Die Presse gegen Feynsinn, ein Einakter
Posted by flatter under HintergrundKommentare deaktiviert
29. Aug 2009 0:20
Trotz der allgemeinen Miesmacherei in Blogs und Linksmedien ist die Demokratie intakt. Diese Woche klären uns der Objektivtät verpflichtete professionelle Journalisten auf:
Beck mußte weg. Ypsilanti und Beck planten die Linksrepublik. Die SPD stand bei katastrophalen 26%.
Steinmeier kam, um die SPD wieder ins rechte Licht zu rücken.
Heute steht die SPD bei guten 23%. Merkel macht jetzt doch ein wenig Wahlkampf und stellt in Einklang mit der Sueddeutschen fest, daß die SPD Linksbündnisse suche. Steinmeier ist zwar auf dem richtigen Weg, Die SPD braucht aber einen, der nicht im Verdacht steht, einen Linksrutsch zuzulassen. Dann hätte sie noch mehr Erfolg.
Die Skandalisierung des Umstands, daß der Chef einer großen Privatbank in den Räumen der Regierungschefin seinen Geburtstag feiert, wird von der bürgerlichen Presse eingedämmt. Was der Boulevard dazu schreibt, darf hier nicht erwähnt werden, weil der Blogbetreiber es für seine Mission hält, diesen nicht zu zitieren. Andere Hetzblogger haben weniger Skrupel.
Aber auch die Rheinische Post steht unserer Kanzlerin bei. Die Interviewer fragen gleich eingangs, ob sie ihren Kaffee selbst bezahlen müßten. Das wäre nämlich dasselbe. Echter Journalismus zeichnet sich eben durch Respekt aus.
Merksatz der Woche:
Die private Nutzung eines Dienstwagens durch eine Ministerin ist ein Skandal. Die öffentliche Nutzung einer Kanzerlin durch einen privaten Bankier ist völlig normal.
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Der Blogbetreiber wirft ein, dies drohe ein grottenschlechter Artikel zu werden. Der Stil genüge nicht seinen Ansprüchen, die Ironie sei hölzern, der Inhalt mau. Er wolle ihn so nicht veröffentlichen.
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Das Problem der Blogger und der Linkspresse ist immer wieder ihr Hang zur Fundamentalkritik ohne jede Perspektive. Sie können uns kein positives Weltbild vermitteln und spielen sich dennoch als die besseren Demokraten auf. Sie weigern sich zu akzeptieren, daß es einer Führung bedarf, die auf unsere Unterstützung zählen kann. Sie geben vor, Gutes zu wollen und befördern doch nur die Anarchie.
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“Kommunismus”, wirft der Blogbetreiber ein, “wir wollen Kommunismus, Mauer, Stacheldraht, Stalinorgeln und Stromgitarren!” Er trinkt schon wieder Bier.
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Was soll man dazu sagen? Es richtet sich doch selbt. Immerhin gibt uns das die Gelegenheit, an dieser Stelle einmal aufs Deutlichste die hiesigen Verhältnisse zu beleuchten. Es fällt ihm kein Argument ein, keine konstruktive Mitarbeit, nicht einmal eine seiner ach so geschliffenen Formulierungen, mit denen er sonst seine Leser in seine finstere Ideolgie verstrickt.
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Er spuckt. Ich kann nicht erkennen, ob er lacht oder weint, aber er scheint einen hysterischen Anfall zu haben. “Ideologie!”, skandiert er, “ist klar, ich und Ideologie! Ich bin der KGB-Chef!” Gerade vollführt er einen Veitstanz, eine Art Stechschritt. “Wir sind die Moorsoldaten! Ich bin ein Bügeleisen, und ich lüge nicht.”
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Diese Szene muß der Nachwelt überliefert werden. Die Leser dieses infamen Webauftritts müssen erfahren, wes zerstörten Hirnes Auswürfe sie hier täglich zu lesen bekommen. Der “Publizieren”-Button liegt nur einen winzigen, wenn auch womöglich lebensgefährlichen Mausklick entfernt.
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Er deliriert. Öffnet das nächste Bier. “Ein Pils und eine Kippe, vom Kindergeld abgespart”, geifert er. “Ich habe den Sieg über mich selbst errungen. Ich liebe Josef Ackermann!”
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Er umarmt mich, küßt mich. Ich kann mich kaum bewegen. Vielleicht die letzte Gelegenheit. Ich werde jetzt die Maustaste drücken.
August 29th, 2009 at 08:34
Um diesen Stil kann man dich nur beneiden *tränenwegwisch*
August 29th, 2009 at 08:44
[...] hat eine so geile Schreibe, ich liebe es [...]
August 29th, 2009 at 08:44
“Das Problem der Blogger und der Linkspresse ist immer wieder ihr Hang zur Fundamentalkritik ohne jede Perspektive. Sie können uns kein positives Weltbild vermitteln.”
Und sie haben Recht. Die allgemeine soziale Liturgie führt nicht weiter. Sie ersetzt Argumentation durch Moral, Kritik durch Skandal. Ohne „Kompetenzzuwachs“ der Kritiker des Neoliberalismus sei die Kritik an diesem „nicht zu haben“, stellt auch Wolfgang Haug, der sozialistische Philosoph und der Mitbegründer der Zeitschrift Das Argument, fest. Deshalb:
Lässt uns denken! Für die Revolution reichte schon immer die Verzweiflung der Bevölkerungsmehrheit. Deshalb wird sie irgendwann kommen – sicher wie Amen in der Kirche. Wenn man in den historischen Dimensionen denkt, wird verblüfft, wie oft und einfach die Revolution entstehen. Aber wie sollte es weiter gehen?
August 29th, 2009 at 09:11
Andere Hetzblogger… jetzt weiß ich wenigstens, was ich bin. Linke sind eh immer Hetzer. Wer Wahrheiten anspricht, der hetzt; wer seinem Gewissen Worte gibt, ist ein Volksverhetzer; wer nicht mitschwimmt, ist ein Verbrecher. So schön hat mich noch niemand bezeichnet, ja, ich denke, dass war ein Liebesgeständnis von Seiten des Autors…
August 29th, 2009 at 09:25
Oops ………
Das Link (Hetzblogger) habe ich nicht verfolgt. Uns es führt in der Tat zu einem der besten linken Blogger. Dies wäre sehr erklärungsbedürftig. Weil feynsinn so gern gegen die Andersdenkende * * * * * (aus diplomatischen Gründen weggelassen), würde mich seine Stellungnahme sehr intressieren.
August 29th, 2009 at 10:23
Hmm … sorry, aber ich finden den nicht so gelungen. Das kannst Du besser.
Beste Grüße
Frank
August 29th, 2009 at 10:31
@ Roberto:
“wer seinem Gewissen Worte gibt …”. Ja! Gut gesagt, wenn man denn die entsprechenden Worte findet. Manchmal wird einem der Brustkasten zu eng, der Sprachschatz zu klein und der Mut zu gering, daß man all dies adäquat aussprechen kann.
Da freue ich mich dann über Deine “Artikelchen” und die Gedanken, die bei einem “unpolitischen” Menschen dahinterstecken ;-)
Gute Nacht bzw. Guten Morgen
Frank
August 29th, 2009 at 10:54
@ Frank Benedikt (5)
Ich bin mir nicht sicher, ob du ausgerechnet mich meinst und mit Roberto vergleichst. Aber vielleicht ist dies eine gute Gelegenheit etwas zu klären.
Ja, sogar in den Naturwissenschaften werden die Theorien kritisiert. Man nennt es aber nicht so. Man spricht von Anomalien und gescheiterten Experimenten. Die Naturwissenschaften meiden eine expressive Sprache. (Die „ticken“ völlig anders – sie unterordnen sich der Logik und vor allem den Tatsachen immer und bedingungslos.) Aber die Kritik bei den Naturwissenschaften (die eben nicht Kritik heißt) geht parallel mit neuen Entwürfen, die sogar kein Paradigmenwechsel von vornherein ausschließt.
Ja mea culpa – ich bin auch manchmal expressiv, und kritisiere die Kritiker, dass sie nur kritisieren. Sie sollen auch etwas Neues schaffen – will ich ihnen nahe legen. Da kann in der Tat der Eindruck entstehen, ich lehne die Kritik gänzlich ab. Nein!
Deshalb schätze ich sowohl feynsinn als auch Roberto. (Der letztere ist zugleich ein literarisches Phänomen – nicht weit von Nietzsche entfernt. Ist nur eine meine inkompetente Meinung.) Was ganz daneben liegt, wenn jetzt feynsinn – der nie etwas anderes als Kritik asugeübt hat – scharf aus einer Hinterhalt auf Roberto feuert. Roberto hat ihm wirklich gute Antwort gegeben:
Was soll das! Die linken und konservativen Blogger lügen, dass sich die Balken biegen. Und es soll hetze sein, wenn man derb gegen sie vorgeht? Unglaublich! Na ja – jeder hat schlechte Tage.
Ich will hoffen, dass sich die Geister bald beruhigen werden. Oder kann der Neoliberale mit divide et impera rechnen?
August 29th, 2009 at 11:35
@ Och Sch…
ES MUSS NATÜRLICH HEIßEN:
“Die liberalen und konservativen Blogger lügen …”
August 29th, 2009 at 11:40
Also ich hab Tränen gelacht, als ich den Text hier gestern als Nachtlektüre gelesen habe. Gibt eben sone und sone Hetzblogger und weder den einen noch den andren möchte man missen. Schon gar nicht in Zeiten,in den die Journallie, die so gerne das zeytliche segnen will, einen mit ihrem bourlevardistischen und narzisstischen Gesülze und Gesabbere um den letzten Schlaf bringt.
August 29th, 2009 at 11:48
@Roberto: Sicher, ich liebe doch … alle Menschen!
August 29th, 2009 at 11:57
Ähhh, – keine Ahnung was hier gemeint ist.
Es scheint uns allen langsam die Puste auszugehen sich auf eine Art auszudrücken das es auch der Rest vom “unbedarften” Publikum irgenwie mitverstehen kann.
Kenne ich selber. Ironie ausschließlich nur noch für Insider. Aber das Recht jeden bloggers. Ist nun mal keine Tageszeitung, sondern ein Tagebuch.
Aber für den Fall, das ich was falsch verstanden habe, hoffe ich nur das die Tagebücher sich nicht anfangen gegenseitig zu zerfleddern. Würde keinen Sinn machen, denn blogger sind nun mal keine Journalisten, und ein Anspruch für Literatur besteht auch nicht. Auch keiner für hochgeistige Ergüsse. Das ist ja der Witz bei einem blog. Wenn beim einen, oder anderen hier Dinge zusammenlaufen, ist das eine nette Sache, aber keine Berechtigung eine sinnvolle Einrichtung zu diskreditieren. Egal von wem.
August 29th, 2009 at 11:59
Ok, – vergesst das.
Manche Kommentare kommen während man den eigenen noch schreibt.
Grrr……
August 29th, 2009 at 15:12
… aber eines stimmt schon, insidergags. Könnten evtl. den einen oder anderen neuen Leser verwirren bzw. auf falsche Fährten locken. Andererseits: gibts überhaupt noch neue Leser? Oder schwimmen wir mittlerweile alle eh im eigenen Sud?
August 29th, 2009 at 17:11
@Franktireur
Eine verdammt berechtigte Frage. Betrifft mich auch selber. I.d.Regel schreibe ich selber indem ich Leute aus meinem direkten eigenen Umfeld im Kopf habe, was dazu führt das es von anderen manchmal nicht nachvollziehbar ist. Das ist wohl ein Problem was alle haben. Hat aber den Vorteil das Leute im direkten Leben involviert sind, welche tatsächlich auch nachlesen, – und auch neue Leser liefern. Leider auch echt lästige mails. Eine ausschließliche Konzentration auf eine Internetgemeinde birgt die Gefahr der Entfremdung vom Tresen mit sich ;-)
Aber eine Verhältnissmäßigkeit für alle ? Schwierig.
August 29th, 2009 at 17:16
[...] Merksatz der Woche Die private Nutzung eines Dienstwagens durch eine Ministerin ist ein Skandal. Die öffentliche Nutzung einer Kanzlerin durch einen privaten Bankier ist völlig normal. [Flatter] [...]
August 29th, 2009 at 17:30
Meine Fresse. Der war gut.
August 29th, 2009 at 20:30
@ Systemfrager, #8:
Nö, Du warst gar nicht gemeint, sondern feynsinn ;-) Ich fand den vorliegenden Text diesmal nicht so doll, weil er imo etwas zu unstrukturiert ist.
Und Dich und Roberto würde ich doch niemals miteinander vergleichen – das wär ja Äppel mit Birnen :-D
Was die Metakritik anbetrifft, gebe ich Dir im übrigen recht: es reicht nicht aus, nur zu kritisieren, wir müssen Lösungsansätze finden. Das, und genau das, sehe ich als das vordringliche Problem an.
Beste Grüße
Frank