Nie schien es so sinnfrei wie heute. Es gab Wahlen. Immerhin kamen die Erbsenzähler auf ihre Kosten – nicht nur weil sie eh viel zu tun haben, sondern auch, weil sie jetzt zum Beispiel ganz schnell vergessen müssen, was sie jahrelang behauptet haben: Dass eine niedrige Wahlbeteiligung (auch) der Linken nütze. Die ist tatsächlich aus dem Rennen, weil die Piraten die chiceren Outlaws sind und nicht mit der Feindseligkeit der versammelten Medien kämpfen müssen.

Alles ist aber überall in Ordnung. Im Frankreich der zwei Optionen wird es also jetzt ein sogenannter “Sozialist”. Wieviel von seinen Versprechen er halten wird, werden Kenner der europäischen “Sozialdemokratie” ahnen. Die bleierne Kanzlerin hat sich ihm, dem sie zuvor nicht übel genug mitspielen konnte, bereits prophylaktisch an den Hals geworfen. Selbst ein Mühlrad wäre da wohl angenehmer. Die Nachricht aber ist klar: Du darfst auch ein Roter sein, wenn du tust, was meine Freunde sagen.

Zum Davonlaufen, aber wohin?

Ganz zum Davonlaufen ist das, was die Griechen vermutlich erleben werden. Weil immer noch eine schrumpelige Schicht von Gläubigen und selig Verwirrten ein Drittel ausmacht, suchen sich jetzt die alten Kraken ein Zusatzärmchen, um weiter ihre Vettern zu füttern. “Konservative” und Pseudosozialisten hoffen jetzt, zur Rettung des Kapitalismus – in einer seiner korruptesten Varianten – auf Möchtegernsozialisten.

Dass Wahlen nichts verändern, ist die Nachricht, aber es gibt noch eine Schlimmere: Weil nämlich das ganze Pack derer, die in Europa rote Fähnchen über ihren Parteizentralen flattern lassen, das letzte Bollwerk des Kapitalismus sind, sehen Wahlgäubige nur noch den Ausweg nach rechtsaußen. Man möchte die Logik der Wahlarithmetiker beleihen und zu der Aussage kommen: Wer Sozialdemokraten wählt, stärkt die Faschisten.

Beinahe unbegreiflich: Die wirklichen Sozialisten könnten abräumen wie nie, wären sie nur in der Lage, sich auf ihre Ziele zu besinnen. Damit meine ich nicht staatstragende Verräter, denen Karriere schon immer vor Menschlichkeit ging, die nur ein Stück abhaben wollen vom Glück der Schönen und Mächtigen. Ich meine diejenigen, die den Kapitalismus kritisieren, ihn ablehnen und andere Lösungen für die Zukunft der Menschheit haben als die Verwertungskette.

Wer wählt denn sowas?

Sie aber verlieren sich intern in Debatten über den richtigen Marxismus und nach außen in Koalitionen mit dem Kapital. Extremer sollten sie werden und weniger marxistisch. Sagen, was ist und sich dem Falschen verweigern. Vergesst das Geschwafel von der „Regierungsfähigkeit“. Sammelt eure Kräfte und lasst euch nicht korrumpieren. Ich erwarte von der Linken eine Suche nach Lösungen und kein tumbes Mitmachen, das ihnen nicht den geringsten Einfluss beschert.

Nur ein Kurs, der im wahrsten Sinne dagegen hält, kann nützen, denn sonst macht man sich abhängig vom Wohlwollen derer, die alles brauchen können, nur keine Linke. Die sich nicht schämen, ein Staccato der Propaganda zu spielen, um ihre geölten Büttel nach vorn zu bringen. Es gibt immer genug Dumme, denen man nur oft genug eintrichtern muss, dass da einer sympathisch ist, groß und wichtig. Das reicht völlig aus, und wenn er dann noch fesch daherkommt, ist er ‘unser Mann’.

So kreuzdämlich sind sie, dass sie sogar die FDP wählen. Weil Kubicki und Lindner häufiger in den Medien sind als die Kanzlerin und Günther Jauch zusammen. Weil die Taktik aufgeht, einen Tölpel wie Rösler von Parteifreunden anfeinden zu lassen, um selbst als große Nummern dazustehen. Weil sie nicht kapieren, dass produzierte Sympathie für einen Vorturner nichts an der Verkommenheit seines Vereins ändert. Wie muss es um einen Verstand bestellt sein, der auf eine solche Farce hereinfällt?