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Ich habe bei einigen Gelegenheiten verdeutlicht, worin das neoliberale Programm seit 1982 besteht und dabei die Hauptstrategien benannt:

- Niedrige Löhne
- Niedrige Kosten der Sozialabgaben für Arbeitgeber, Senkung der Lohnersatzleistungen
- Niedrige Steuern, insbesondere für Unternehmen
- Niedrige Staatsausgaben, “Konsolidierung” der öffentlichen Haushalte
- Deregulierung
- Privatisierung
- Bindung des Freiheitsbegriffs ans Privateigentum, Unantastbarkeit des letzteren
- Ausschließlich positive Kommunikation der wirtschaftlichen Lage.

Letzteres scheint dabei eine untergeordnete Rolle zu spielen, ist es doch keine unmittelbar ökonomische Strategie. Tatsächlich hat sich aber genau dies als eine der durchschlagendsten Veränderungen erwiesen, die uns eine beinahe gleichgeschaltete Presse und das Phänomen des aktuellen Neusprechs beschert hat.

Krisengerede von Minusmenschen

Der Zwangsoptimismus der Neoliberalen ist ungebrochen, sie gehen einfach über ihr Versagen hinweg und lassen die Öffentlichkeit mit der Macht ihrer Medien glauben, sie allein wären in der Lage, wirtschaftliche Zusammenhänge zu durchschauen und könnten prognostizieren, wie es weitergeht. Ihre Prognosen und Projektionen weisen dabei gern über Jahrzehnte in eine Zukunft, obwohl sie schon keine Ahnung haben, was nächste Woche auf uns zukommt. Ein schönes Fundstück der Jubelpresse möchte ich daher kurz mit dem konfrontieren, was tatsächlich geschah. Die Grafik oben zeigt die wirtschaftliche Entwicklung der Jahre 2004 – 2008. Ende 2007 begann der große Einbruch. Was wusste die Fachpresse Mitte 2007 davon? Fragen wir Henrik Müller vom “manager magazin”, der im Juli 2007 meinte:

Objektiv geht es der Bundesrepublik so gut wie seit vielen Jahren nicht mehr. [...]
Doch die Deutschen bleiben schwierig. Nach wie vor verharrt die große Mehrheit der Bürger im mentalen Krisenmodus. [...]
Die Deutschen sind immer noch die Minusmenschen Europas.[...]
Glücklicherweise teilt die Wirtschaftselite den Pessimismus der Mehrheit nicht (mehr).[...]
Gelingt es nicht, die deutsche Requiem-Atmosphäre zu überwinden, dann bleiben notwendige weitere Veränderungen schwierig. Denn wer eine schlechtere Zukunft erwartet, der klammert sich so lange wie möglich an das, was er hat.

Ja, so sind sie, die Besitzstandswahrer und Minusmenschen. Wollen partout nicht optimistisch sein und mitfeiern, wenn die Kapelle auf dem unsinkbaren Schiff zum Walzer ansetzt. Das ökonomische Großgenie Peer Steinbrück sprach damals übrigens auch noch von “Krisengerede”, bis er in das tiefe Glas geschaut hatte, das Joe Ackermann ihm hinhielt. Dort fand er dann den “Abgrund”.
Egal. “Vorwärts und alles vergessen” ist die Devise. Dagegen hilft wie immer nur erinnern.