allewetterSo wie die Psychoanalyse als Philosophie und Denkmodell großartig, als Therapie aber eine Katastrophe ist, sind Marx’ Analysen des Kapitalismus geniale Wissenschaft, aber völlig untauglich zur politischen Auseinandersetzung. Ein belesener Marxist kann ein erfolgreicher Neoliberaler sein, weil er weiß, wie’s geht und nur in die andere Richtung marschiert. Die gängigen Glaubenskonflikte zwischen Hayek und Keynes durch Marx anzureichern, hebt zwar deren Niveau ganz beachtlich, es bleiben aber Debatten unter Klerikern. Die politische Meinungsbildung beeinflussen sie damit kaum.

Ich bin daher ganz und gar nicht der Ansicht, die offenbar Kollege Burks vertritt, man müsse immer dort Marx zitieren, wo der schon zuerst war, recht hatte und überhaupt als einziger den Durchblick. Keine Frage: Wer Volkswirtschaft studiert – auch jenseits der Akademien -, muss sich mit Marx befassen, sonst kann er es auch gleich lassen. Um aber zu verstehen, was der Kapitalismus mit der Welt anstellt, brauche ich Marx nicht. Um in die Lebenswelt der Opfer vorzudringen, kann ich Marx meist nicht gebrauchen.

Ich weiß nicht, was du bist, aber ich töte dich

Wenn mich ein Tiger anspringt, sehe ich zu, dass ich Land gewinne, so ich noch die Chance dazu habe. Oder ich bin zufällig im Besitz einer brutalen Waffe, die ich zu meiner Rettung einsetzen kann. Es hilft aber überhaupt nichts, wenn mir jegliche Einzelheiten von dessen Organismus bekannt sind. Es ist mir wurscht, wieviel Hunger er haben muss, um Menschen anzugreifen und wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass so etwas passiert, ob er Paarhufer oder Zehengänger ist. Ich weiß, dass ich nicht mit ihm spielen möchte, und das bringt mich auf einen Schlag ganz weit nach vorn gegenüber den klügsten Zoologen.

Womit wir bei den Stärken der Tagesschau sind: Die bedient virtuos beide Seiten der vermeintlichen Information: Das wohl-wissenschaftlich klingende Kauderwelsch, weihevolle Worte, die im Hirn des Rezipienten keinen Ankerplatz finden, und das Triviale, das jeder vermeintlich versteht. Daraus wird eine Melange gerührt, die das Gefühl der Informiertheit erzeugt. Analysen dazu gab es schon in den 70 er Jahren, seitdem hat sich daran aber nichts geändert.

Politische Marxisten ficht das alles nicht an. Sie haben gelesen und verstanden und glauben fortan, sie müssten agitieren. Dabei ist ihnen kein Argument abschreckend genug. Erst mal ein paar tausend Seiten Marx wälzen, dann dürft ihr auch mitreden. Mann, bin ich belesen, ey! Dabei ist Marx selbst unter Wissenschaftlern alles andere als unumstritten. Nur ein Hinweis: Was will ich mit einer Werttheorie, die schon am Phantasma der Äquivalenz scheitert? Es gibt keine zwei gleichen Dinge, schon gar nicht gleiche Leistung oder Arbeit. Jede Werttheorie setzt also auf einem Irrglauben auf. Schaut man sich andererseits an, wie real bewertet wird – seien es Produktpreise oder “Lohn”, so braucht man keine langen Ausführungen, um das Spiel zu durchschauen. Lohnarbeit ist Betrug. Furchtbar für treue Marxisten: Jede Lohnarbeit, nicht nur die kapitalistische.

Laber mich nicht voll

Womit wir schon wieder beinahe mittendrin sind in der Diskussion um und über Marx. Das ist jedesmal wie ein Crashkurs Meteorologie, wenn ich wissen will, ob es draußen regnet. Dann will ich keine Vorträge über Starkregen, Sprühregen und Niederschlagswahrscheinlichkeiten. Macht es mir einfach: Soll ich einen Schirm mitnehmen oder nicht? Auch die Antwort “Keine Ahnung” ist mir lieber als der Hinweis auf die dreißig Bände “Regen für Tiefdruckexperten”. Der Blick fürs Wesentliche ist entscheidend, wenn man wirklich kommunizieren will. Die Zuhörer filtern ohnehin eine Essenz heraus. Wer sie erreichen will, muss zusehen, worin die besteht und dass sie wenigstens ein Häppchen dessen mitnehmen, was man ihnen auftischt.

Unter Experten sieht das alles anders aus, aber um drittens einer zu werden, muss man zweitens motiviert sein und erstens interessiert. Dazu bedarf es eines Einblicks in die Welt der Belesenen, der nicht Ehrfurcht oder Abscheu, sondern Neugier erzeugt. Und da muss ich leider feststellen, dass die Marxisten, mit denen ich bislang diskutieren musste, die denkbar unfähigsten Diskutanten sind, die man sich backen kann. Ihr habt ein Problem, Jungs: Ihr habt immer recht und noch nie jemanden davon überzeugt. Es ist offensichtlich: Wer Marx sät, wird Hayek ernten. Eure Sekte treibt die Menschen in die Fänge eurer ärgsten Feinde. Wenn ihr sie in die richtige Richtung lenken wollt, müsst ihr Umwege finden, auf die sie sich von selbst begeben können. Versucht’s doch mal mit Platon, der ist wirklich sexy.