung. Es liegt ihr schon gar nichts daran, sich mit der Krise zu beschätigen oder jemanden zu suchen, der es an ihrer statt tut. Sie will Ruhe im Stall, und da die Wirtschaft regierungstechnisch der CSU gehört, wäre ihr auch ein blauweißer Regenschirm recht, der am Kabinettstisch mit “Herr Minister” angesprochen wird. Ein untauglicher Rettungsschirm mehr, was soll’s?
Während sich die neoliberalen Kameraden aller Truppenteile in der Etappe der schnulzigen Verehrung Ludwig Erhards hingeben oder von der guten alten Zeit mit Plisch und Plum träumen, lassen sie das Wirtschaftsressort unbewegt von jedem Dilettanten sturmreif regieren, der zufällig das richtige Parteibuch spazieren führt. Bislang hatte die Regierung ja eh nichts zu melden in Sachen Wirtschaft, sie ließ und läßt sich von den Halbgöttern des Neoliberalismus diktieren, was richtig und gefälligst zu tun sei. Helden wie Hans Tietmeyer, maßgeblicher Autor des “Lambsdorff-Papiers“, stehen hoch im Kurs, ausgerechnet diejenigen, deren Konzepte grandios gescheitert sind und die Suppe eingebrockt haben, die der sonst so verachtete “Staat” nunmehr auslöffeln soll. Warum nicht gleich Lambsdorff zum Wirtschaftsminister machen? Die CSU würde ihn sicher aufnehmen, und als Steuerhinterzieher wäre er außerdem in allerbester Gesellschaft.
So mutig sind sie nicht, die Platsch und Plumps politischer Fettnäpfe, vielmehr zeichnen sie sich durch eine bajuvarische Bauernschläue aus. Wer den Narren zum König macht, kann tun, was er will und wird sicher nicht gehängt werden. In der modernen Version dieser Farce kann er sich damit sogar und dumm und dusselig verdienen, Beraterhonorare kassieren, Einfluß nehmen und sich nach Belieben Steuergelder in die Tasche stecken – Taschengeld fürs Zocken quasi. Geht’s gut, gibt’s Champagner, geht’s nicht so gut, gibt’s auch Champagner. Die Zeche zahlen die, die gar nicht wissen, wie das Zeug schmeckt.
Würdeloser geht es nicht, und das betrifft unmittelbar die Demokratie, deren Würde ebenso beschädigt wird wie die der Menschen, die als “unantastbar” gilt. Diese sind längst nur Manövriermasse, Melk- und Wahlvieh. Merkels Mauscheltruppe regiert die Menschen, nicht für die Menschen. Die Causa Glos ist ein weiteres abscheuliches Exempel für diesen deprimierenden Umstand.
Februar 9th, 2009 at 07:45
Wie steht es heute Morgen so schön im ehemaligen Nachrichtenmagazin aus Hamburg: “Guttenberg stellt Bedingungen für Glos- Nachfolge
Wirtschaftsministerium – Er will sich nicht verheizen lassen”
So denkt man also über den vermeintlichen Aufstieg in Bundesregierung und der vermeintliche Nachfolger über seinen neuen Arbeitsplatz.
Steht in den Stellenausschreibungen nicht immer “Suchen hoch-motivierten Mitarbeiter”? Das scheint nicht zu gelten, wenn man mal eben Deutschland ein wenig mitregieren darf, soll und könnte.
Februar 9th, 2009 at 10:54
…und jetzt sollte es doch an der Kanzlerin sein, jemanden zu berufen, von dem man etwas Konstruktives erwarten darf…
Es gibt nichts Konstruktives, das das Wrack wieder flott machen könnte. Die Konstruktion ist funktionsunfähig. Es ist schlicht unmöglich, weltweit Billionenbeträge und deren Zinsen wiederum aufzuzinsen, ohne die Erde damit in jeglicher Hinsicht wirtschaftsunfähig zu machen.
1*1,05*1,05 usw. Geht auf Taschenrechner. Reicht zur Anschauung aus.
Ich schreibe das nur, um den nachfolgenden Satz verständlich zu machen:
Danke, Müller Glos. Du gabst und Anschauungsunterricht vom anderen Ende.
Februar 9th, 2009 at 11:23
[...] Sachen Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) war bislang ein einziges politisches Possenspiel (Siehe: "Platsch und Plump" @ Feynsinn). Indem man die Leitung dieses Amtes nun einem Mann übergibt, den man nicht einmal im [...]
Februar 9th, 2009 at 11:56
Als ich gestern Abend auf Spon den Artikel zu Glos’ Rücktritt gelesen habe, hab ich mich auch verwundert den Kopf gekratzt.
Ohne Merkel zu konsultieren, verkündet der Glos dem Seehofer seinen Rücktritt. Spon findet das noch nicht mal komisch, oder will wieder mal die Merkel schonen. In anderen Zeiten hätte man sich über die Zustände in der Regierung gewundert, und zurecht gefragt, ob Merkel den Laden noch im Griff hat.
Aber wie du schon richtig bemerkt hast, Merkel geht es alleine um die Macht. Ihr doch wurscht wer das Haus verwüstet und den Kühlschrank plündert, solange sie sich auf dem Sonnendeck aalt.
Februar 9th, 2009 at 15:37
nachfolger von Glos wird nun Herr von Guttenberg.
Befähigung laut Seehofer: “das “beneidenswerte Auftreten” zu Guttenbergs und dessen Fremdsprachenkenntnisse, die dieser bei der Sicherheitskonferenz am Wochenende in München präsentiert habe.”
Noch was? Ach ja:”Wirtschaftliche Erfahrung hat er durch die Leitung des Familienunternehmens der Adelsfamilie.” na dann: Gute Nacht, Deutschland.
Februar 9th, 2009 at 15:59
Warum nicht den Namen wörtlich nehmen:
Ich habe aus diesem Skandal das hier gemacht: Das Glos’sche Rücktrittsherumgeeiere
MfG
Ps.: Keine Linksetzung erlaubt?!
Februar 9th, 2009 at 17:18
Allerdings muss man v. Guttenberg zu gute halten das er
1. rhetorisch und intellektuell Glos haushoch überlegen ist
2. fast soetwas wie Charisma hat
3. noch netzwerkiger als Kahrs und Roettgen zusammen ist, was zumindest als hauptberuflicher Politkasper vorteilhaft ist
Das er von Wirtschaft relativ wenig Ahnung hat, in dem Sinn das er kein studierter Ökonom etc. ist, nachrangig.
Steinbrück hat ja VWL studiert, und wie man sieht bringt das bei ihm gar nix.
Allerdings sehe ich die Gefahr das Guttenberg die vorletzte Verteidigungslinie des Establishments ist und um deren Pfründe zu verteidigen auch die komplette Volkswirtschaft opfern wird.
Februar 9th, 2009 at 18:05
Wenn Guttenberg nicht zur vorletzten Verteidigungslinie des Establishments gehören würde, was würde er dann in der CSU machen?
Februar 9th, 2009 at 19:52
[...] flatter – Platsch und Plump … vom „Fall Glos“ über innerbajuvarische Nachfolgeregelungen bis zur gewohnten Inkompetenz und willentlichen Untätigkeit unserer „historischen Änschie“, die anscheinend selbst ganz wild darauf hinzuarbeiten scheint, bald wieder in der Geschichte unterzugehen, aus der sie die Wiedervereinigung und „Papa Kohl“ hervorgezaubert hatten. – Einfach nur noch peinlichstes und – für die Bürger/innen – zugleich fatalstes Schmierentheater – was der Autor bedeutend eloquenter und ausführlicher darzulegen versteht! [...]
Februar 9th, 2009 at 21:58
Wenn schon keine besseren Politiker in Sicht sind, sondern (fast) nur ein Politkasperle dem anderen nachfolgt, dann wäre zu wünschen, daß die “Berater” im Hintergrund, die, die niemand gewählt hat und die man auch nicht loswerden kann, die aber die eigentliche Politik machen, wenigstens besser wären. Aber das sind die Tietmeyers & Co. mitnichten.