Bösartig formuliert, könnte man sagen, das Bundesverfassungsgericht sei eine der entscheidenden Instanzen der Gesetzesfindung, zumindest seit Angela Merkel regiert. Was sie an verfassungswidrigem Plunder von ihrem Vorgänger Schröder übernehmen konnte, hat sie seitdem mit Zähnen und Klauen verteidigt, was sie selbst noch hat zerstören können am Grundgesetz oder auch schlicht ignorieren, hat sie mit großer Freude vorangetrieben. Die Hartz-Gesetze und die Regelsätze, der ESM, das Wahlrecht, die Vorratsdatenspeicherung, der Marineeinsatz in Somalia, Tornados in Afghanistan, die Videoüberwachung privater Wohnungen, die Pläne zum “Nationalen Sicherheitsrat”, die Liste ist lang. Merke: Am besten lässt es sich ohne Grundgesetz unter dem Arm regieren.

Ja, wäre da nicht dieses lästige Gericht, diese Spaßbremsen in ihren roten Roben, die einem weder Putsch noch Schlamperei durchgehen lassen. Die Übergänge zwischen beidem sind fließend, so weiß man auch bei der sogenannten Reform des Wahlrechts, die übrigens in verfassungswidriger Weise überfällig ist, nicht, wem das dienen soll. Genau wie bei HartzIV stellen sich die Juristen und Parlamentarier einfach mal doof, beschließen den schon abgewatschten Unsinn in neuer Formulierung noch einmal und rennen damit mutig vor dieselbe Wand. Ceterum censeo: Ich bin für ein”Three Strikes”-Modell. Wer dreimal in Karlsruhe scheitert, ist abgesetzt. Oder wozu ist das Grundgesetz sonst da?

Entspannt drüber weg regieren

Diese Frage stellen die Schweizer sich übrigens nicht mehr. Die Eidgenossen sind recht entspannt und lassen einfach das Geld regieren. Wenn sie einen fähigen (Acker)Mann übrig haben, schicken sie ihn gen Norden und lassen ihn dort regieren. Von ihm dürfte die Bleiernde einiges gelernt haben. Kennt jemand einen Schweizer Politiker? Von Blocher hat man gehört, der hat sich mit seinen rassistischen Wahlkämpfen hervorgetan, in denen er Millionen dafür begeistern konnte, die drei Minarette in der Schweiz zu verbieten. Aber sonst? Irgend einen? Regierungschef, Repräsentant, so etwas? Nein? Das liegt vielleicht daran, dass das System dort völlig undurchschaubar ist und den Leuten selbst offenbar schnurz. Solange ihnen keiner Moscheen in die Vorgärten baut.

Und diese tapferen Teilzeitdemokraten haben jetzt Bahnbrechendes geleistet: Sie beschlossen, dass Gesetze, die gegen ihre Verfassung verstoßen, weiterhin von den Gerichten umgesetzt werden müssen. Ein Verfassungsgericht kommt ihnen nicht ins Haus. Kein langes Lamentieren, ob das Rechtssystem noch irgend einen Sinn ergibt oder ein Paragraph dem nächsten widerspricht. Nein, die Gesetze des Staates in Einklang zu halten auf dem Boden der Verfassung, das wäre ein “Richterstaat”, meinen die Jura-Alpinisten.

“Verfassung? Haben wir! Aber die brauchen wir nicht. Die liegt dauernd im Weg herum, dann muss man darum herum laufen, drüber klettern oder drunter durch schlüpfen. Das ist viel zu anstrengend”. Mit dieser Haltung sind sie ganz nahe bei Merkels, nur in der Konsequenz sind sie konsequenter. Im Zweifel einfach nicht ignorieren! Dass die anderen Gerichte dennoch und vermutlich umso gnadenloser die losgelassene Willkür des Gesetzgebers vollstrecken werden, macht die Ermächtigung erst richtig rund. Was wären wir für Deutsche, nähmen wir uns daran nicht ein höchst motivierendes Beispiel?