Das Zwiesprech der besserverdienenden Politeska wird immer ekelhafter: “Bürgerarbeit” ist der aktuelle Hit, der für Vollbeschäftigung bei voller Arbeitslosigkeit sorgen soll. Eigentlich als freiwillige Leistung angedacht, finden sich sogleich Verächter des Prekariats, die eine Zwangsarbeit daraus machen wollen.
Die “Welt” bejubelt diese Groteske und freut sich,
“dass durch die Umsetzung des Bürgerarbeit-Modells ein Beschäftigungseffekt von bis zu 1,4 Millionen Arbeitsplätzen ausgelöst werden könnte.”
Verstand man in erträglichen Zeiten unter “Arbeitsplatz” noch das, was der Begriff aussagt, ist heute “Beschäftigungseffekt” das Gebot der Stunde, will heißen: Verfälschung der Statistik unter besonderem Vergnügen am Zwang. Wer nicht will oder einen Termin verpennt, dem wird das Existenzminimum zusammengestrichen. Soll er sich doch von der “Tafel” ernähren oder ehrlich klauen gehen. Welt.de ist ist eingangs offener als eigentlich gewollt und benennt klar und deutlich, worum es geht:
“die Daumenschrauben für Langzeitarbeitslose anziehen“.
Schönes Bild. Es paßt. Um nichts anderes geht es nämlich: Daumenschrauben oder Bürgerarbeit – Nur Arbeit macht frei.
“Mit dem Konzept sei „keine Arbeitspflicht“ verbunden, wohl aber eine „Pflicht zur Mitwirkung“. Kein Arbeitsloser solle Zeit haben, schwarz zu arbeiten oder einfach zu Hause zu bleiben.”
Nein, es gibt keine Pflicht, alles ist “freiwillig”. Kann man es noch provokativer formulieren? “Zwangsarbeit” heißt jetzt “Mitwirkung”. Was bedeutet es denn, “keine Zeit” zu haben, “zu Hause zu bleiben”? Liest man diesen Satz so, wie er da steht, muß jeder verhaftet werden, der sich weigert. Sprachlich unübertroffen perfide ist das Bild der “Daumenschrauben”, das vor der nackten Wirklichkeit seine Symbolhaftigkeit verliert. Ich weiß nicht, was mich mehr auf die Palme bringt – die Unterjochung der Arbeitslosen oder die begleitende Propaganda durch die Journaille. Mit Verlaub, ich könnte kotzen.
Mai 14th, 2008 at 07:36
auch der spiegel outet sich einmal mehr als neoliberales jubelblättchen.
“Ökonomen sind begeistert” halte ich eine blanke behauptung. ich kann mir nicht vorstellen, dass bspw. ein prof bickel begeistert ist. schon bei den 1€-jobbern ist es v.a. die öffentliche hand, die sich aus diesem sklaven-pool bedient. und jetzt sollen die sklaven noch billiger werden. mich würde auch mal die meinung eines gala-bauers und dessen vollzeitkräfte interessieren, wenn h4ler deren arbeit unternehmen. für mich wäre das nur staatlich organisiertes lohndumping.
“mehr Anreize zur Aufnahme einer Vollzeitarbeit”: egal von wieviel millionen tatsächlichen arbeitslosen wir ausgehen wollen (3,5 bis 9 je nach statistik-gusto), weiss ich gar nicht, auf welche vollzeitarbeitsplätze die sich alle stürzen sollen. das ist perfide. stand im gg nicht mal “die würde des menschen” etc?
“So basiere die Studie auf Erfahrungen in den USA, Großbritannien und den Niederlanden.” *lol* aber deren mindestlohnerfahrungen sind natürlich ökonomischer unsinn und nicht übertragbar… *kringel*
“Beschäftigungseffekt von bis zu 1,4 Millionen Arbeitsplätzen” die arbeitsplatzdefinition ist wirklich der hit. h4-bezug auf den grünrabatten der städte und das sollen auch noch _zusätzliche_ arbeitsplätze sein. ich würde eher denken, da werden vollzeitarbeitsplätze unter druck gesetzt und z.t. auch substituiert.
“Kein erwerbsloser Arbeitsloser soll Zeit haben, schwarz zu arbeiten oder einfach zu Hause zu bleiben.” warum eigentlich nicht? abgeordnete haben auch die zeit, hochdotierten nebenbeschäftigungen nachzukommen…
nee, ist das übel… man kann nur hoffen, nach der bayern wahl erinnert sich der glos net mehr dran ;)
Mai 14th, 2008 at 10:41
Das ist er, der autoritäre Minimalstaat der Neoliberalen. Erst versagen deren Konzepte, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen – aller vollmundigen Propaganda zum Trotz -, dann bekämpft man stattdessen eben lieber die Arbeitslosen. Man braucht Schuldige, um das eigene Scheitern notdürftig zu kaschieren. Dabei nimmt man billigend in Kauf, daß damit “Menschen zweiter Klasse” mit eingeschränkten Rechten, aber mit umso mehr “Pflichten” entstehen.
Und der formal demokratiche Staat, der seine Leistungen für die Bürger kontinuierlich “herunterreformiert” hat, führt durch die sog. Volksvertreter hierzulande ungeniert “amerikanische Verhältnisse” ein, von denen vor einigen Jahren (fast) niemmand in der deutschen Politikerkaste etwas wissen wollte. Die politischen Koordinaten haben sich sichtbar nach rechts verschoben.
Mai 14th, 2008 at 16:37
Full ack!
Besonders perfide fand neben der Selbstverständlichkeit von Zwangsideen seitens der ach-so-freiheitlichen Neo”liberalen” die Äußerung des Staatssekretärs Walther Otremba, dass dieses Modell ein gezieltes Gegenmodell zum Mindestlohn ist.
Nicht von schlechten Eltern übrigens ist auch, dass dieser Staatssekretär genau wusste, dass seine Behörde für diesen Bereich garnicht zuständig ist (was umfangreiche Tätigkeit offenkundig nicht ausschließt) und überdies scheint man sich an der Grundgesetzwidrigkeit dieser Planungen nicht zu stören.
Man könnte sagen: Walther Otremba und der ihn beauftragende Minister Glos sind damit ausreichend qualifizierte Fälle fundamentaler und Menschenwürde verachtender Systemopposition, und zwar für den Verfassungsschutz.
Mai 14th, 2008 at 20:29
Also , wenn ich mir das Orginaldokment so durchlese…. fällt mir wirklich nix mehr ein. Erts wird lang und breit über die tollen Erfolge in sonstwo berichtet , wo allerdings überall am Ende der Mindestlohn für die betroffenen rausspringt. Das eigentlich Ziel dieser menschenfeindlichen und grundgesetzwidrigen Idee offenbart sich dann am Ende. Einige Auszüge:
“auch private anbieter sollen grundsätzlich zugang erhalten”
“Es geht nicht darum ,das Lohnniveau zu senken,…”
Nee , natürlich nicht. Aber der Gegenbeweis wird sogleich geführt:
“Diese Überlegung spricht für eine weitgehende Öffnung des regulären Arbeitsmarktes durch die Vermeidung
von Einstiegsbarrieren wie verbindlichen Mindestlöhnen.”
…
“Dies wiederum wird davon beeinflusst, inwieweit Lohnflexibilität gegeben ist oder erhalten bleibt, so dass entsprechende einfache Arbeitsplätze im privaten Sektor entstehen und besetzt werden können.”
Lohnflexibilität, schönes Wort für Hungerlohn. Und weiter gehts:
“Von daher muss das Entgelt bei Workfare so ausgestaltet werden, dass bereits eine
Markttätigkeit zu einem Lohnniveau knapp oberhalb der Grundsicherung attraktiv
wird.”
“Weiterhin würden tariflich entlohnte Jobs für Langzeitarbeitslose faktisch einen Mindestlohn oberhalb der Grundsicherung fixieren.”
Mai 15th, 2008 at 17:03
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Mai 15th, 2008 at 19:53
[...] Feysinn sieht ein Bürgerarbeitslager: [...]
Mai 17th, 2008 at 11:19
[...] Chancen zum Aufstieg, ach Quatsch, zum Einstieg verwehren, sollen nun Sklavendienste leisten. Bei Feynsinn mehr dazu. Unser Staat entwickelt sich immer mehr zu einer geschlossenen Gesellschaft, nach außen [...]
Mai 18th, 2008 at 02:59
Das Leben ist eine herrliche Erfindung -
wenn man es sich leisten kann.
in / HARTZ IV saugt aus
Mai 18th, 2008 at 15:02
[...] von der Bürgerarbeit ist derzeit, zumindest in der Blogosphäre, den einen oder anderen Beitrag wert. Mein persönlicher Favorit ist der HAMSTER, der das Zeug hat, zum Symbol der Zukunft der [...]