Da der eine oder andere gerade damit droht, mein Opus mittelmagnus [58 Seiten .rtf] zu lesen, verlinke ich das noch einmal und hänge ein Häppchen an. Kein leichter Stoff, aber vielleicht etwas für einen verregneten Mai ;-)

dukindiÜberhaupt entsprechen entgegengesetzte Perspektiven den Strategien der Selbstsorge und der Fürsorge. In bezug auf Eigentum fußt die Etablierung der Selbstsorge unmittelbar auf Aneignung und den mit ihr verbundenen Perspektivenwechsel, der mit der historisch wohl kaum mehr zu verortenden Landnahme verbunden ist. Irgendwer kam irgendwann auf die Idee, sich Land anzueignen. Der Satz “Das gehört mir” ist für den modernen Menschen ebenso geläufig wie der Begriff “Grundstück”.

Darin liegt aber eine gehörige Portion Wahnsinn, wenn man sich vor Augen hält, dass das Selbstverständnis des Menschen als aus der Natur hervorgegangener darin besteht, Teil von etwas zu sein. Es erscheint mir gar noch heute plausibler, das Menschen ein Teil der Erde sind, der Einzelne ein Teil der Gesellschaft, der Familie etc., als dass die Welt in Teilen den Einzelnen gehören soll.

Diese Perspektiven sind obendrein unzugänglich füreinander, oder sie führen zu extremen Konsequenzen: Wenn die Welt Einzelnen gehört und zugleich Einzelne ein Teil der Welt sind, folgt daraus, dass Einzelne zum Eigentum anderer Einzelner werden. Insofern sind Landnahme und Sklaverei bzw. Versklavung ein und dasselbe. Historisch wurde diese Konsequenz durchaus auch gezogen. Die Abschaffung der Sklaverei wirkt daher verwirrend, weil ja nach wie vor Eigentum und Landbesitz die menschliche Realität bestimmen. Die vertraglichen Regelungen des Landbesitzes sind heute derart von der Verteidigung von Eigentumsansprüchen Einzelner geprägt, dass der Gedanke an kollektive Versorgung vollständig verschwindet.

Während, etwa in der EU, sogar territoriale Rechte der Staaten angeglichen und z.T. aufgegeben werden, sind die Flächen, der Boden, auf dem gelebt wird, ausverkauft. Wer nichts abbekommen hat, ist eben unfrei im Sinne des Eigentümerstandes. Keine staatliche oder gesellschaftliche Regelung nimmt in irgend einem Sinne Rücksicht auf eine gerechte Verteilung solcher Ressourcen.

Ein “Teilen” von Grundbesitz widerspricht nachgerade der Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Und weil das in den sozialistischen Staaten nicht funktioniert hat, wird durch den Überbau, sprich: das Geschwätz derjenigen, die Zugang zu den Massenmedien haben, so getan, als wäre eine auf kollektive Versorgung ausgerichtete Gesellschaftsorganisation gänzlich unmöglich. Wer sich nicht den Illusionen hingibt, weiß also, was er zu tun hat, um Teil zu haben: Er muss sich das Teil kaufen. Darauf zu hoffen, dass sich jemand um mich kümmert, wäre in dieser Welt Irrsinn.

Der Satz, der Tashunka Witko zugeschrieben wird: “Man verkauft nicht die Erde, auf der die Menschen wandeln”, ist so wahr, wie dass Eigentum ehrlich erworben wird. Die “Indianer” haben es versäumt, eine Fahne aufzustellen und Amerika zu umzäunen. Die Ideologie der kapitalistischen Gesellschaften ist schamlos, weil ihre Menschen schamlos sind. Ein Siedler in Nordamerika hatte schon keinerlei Bedenken mehr, ein Stück Land zu besetzen, es in sein Eigentum zu überführen und es mit Gewalt zu “verteidigen”. Er wusste es ja nicht besser. Solche Menschen sind nicht böse oder amoralisch. Nur hat ihnen nie jemand vermittelt, dass es eben eine andere Sicht auf die Welt gibt, als die, die Landschaften in Parzellen einteilt.

[2005]