Die Landmine der Demokratie
Posted by flatter under JournalismusKommentare deaktiviert
12. Sep 2009 0:15
Man kann nicht oft genug daran erinnern, daß Rudolf Augstein seinen “Spiegel” einstmals das “Sturmgeschütz der Demokratie” nannte – und das mit allem Recht. Er selbst hat den Gang ins Gefängnis angetreten, weil er sich mit den selbsternannten Herren der Bundesrepublik angelegt hat. Er hat nicht nur Recht behalten, er hat es maßgeblich erfochten, kultiviert und verteidigt.
Einen Titel wie den altuellen hätte er wohl seinen Redakteuren einzeln ins Gesicht gestopft und ihnen ohne einen Schluck Wasser zu fressen gegeben. Nicht, daß Augstein ein Linker war, aber er war ein Demokrat, der auch für Andersdenkende focht. Er ließ denken und argumentieren, er stritt für seine Überzeugung, verpackte sie aber nicht in religiöse Formeln und Ikonen. Er hätte nicht einen verkappten Wahlkampf auf Springer-Niveau geführt und das als seine Vorstellung von “Journalismus” verkauft.
Die Zeit nach Erich Böhme war und ist die eines rasanten Verfalls, der aus einer Säule der Meinungsfreiheit ein billiges Instrument der Propaganda gemacht hat. Wenn in der aktuellen Ausgabe die dumpfe Parole des “Linksrutschs” kultiviert wird, die Verwüstungen des Neoliberalismus als “Sozialdemokratie” zurechtgelogen wird, von der es “links” folgerichtig nur “Radikale” gibt, ist der “Spiegel” auf einem Tiefpunkt angelangt, der ihn schlicht überflüssig macht.
Das Geschäft des Marktfundemantalismus besorgen andere längst überzeugender. “Demokratie” ist in dieser Ideologie ein festgelegter Pfad, dessen Verlassen mit brutalst möglicher Gegenaufklärung bestraft wird. Andere Ideen, schon der Hauch echter Opposition wird mit infernalischem Trommeln und Pfeifen beantwortet. Wenn sich zaghaft abzeichnet, daß die große Einheitsmeinung der Eliten und ihrer Journaille von Wählern mit Abwanderung quittiert wird, zeigt die Re(d)aktion die Zähne. Die Meute der Gebissträger kann zwar nicht mehr wirklich beißen, aber zu viele korrupte Hunde sind noch immer des Hasen Tod. Die Zahnlosen rufen zum letzten Gefecht. Noch einmal treiben sie ihre Elefanten über die Alpen, ohne zu ahnen, in welcher Tragödie sie ihre armselige Rolle spielen.
September 12th, 2009 at 00:44
[...] Quelle: Feynsinn [...]
September 12th, 2009 at 01:00
Wohl war, wohl war.
(Nicht das es etwas neues waere)
Weggeschmissen habe ich mich aber, als ich gesehen habe, dass sie in der Anstalt jetzt die spiegelsche Linkssonne hinter ihrer Marx-Bueste aufgehaengt haben.
So schoen warm und hoffnungsvoll, da kann man es schon aushalten, waerend man wartet, dass der prophezeite Linksrutsch wirklich kommt.
September 12th, 2009 at 01:01
danke flatter, feynsinn ist für mich zu einer unverzichtbaren nachtlektüre geworden, die ich nicht missen möchte. weisst du was mich immer wieder so tiereisch nervt. sobald auch harmolse tagebuchschreiberinnen wir ich, nur ein wenig aus den inhalten der linken zitiert, wird mir das sofort als wahlkampf ausgelegt. dabei geht es mir lediglich um die inhalte und darum, auch diese hin und wieder mal zu thematisieren. es tut ja sonst keiner. diese inhalte sind tatsächlich nicht nur schwachsinnig, sie sind mitunter sogar sehr feynsinnig um nicht zu sagen progressiv, und auch wenn man von dieser partei halten mag was mal will, so lohnt es sich doch, wenigstens ein wenig über die inhalte informiert zu sein. ich lese nämlich täglich, nicht nur im mainstream, sondern auch in der blogosphäre den größten bullshit über die angeblichen inhalte, die mit denselben aber auch gor nischt zu tun haben. klar habe ich mich offen dazu bekannt, die linke zu wählen, dazu stehe ich. auch wenn ich der LiPa nicht blind vertraue. Kein Arsch redet über Stiglitz, redet mehr über Frieden und abrüstung, kein mensch redet über eine globale und nationale Wirtschafts-und Finanzreform, alle reden nur vom resignieren, träumen oder aber vom weiter machen wie bisher. irgendwo müssen wir doch mal konret werden und erste schritte wagen. auch wenn diese schritte uns nicht direkt ins gewünschte ziel führen, so wäre der richtungswechsel, hin zu diesem erwünschten ziel doch wirklich mehr als notwendig. es wird natürlich keine partei für uns diese schritte gehen, wenn wir sie nicht selbst gehen.wenn wir nicht selbst die richtung mitbestimmen.
ps sorry wegen der kleinschreibung, bin gerade einfach etwas müde in de finger…
ts nächle allahseits
September 12th, 2009 at 01:59
Lieber “flatter”, grundsätzlich hast Du ja recht ;-) Dennoch verorte ich persönlich den beginnenden Verfall des Spiegels bereits in den ausgehenden Siebzigern und frühen Achtzigern, wenn ich das heute so rekapituliere. Damals bereits wurde er “boulevardesk” und “irgendwie Mainstream”, was mir in der Rückschau immer deutlicher scheint. Ab Anfang der Neunziger fand ich ihn ziemlich unerträglich und (natürlich auf einer etwas anspruchsvolleren Ebene) in der Nachfolge von Springer, weshalb ich damals mit ein paar Freunden ein kleines Printprojekt namens “Spiegelfechter” andachte … ;-)
Trotzdem müssen die meisten von uns wohl ein wenig zurückrudern, denn wir nutzen Spiegel und SPON immer noch als “Quellen” und wir betreiben, selbst indem wir ihn kritisieren, doch “das Geschäft des Gegners”. Strategisch klüger wäre es doch wohl, ein Medium, das seine Aufgabe und seine Glaubwürdigkeit verloren hat, mit Ignoranz zu belohnen.
Gute Nacht
Frank Benedikt
September 12th, 2009 at 02:13
Ich find das Cover auch sehr schön. Das Bild stammt aber nicht von den Artdesignern des Spiegel, sondern wurde aus der Parteizentrale der Piraten gestohlen. Deshalb ist es ja auch orange und nicht rot. Der Schwindel ist aber leicht zu durchschauen, denn die Piraten haben in weiser Voraussicht ein Uboot mit abgebildet. Unter der Wasseroberfläche, versteht sich.
September 12th, 2009 at 08:13
Was den SPIEGEL anlangt, müssen wir leider nich diskutieren *seufz*, aber unter den angebotenen Blättern isser noch unter den 10 Besten. Oder?
Zum Titelblatt fiel mir ein:
Sind die Japaner wieder auf dem Kriegspfad?
Sind die Japaner rot?
Droht jetzt die gelbe (nich rote!) Gefahr?
Mit einem Wort: Da steckt ‘n Denkfehler im Bild.
Beste Grüße
September 12th, 2009 at 09:45
Mich hat ja schon in den 70′ern meine Deutsch-Lehrerin vor dem Spiegel gewarnt: “Keine eigene Meinung mehr nötig, Spiegel liefert sie frei Haus und umfassend!” Trotzdem gibt es enorme Qualitätsunterschiede seit damals, das ist klar.
Was mir am meisten aufgefallen ist. Es gab damals immer herrlich intime Berichte über Kabinett-Sitzungen, geheime Besprechungen und geschlossene Konferenzen, die eigentlich nur stimmen konnten, wenn der Spiegel einen Redakteur direkt unterm Tisch sitzen hatte. Da wurde von schwitzenden Händen, Erröten und “feindseligen Blicken” berichtet und natürlich im Detail davon, was wer zum wem gesagt hat, so dass man sich immer wunderte, warum niemand solch intimen Schilderungen widersprochen hat und wie der Redakteur überhaupt davon erfahren konnte. Ohne Maulwürfe unter den Teilnehmer war diese Art von Berichterstattung zur höchsten Erquickung des Lesers aber ohne juristisches Risiko bestimmt nicht möglich.
Diese Zeiten der detaillierten bis intimen Recherchen auf der Basis vertrauensvoller Kontakte in höchste Regierungskreise sind wohl vorbei. Der Spiegel kommt nur noch bis zum PR-Berater des jeweiligen Kabinett-Mitglieds. Das Ergebnis ist dann die heute übliche Belästigung des Lesers mit sämigem Meinungsjournalismus. Jeden Tag fünf Kommentare, gerne auch völlig gegensätzlich, keinerlei ernstzunehmende fundierte Analysen mehr und als Nachricht der leicht abgewandelte Tickertext der Agentur. Cheeseburger-Journalismus mit Tendenz-Meinungssoße halt!
September 12th, 2009 at 11:00
@glubsch
Wusste ich zwar nicht, passt aber sehr gut zum Niveau der Abiturienten-Bild.
Fehlt nur noch die regelmaessige “Anatomie-Beilage”.
September 12th, 2009 at 11:08
ich finde, dass der niedergang des spiegels sehr schön den niedergang der demokratischen kultur in diesem land von 70 bis heute widerspiegelt. passt.
September 12th, 2009 at 12:28
es gibt zum rechten plakat der CDU eine vorlage, das heißt ein plakat, das dem der CDU zum verwechseln ähnlich sieht, aber schon von den nazis verwendet wurde. ich konnte es bisher im netz noch nicht finden. ich erinnere jedoch eine in den 60er jahren von der bundeszentrale für politische bildung herausgegebene mappe mit plakaten, in der sowohl das NSDAP- als auch das CDU-Plakat enthalten waren.
was ich auch nicht finden konnte, ist eine bilderserie auf http://www.fotocommunity.de, eine serie, in der diese art von strahlen im zusammenhang einer landschaft – ganz unpolitisch – verwendet wurden. das spiegel-titel-bild ist also in mehrfacher hinsicht ein plagiat. und ein symptom seiner moralischen verwahrlosung, die darin besteht, alles als links, rot und gefährlich zu diffamieren, was nur ein wenig in richtung humanität vom neoliberalen mainstream abweicht.
September 12th, 2009 at 12:56
hier noch ein paar nette bildchen
2 alte FDP Wahlplakate:
https://www.dhm.de/~roehrig/ws9596/texte/kk/dhm/pics/b146.jpg
https://www.dhm.de/~roehrig/ws9596/texte/kk/dhm/pics/b171.jpg
link
https://www.dhm.de/~roehrig/ws9596/texte/kk/dhm/bsp.html
der link wurde von He Ka Te hier auf duckhome gepostet
September 12th, 2009 at 17:27
lieber flatter
hatte heute um die mittagszeit hier ein paar links zu weiteren netten bildchen gepostet, der kommentar scheint in deinem späm zu hängen? just 2 let u no und so…
September 12th, 2009 at 18:30
done.
September 12th, 2009 at 19:13
@Goldener Reiter
Ich wusste es auch nicht, aber da du es jetzt weißt, werde ich es dir glauben :-)
September 12th, 2009 at 20:30
So, wie ich das jetzt lese und auch verarbeite, muß man wohl um beim “Spiegel” eine Festanstellung zu erhalten, gar nichts mehr mitbringen, höchstens vielleicht den Nachweis, daß man regelmäßig RTL 2 guckt.
Also nur noch kastrierte Schwachköpfe in die Redaktion? McDonalds in der Pressewüste?
Du sagst:
“Wenn in der aktuellen Ausgabe die dumpfe Parole des “Linksrutschs” kultiviert wird, die Verwüstungen des Neoliberalismus als “Sozialdemokratie” zurechtgelogen wird, von der es “links” folgerichtig nur “Radikale” gibt, ist der “Spiegel” auf einem Tiefpunkt angelangt, der ihn schlicht überflüssig macht.”
Naja, nicht ganz richtig, aber für das “Interesse und die Vermittlung desselben” ist der Spiegel gewiss nicht überflüssig, schließlich werden diese kadavergehorsamen Schreiberlinge ja ganz gut alimentiert.
p. s. Wir brauchen keine Reaktion, die hammer schon!
Sonst OK, carlo sagt claro
September 13th, 2009 at 12:42
Ich frage mich oft, wie groß der Anteil der kritisch denkenden Menschen in unserem Land wohl ist. Man findet sie in Blogs wie diesem, aber es scheinen so wenig zu sein, dass man die Hoffnung fast ein wenig verliert. Vor allem angesichts der vielen B*ld-Leser. Und die, die sich für etwas besseres halten, lesen Spiegel, ohne auch nur zu ahnen, dass es sich dabei um den selben Müll handelt, der nur etwas anders verpackt ist. Ist Deutschland dumm?
September 13th, 2009 at 14:03
@Klaus Baum #10
Ich erinnere mich auch ganz genau an diese Gegenüberstellung der beiden Plakate (“Alle Wege..”). Macht mich ganz kirre, weil ich eigentlich den Eindruck habe, dass sich sie im Spiegel, höhö, oder Pardon gesehen habe.
Hast du was gefunden?
September 13th, 2009 at 22:48
ich wuerd auch gern was sagen, kann aber nicht, weils mich immer noch schuettelt, ob des neoliberalen gipfeltreffen auf allen sendern parallel. ich geh jetzt und wein mich in den schlaf! n8!
September 13th, 2009 at 23:41
@HAL: ich habe unter allen denkbaren stichworten gegoogelt, auch in englisch. ergebnis: Null.
September 14th, 2009 at 09:53
Nuja, man sieht, das es – in jeder Beziehung – vom Spiegel nur noch ein winziges Stückchen bis hin zu Hugo Müller-Voggs “Volksrepublik Deutschland” ist.
Womit zum Niveau dieses Blättchens wohl alles gesagt ist.
September 16th, 2009 at 18:29
[...] Grundordnung weder jemals zu erreichen gewesen noch aufrechtzuerhalten, wenn es da nicht wahre „Sturmgeschütze der Demokratie“ gäbe, die sich Medien nennen. – Doch all das kann nicht unbedingt den Erfolg erklären, [...]
September 20th, 2009 at 12:48
Ich würde das Ganze noch etwas konkretisieren: es kann durchaus sein, daß die Artikel zum Titel nach wie vor demokratisch geprägt sind. D.h., daß lediglich der Titel reißerisch ist.
Und genau das ist das Problem:
welche Grenzen werden überschritten, wenn man demokratische Inhalte mit Methoden der Boulevard-Presse (also undemokratischen Methoden) präsentiert? Welche Art von Leserschaft soll sich denn hiervon angesprochen fühlen?
Das kann auf Dauer nicht gutgehen.
Der Aufhänger ist nicht marginalisierbar. Überschriften sollen nicht nur anlocken, sie sollen auch eine Essenz des Inhaltes darstellen. Wenn da ein Bruch besteht, wirkt sich das irgendwann auf die Essenz aus. Glaube ich jedenfalls.
September 20th, 2009 at 22:22
Naja, das kann man nur noch mir Humor ertragen…
ich hab da mal was gebastelt. Hat zwar nicht exakt mit dem Spiegel, aber dann doch mit der Wahl zu tun. Genauer: mit der yeaahh-Aktion bei Flashmob.
zu hören unter http://www.myspace.com/itsmeborna
ansonsten der Hintergrund zu sehen bei youtube, einfach Merkel und yeaahh eingeben.
Grüße und so…