“Das Volk gegen links” ist das Motto, seit 1949. Sechzig Jahre dumpfer Antikommunismus, ursprünglich von den Altnazis in der CDU angeführt, heute Einheitsstrategie von “Mitte” bis rechtsradikal. Westerwelle deliriert öffentlich, die Linke schriebe in jeden Antrag, den sie im Bundestag einbringt, die “marxistische Weltrevolution hinein”. Pofalla doziert langatmig einer genervten Pressekonferenz, warum eine neoliberal gewendete SPD ganz sicher, ich schwör, eine Linkskoalition anstrebe. Die Sozen ihrerseits dementieren sich um Kopf und Kragen und betreiben inzwischen selbst das Geschäft, das sie so erfolgreich ruiniert hat. Die Journaille mobbt nach Kräften mit, aktuell, indem die Linke erst gar nicht zu Wort kommt oder indem ein Hampelmann wie Schönenborn sich ganz offensichtlich persönlich auf Lafontaines Argumente vorbereitet hat und ihm ständig widersprechend ins Wort fällt. Das nennt sich dann “Moderation”.
Es geht darum, “Links” zu verhindern, den “Kommunismus”, die Herrschaft von “Mauer und Stacheldraht”. Wäre dieses Land annähernd so links wie es rechts ist, wir hätten eine Debatte über die Verhinderung des nächsten Kaiserreichs.
Zum historischen Vergleich: Sofort nach dem Krieg setzte die CDU in allen Wahlkämpfen auf Antikommunismus. 1969, zwanzig Jahre nach dem endgültigen Ende der Nazizeit durch Gründung der BRD, maßte sie sich mitsamt ihren Altnazis einen antikommunistischen Wahlkampf gegen Willy Brandt “alias Frahm” an, der vielen von ihnen als Vaterlandsverräter galt.
Die Wahlkämpfe seit 1989 sind geprägt und durchtränkt von rote-Socken-Kampagnen und der Diffarmierung von allem links von der CDU. Es ist das historische Versagen der SPD, dem nie etwas wirksam entgegen gestellt zu haben. Sie wollte nie “links” sein und scheitert endgültig an diesem Geeiere, seit sie tatsächlich rechts neben sich selbst steht.
Nicht minder erbärmlich ist die Rolle eines Journalismus, der es für seine Aufgabe hält, solche Kampagnen zu verstärken und maßgeblich zu betreiben.
Der paranoide Antikommunismus wird umso lächerlicher, je weniger von den Ruinen eines Realsozialismus noch übrig ist. In einer Zeit, da die Linke längst programmatisch die Bürgerrechte gegen die “Bürgerlichen” verteidigt, wird die Mühe um Inhaltslosigkeit seitens der “Mitte” zur Herkulesaufgabe. Alle müssen mitmachen, um die Diskussion über Programme und Ideen zu verhindern. Die Wirklichkeit muß mit vereinten Kräften derart verschüttet und vertuscht werden, daß schon die Frage nach Problemen als ketzerisch gilt. Und alle machen mit.
Die Wirtschaftskrise findet nicht statt im Wahlkampf in der Wirtschaftskrise. Es gibt keine Fragen und keine Antworten. Es profitieren diejenigen davon, deren Filz und Inkompetenz zu der Krise geführt hat, die schon bald wieder hell aufflammen wird. Es sind dieselben Rezepte, nach denen fröhlich weiter gekocht wird, als sei nicht bereits der halbe Hof dadurch vergiftet worden.
Von den Grünen darf man hoffen, daß sie sich erfolgreich und klammheimlich aus ihrer Mitverantwortung für die Verwüstungen des Neoliberalismus verabschieden. Sie können sogar wirklich etwas gelernt haben, soweit es die Inhalte betrifft. Man muß allerdings erwarten, daß sie als allseits bereite Koalitionäre im Zweifelsfall wieder all das mitmachen, was sie vorher als falsch erkannt haben.
Einzig die Linke ist außenpolitisch verfassungstreu und wirtschaftspolitisch nicht auf dem bereits havarierten Dampfer des Marktliberalismus unterwegs. Daß ihre Ideen äußerst mittelmäßig und inkonsequent sind, fällt nur deshalb nicht auf, weil jede Konkurrenz fehlt. Und weil sie eben sagen können, was sie wollen – sie sind der Feind. Wer den nicht bekämpft, macht sich selbst zu einem.
September 15th, 2009 at 12:58
“Wir Kommunisten unterschreiben dieses Grundgesetz nicht weil es die Spaltung Deutschlands manifestiert. Wir Kommunisten werden allerdings dieses Grundgesetz am entschiedensten gegen seine Gegner verteidigen”. – So Heinz Renner für die KPD 1949.
September 15th, 2009 at 13:29
Schönenborn als Hampelmann, danke. :-)
Genau als eben solcher fällt er mir immer wieder unangenehm auf. Als er gestern in der Dreierrunde barmte, “Herr Lafontaine, warum strafen Sie die Leistungsträger so?”, habe ich abgeschaltet.
September 15th, 2009 at 14:30
Danke für die hervorragende Zusammenfassung der (Nicht)-Parteikultur als auch dem Zustand der Gesellschaft in diesem, unserem Lande. Vielleicht hat Herr Strauß ja doch recht, wenn er sagt, es muß noch viel schlimmer kommen, damit es besser wird.
September 15th, 2009 at 15:37
Äußerst gelungene Bestandsaufnahme des wahren Zustandes der bundesdeutschen Demokratie kurz vor der Wahl!
Die BRD gehört dringends auf eine Psychiatercouch … weil – dieses Land steht kurz vor einem Anfall von Deutschland. Wieder mal!
September 15th, 2009 at 15:59
[...] Feindwahlkampf (über Deutschlands Angst vor [...]
September 15th, 2009 at 20:00
gut wie immer!
September 15th, 2009 at 21:22
Dieser verbissene Kampf gegen die Linke zieht sich durch (fast) alle Medien. Ich kann jede Woche mindestens zwei bis drei Diffamierungen der Linken in der Mitteldeutschen Zeitung finden.
Heute gab es einen halbherzigen Bericht über Gysi, der sinngemäß mit der Aussage einer Links-Sympathisantin endete: Bisher habe sie immer Gysi gewählt aber die Linke schaffen es ja doch nicht und deshalb wählt sie jetzt irgend etwas – Graue Panther, oder so etwas ähnliches.
Gute journalistische Arbeit. Merke: was der Mensch als letztes liest, bleibt ihm am längsten im Gedächtnis. – Auch wenn es der absolute Schwachsinn ist.
Nach dem Duell der Oppositionellen bei Frau Illner habe ich in den Google-News verschiedene Presseberichte gefunden, deren Titel sich fast ausnahmslos auf eine Sprachlosigkeit des Herrn Gysi bezogen. Das muss wohl das Highlight der Sendung gewesen sein. Ich warte schon jeden Tag darauf, dass irgendein Linker plötzlich wieder als Stasi-Mitarbeiter “enttarnt” wird. Die Zeit wird langsam knapp!
Warum die SPD auf Bundesebene auf keinen Fall mit der Linken zusammengehen will ist mir heute bei einem Steinmeier Interview wieder richtig deutlich geworden: Sie hätte dann keinerlei Ausflüchte mehr, warum es denn mit den Mindestlöhnen oder höheren Abgaben für Reiche, oder dem Ausstieg aus der Atomwirtschaft nichts wird. Mit der CDU klappt das prima.
September 15th, 2009 at 23:01
[...] wendet sich gegen die Verteufelung der Linken und nennt sie als einzige Partei „außenpolitisch [...]
September 15th, 2009 at 23:43
Was ist links? “Einhändig gilt nicht.” (Günter Eich)
September 16th, 2009 at 02:53
Deutliche Worte. Dass die Linke “äußerst mittelmäßig und inkonsequent” sein soll, leuchtet mir aber nicht ein, jedenfalls nicht in dieser Schärfe.
Vielleicht fällt es dort noch mehr auf, weil die Basis (zumindest die kommunistische) nicht völlig auf den Mund gefallen ist.
September 16th, 2009 at 08:11
Ich bin mit Sicherheit kein Anhänger der Linken, aber es scheint die einzige Partei zu sein, die konsequent auf der Seite des “kleinen Mannes” steht und das macht sie gefährlich für zum Beispiel eine ehemalige Volkspartei wie die SPD. Die CDU muss auch sehr vorsichtig sein, wenn es um die Stasi-Vergangenheit geht, die haben nämlich in den 40ern sehr vielen Nazis zu Machtpositionen in der BRD verholfen. … und wer hat im LKA Sachsen-Anhalt die ganzen ehemaligen hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter untergebracht?
Wie sich Leute vor einen Karren spannen lassen, im Kampf gegen ihre eigenen Vertreter sieht man in den USA. Da gehen tausende kleine Leute auf die Strasse und demonstrieren gegen Krankenversicherung für alle, weil die Republikaner es geschafft haben, ihnen einzureden, da sei der böse Kommunismus wieder im Anmarsch. Pervers!
September 16th, 2009 at 09:13
Du schreibst: „Die Wirklichkeit muss mit vereinten Kräften derart verschüttet und vertuscht werden, dass schon die Frage nach Problemen als ketzerisch gilt.“
Kommt mir bekannt vor, dieses Wirklichkeit verschütten. Kommt mir sehr bekannt vor in meinem für immer und ewig Neuen Land. Langsam zieht auch die Zeit herauf, die ich in einem meiner ersten Wortmeldungen hier im Blog angekündigt habe: die Zeit der täglichen Erfolgsmeldungen, die wie Honigschaum aus allen Schlagzeilen quellen.
Ich habe in der Endzeit miterlebt, wie ein beschränkter Machtmensch mit nichts als seinem Parteibuch und verantwortungslosen Mitläufern und Mittätern eine Wirtschaftseinheit von ca. 500 Menschen ohne jede Regung dem umfassenden Desaster zuführte. Ein Mosaikstein aus dem Bild des Ganzen. Wer hier eine Parallele ahnt oder sieht: Augen zu, sofort; das Beschriebene ist historisch.
Im historischen Zeitmaß liegt es etwa soweit zurück, wie in der Gegenwart ein Radprofi bei der Abfahrt braucht, um über seinen gestürzten Vordermann hinweg ins dauernde Koma zu fliegen. Überholen ohne Einzuholen? Nein, ich will die DDR mit ihrem unglaublichen Ideenmissbrauch nicht wiederhaben. Sie aber vielleicht mich?
September 16th, 2009 at 17:42
[...] Feindwahlkampf “Das Volk gegen links” ist das Motto, seit 1949. Sechzig Jahre dumpfer Antikommunismus, ursprünglich von den Altnazis in der CDU angeführt, heute Einheitsstrategie von “Mitte” bis rechtsradikal. [...]
September 16th, 2009 at 18:28
[...] demokratischen Parteien“ (und insbesondere deren engagiertes Jungvolk!) nur zu gut, wo der gemeinsame Feind lauert! Und auch die „Alternativen“ – einschließlich der drohenden [...]
September 16th, 2009 at 22:33
Hervorragend! Stellenweise blieb mir ob der Dichte und Klarheit der Beschreibung die Luft weg! Chapeau!!
Und wie kommt es, das wir hier im Netz Fragen stellen und niemand hört’s? Sind wir wirklich nur ein kleiner Kreis esoterischer Spinner? Wieso kann man uns erfolgreich ignorieren (stellvertretend für alle anderen, die auch Fragen stellen)?
Wie kommt’s, dass der Popanz “Kommunismus, Sozialismus usw.” immer noch wirkt? Okay, die Sozen ham’s versaut, aber: Iss dat wirklich alles?
Hängt’s nich auch an der “geistig moralischen Wende” seit ’82? Ich meine: JA!! (“panem et circenses”), der Dicke hat der Bevölkerung so nachhaltig ins Hirn geschissen, davon erholen wir uns in tausend Jahren nich!
Ist die breite Bevölkerung wirklich so Banane? Ich meine: JA!! (Tschuldigung, aber das meine ich wirklich!)
Wenn ein Land diese Entwicklung nimmt, wie die BRD sie genommen hat, muss man (leider) konstatieren: Dat iss so in Ordnung (denn: siehe oben)! Nach dem 27.09. geht’s weiter so … weil die Wähler das so wollen!!*kotzwürg*
Ohne Grüße
Vogel
September 17th, 2009 at 05:19
Abgeordnete bespitzelt
Was sind eigentlich die Steigerungsformen von dreist und absurd?
September 17th, 2009 at 08:49
@Frank F.:
“schäublerisch” und “ursulisch”? ;-)
September 17th, 2009 at 10:45
lol :D
September 17th, 2009 at 12:14
@ Flying Circus
:))
Übrigens hat in der hiesigen Geschichte so eine künstlich hochgezüchtete Phobie & Paranoia vor alles links Angehauchte schon mal zu “aller schärfste Maßnahmen” geführt.
Interessant finde ich dabei auch: Jenen “Maßnahmen” waren dann (nur wenig zeitversetzt) selbst die einst so opportunistischen Sozialdemokraten zum Opfer gefallen…
September 20th, 2009 at 17:48
[...] Feindwahlkampf wahre Worte vom Feynsinn erzähl es weiter: [...]