Ich kann es schon lange nicht mehr hören und schweige meist dazu, weil man sich ja zwangsläufig gewöhnen muss an das Geplapper der Kuhjournalisten, aber dieses Blabla von den “Reformern” oder “Realos” gegenüber den “Fundamentalisten” ist unterste Schublade. Die Einteilung Fundis/Realos geht auf die Medienkampagne eines Teils der Grünen gegen den Rest der Partei zurück, das ist historisch verbrieft. Aber jegliches Geschichtsbewusstsein ist in den Redaktionsstuben ja verpönt, da weht allenfalls der Geist von Guido Knopp.
Journaillistischer Zwiesprech
Schlimmer aber noch das Wort “Reformer”, stülpt es doch den neoliberalen Zwiesprech auch der Linken noch über, wobei es gleichzeitig der einfachsten Nachfrage nicht standhält. Was zur Hölle reformiert er denn, der Herr Bartsch? Oder unterstellen die ihn so nennen ihm, er sei desselben Geistes wie sogenannte “Reformen” bei Steuern, Gesundheitssystem und Arbeitslosenbehandlung? Obwohl ich ihn persönlich für eine Fehlbesetzung seiner selbst halte, hat es Dietmar Bartsch nicht verdient, als einer von euch dargestellt zu werden.
Sonst reformiert er leider nichts, vor allem nicht die Partei, deren Bundesgeschäftsführer er war. Es sei denn, das Aufreißen von Gräben und entfachen von Kleinkriegen gälte schon als Reform. Schließlich könnte man ggf. noch auf die Idee kommen, Bartsch wolle die Gesellschaft reformieren und andere einen Umsturz. Dies wiederum entspricht dann zwar der Wahrnehmung jener Schreiberlinge, die sich für die “Mitte” halten, dann aber auch einer völligen Ahnungslosigkeit von den Problemen linker Politik. Am Ende ist aber völlig klar: Bartsch gut, Lafontaine böse. Schön, dass wir drüber geredet haben.
So geht Partei
Wo wir gerade bei der Linken sind: Was sie selbst anbetrifft, so hat Gregor Gysi die Probleme vollständig benannt und angemessen illustriert (siehe Video). Ich weiß sehr genau, was er meint, wenn er von westdeutschen Linken spricht und ihrer Arroganz (gegenüber einer Volkspartei im Osten). Die Hoffnung, dass die jemals so erwachsen werden, sich kultiviert zu streiten, habe ich leider nicht. Man kann sich streiten, kämpfen, auch böse Grätschen ansetzen, wenn man sich nachher einigt und so viel demokratischen Geist belegt, dass man sich der Mehrheit beugt. Nur so geht Partei, und nur so geht eine organisierte Gemeinschaft. Wer das nicht haben will, soll austreten, Punkt.
Und genau so, nur so kann jede Parteiführung nach innen und außen repräsentieren: Wir sind uns nicht einig, aber wir einigen uns. Wir streiten, aber das gehört zur Entscheidungsfindung. Wir entscheiden gemeinsam und tragen gemeinsam. Das hat nichts mit einer Fraktionsdisziplin zu tun, die einem von korrupten Funktionären auferlegt wird; es ist die Disziplin, die sich die Mitglieder, Delegierten und Abgeordneten auferlegen. So geht Partei. Nichts für mich, glaube ich, aber darum bin ich auch kein Mitglied. Sollte ich aber jemals eines werden, dann bin ich auch eines. Und wenn die anderen anders entscheiden, dann halte ich irgendwann einfach mal die Fresse anstatt in die nächste Talkshow zu dackeln.
Juni 4th, 2012 at 19:25
Volle Zustimmung!
Gregor Gysi hat die Probleme auf den Punkt gebracht. Die Rede ist noch nicht ganz verteilt, streitet man sich an anderen Orten schon gleich wieder über m.E. sinnlose Details bzw. Begrifflichkeiten … die man herausfischen könnte, aus denen man meint, etwas machen zu müssen.
Befürchte, seine Botschaft fällt dabei glatt wieder hinten runter …
Gruss
Rosi
Juni 4th, 2012 at 20:29
“Obwohl ich ihn persönlich für eine Fehlbesetzung seiner selbst halte, hat es Dietmar Bartsch nicht verdient, als einer von euch dargestellt zu werden.”
Der Satz der Sätze. *lol*
Juni 4th, 2012 at 20:57
„Aus Protest gegen die Wahl des Gewerkschafters Bernd Riexinger zum Co-Parteivorsitzenden trat der baden-württembergische Kreisvorstand Zollernalb zurück.“
Hat bestimmt Bartsch eingefädelt!
Jens Berger und Albrecht Müller werden es mit Ihrem Verständnis vom ultimativen investigativen Journalismus offen legen.
Juni 4th, 2012 at 22:18
Guter Beitrag. Gefällt mir. Weitermachen!
Juni 4th, 2012 at 23:22
Gefunden:
dann bin auch eines
Juni 5th, 2012 at 05:41
@2, Vogel: >Der Satz der Sätze. *lol*<
Das mit der Fehlbesetzung grenzt an Kleinstkunst…auch wegen sowas sehe ich hier immer wieder mal gern rein.
Und, gut geflattert.
Juni 5th, 2012 at 15:25
Kein Linksruck bei der Linken
Guter Kommentar.
Juni 5th, 2012 at 19:13
Fast würde ich sagen, die Parteien kann man alle vergessen, sind alle im Fokus.. ein falsches Wort und du bist Nazikommunist oder grasser Antisemit oder lockst kleine Kinder in dein Lebkuchenhaus… hoffnungsloser Fall..
Das ist doch alles wie mit einem stumpfen Fischmesser einen Mammutbaum zu fällen -,-
Von dieser Links-Rechts-Mitte-Denke halt ich auch immer weniger was
Die Option Stimmzettel ungültig machen oder Spaßpartei wird mir mehr und mehr sympathisch
Juni 5th, 2012 at 19:44
Juni 5th, 2012 at 19:59
R@iner (9)
Ganz deiner Meinung ..
Juni 10th, 2012 at 23:08
Soso. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie der Piratenpartei genüsslich in diesem Blog Konzept- sowie Orientierungslosigkeit usw. vorgeworfen worden ist.
Irgendwie sehen die Verhältnisse bei der Linken nicht weniger dramatisch aus.
Mich persönlich enttäuscht das, weil ich früher die Linke gewählt habe und dies für längere Zeit sicherlich nicht mehr tun werde.
Das Problem der Parteien des linken Spektrums scheint es zu sein, dass sich alle nur dabei einig sind, dass der konservative Neoliberalismus unmenschlich ist und ins Verderben führt.
In den meisten anderen Punkten trennen tiefe Gräben die politisch nach links orientierten Menschen. Insbesondere dann, wenn es darum geht Problemlösungen zu entwickeln.
Dies ist nicht nur in Deutschland so. Es gilt international: die Parteien des linken Spektrums sind in vielen Ländern untereinander zerstritten und oftmals liegen auch parteiinterne Richtungsstreitigkeiten vor.
Ich denke, dass dieses Phänomen der zersplitterten linksorientierten Parteienlandschaft eine umfassende Analyse wert wäre. Oder soll ständig die “Union” der Konservativen als lachende Dritte profitieren???