Die SPD ist am Boden. Jeder weiß das, nur ihre Führung nicht. Ob sie noch einmal die Chance haben wird, sich zu erneuern, hängt vor allem davon ab, wie lange ihre neoliberalen Plünderer noch etwas zu sagen haben. Als “Volkspartei” ist sie auf absehbare Zeit erledigt.
Die CDU hat ein anderes Problem, wenngleich kein geringeres. Ihre “Politik” gefällt den großen Medienhäusern und den Wirtschaftsbossen. Nach der Agenda 2010 ist Nichtstun das beste, das den Neoliberalen passieren kann. Selbst nach ihrem Jahrhundertversagen wird der alte Kurs gehalten.
Gewinnen kann man freilich niemanden mit einer solchen Politik. Schon nicht, weil sie falsch ist und ins Elend führt, aber auch deshalb nicht, weil sie gegen die große Mehrheit gerichtet ist. Schließlich, das folgt daraus und aus der Tatsache, daß Politik nach diesem Verständnis gar nicht mehr stattfindet, gibt es keine Möglichkeit, irgendwen dafür zu begeistern.
Das “Weiter so” aber zieht nur wenige verwöhnte junge Leute an, die ihrerseits eher gelernt haben, Ansprüche zu stellen, als welche zu erfüllen. Schon lange ist die Basis der Unions-Wählerschaft daher der älteste Teil der Bevölkerung. Ergo sterben der Union die Wähler bald sprichwörtlich weg.
Die Tendenz ist schon sichtbar, nicht nur als Folge der Großen Koalition. Noch verteilen sich die meisten Stimmen auf Parteien, die bereits dem Bundestag angehören. Trotz aller heftigen Kampagnen ist die “Linke” deutlich gestärkt. Grüne und FDP fahren zumindest bei den Prognosen Traumwerte ein.
Bricht die Union erst einmal deutlich ein, ergibt sich eine Menge Raum für weitere Parteien. Ein zu großer Erfolg könnte der FDP gar eine Spaltung bescheren. Sie hat schon heute kein brauchbares Programm mehr, alles, was sie verspricht, ist bereits grandios gescheitert. Das Personal verbreitet so viel Begeisterung wie kalter Kaffee. Was bleibt, wenn der Neoliberalismus endgültig abgewickelt werden muß?
Eine rechtsliberale Partei mit starken nationalistischen Tendenzen hätte sicher auch in Deutschland gute Chancen. Ob sich eher linksliberale zwischen den Grünen und der real existierenden SPD auch noch etablieren könnten, wage ich zu bezweifeln.
Selbst der CDU könnte eine Spaltung drohen in CDU und Bundes-CSU.
Eine Gegentendenz würde ggf. eine sich natürlich ergebende Annäherung von SPD und Linken bedeuten. Sogar eine Fusion wäre denkbar, in ihrer Folge hätte wiederum eine wirklich linksradikale Partei die Chance, ins Parlament einzuziehen.
Wie dem auch sei, es wird mehr und kleinere Parteien geben, immer wieder auch Bürgerbewegungen wie die Piratenpartei oder ähnliche. Es wird bunter, komplizierter und demokratischer.
In den Parlamenten jedenfalls. Wie sich derweil die Wirtschaft und vor allem die Medien entwickeln, ist ein weiterer wichtiger Faktor. Marschiert die Meinungsmache weiter in die Richtung wie bisher, drohen Italienische Verhältnisse. Eine Veränderung der bislang sehr übersichtlichen Strukturen kann aber auch dazu führen, daß die Einheitspresse bröckelt und sich wieder kritischer Journalismus etabliert.
Dessen Rolle ist ohnehin entscheidend. Die Kampagnen der letzten Wahlkämpfe (siehe Hessen) und das unerträgliche Schweigen zum unerträglichen Schweigen der Kanzlerin geben wenig Anlaß zur Hoffnung. Mancher hegt sie trotzdem, ein anderer verweist auf die Symptome des Niedergangs.
Ein tiefer Blick in die Kristallkugel, warum? Weil die Hoffnung heute darin liegt, daß der Ausgang der vor uns liegenden “Wahl” irrelevant ist.
August 28th, 2009 at 00:49
“Ein tiefer Blick in die Kristallkugel, warum? Weil die Hoffnung heute darin liegt, daß der Ausgang der vor uns liegenden “Wahl” irrelevant ist.”
Danke für diesen Blick. Sehr gut zusammengefasst. Und nachdem ich mich nun über einige Tage so ins Zeug gelegt habe, mit dem erläutern meiner Wahl, hat wohl zwischenzeitlich mein Hund oder mein Kind die Wahlunterlagen gefressen :-O
August 28th, 2009 at 07:02
Interessant These, und sie gefällt mir. Obwohl ich an Spaltungen nicht recht glauben mag, aber ein mögliches Umgestalten der Parteienlandschaft per demographischen Wandel – das hat was.
August 28th, 2009 at 08:34
Eine hervorragende historische Recherche über die SPD. Einfach Klasse! Habe ich noch kein besseres Buch über die SPD gelesen. Und schon der Titel sagt alles:
Sebastian Haffner: Der Verrat
Bemerkenswert ist: Das Buch ist im Jahre 1993 geschrieben!
August 28th, 2009 at 11:12
Ach, im Grunde ist das sogenannte “Tauwetter in den Medien”, das mancher auszumachen meint, nichts anderes als eine taktische Variante der “Fabrikation von Konsens”. Die Medien “fühlen”, dass sie es zu weit getrieben haben mit ihrer Hetze gegen moderne Linkspolitiker (z.B. Ypsilanti) und haben die SPD jetzt so tief, wie sie es eigentlich nicht vor hatten. Denn eine CDU/FDP-Regierung würde das Land polarisieren und dann würde die objektiv vorhandene linke demokratische Mehrheit im Lande, die die Medien übertünchen wollen, politisch wirksam. Bei der nächsten Wahl würde CDU/CSU/FDP weggefegt und eine konzeptionell erneuerte Linke zur bestimmenden Kraft. Da werden die Medien auf einmal zahm gegenüber der Linken hauptsächlich um wenigsten die große Koalition zu retten, indem hoffentlich die SPD wieder ein paar Punkte zulegt vor der Bundestagswahl. Sie merken außerdem aufgrund der aktuellen Landtags-und Kommunalwahlen, dass ihre Strategie der Marginalisierung der Linken nicht funktioniert hat. Wenn die SPD also noch ein paar Prozentpunkte wieder zulegen könnte vor der Wahl, blieben die gerupften Stones im Kabinett und mit ihnen würden die Finanzindustrie und die reaktionären Kräfte im Lande weiter viel bequemer Schlitten fahren können, als mit einer polarisierenden Union/FDP, in der eine zänkische CSU die neoliberale FDP neutralisieren würde. Daher der laue Wind zur Zeit.
August 28th, 2009 at 11:29
@ Gehard Schrödibär
Ich bin kein Lieblig der großen Komplimente, aber diese Analyse ist einfach umwerfend:
Die Medien “fühlen”, dass sie es zu weit getrieben haben .. und haben die SPD jetzt so tief, wie sie es eigentlich nicht vor hatten. … Bei der nächsten Wahl würde CDU/CSU/FDP weggefegt und eine konzeptionell erneuerte Linke zur bestimmenden Kraft.
Deshalb ist es wichtig, dass Union/FDP auf Macht kommen. In diesem Augenblick habe ich fast Lust bekommen, die FDP wählen zu gehen.
August 28th, 2009 at 11:51
@Sytemfrager
da hab ich noch ne bessere Idee:
https://geheimraetins.wordpress.com/2009/08/28/wenn-fehlender-sachverstand-gekauft-werden-muss/
August 28th, 2009 at 15:41
@Systemfrager: Tut mir leid, dass kann ich nicht nachvollziehen? Selbstzerstörungsdrang? Du willst die FDP wählen? Verspürst du auch manchmal den Drang dir die Klinge eines größeren Messers ganz langsam in den Oberschenkel zu bohren?
Was ich damit sagen will: Taktik hin oder her, FDP wählen ist Verrat am eigenen Intellekt.
August 28th, 2009 at 15:47
[...] Wenn es die CDU erwischt Die SPD ist am Boden. Jeder weiß das, nur ihre Führung nicht. Ob sie noch einmal die Chance haben wird, sich zu erneuern, hängt vor allem davon ab, wie lange ihre neoliberalen Plünderer noch etwas zu sagen haben. Als “Volkspartei” ist sie auf absehbare Zeit erledigt. Die CDU hat ein anderes Problem, wenngleich kein geringeres. [...]
August 28th, 2009 at 17:04
Freuen wir uns mal nicht zu früh. Der nächste Altersbauch, besser gesagt Tafelberg zeichnet sich auch schon ab, und zwar bei den Grünen, multipliziert durch Abspalter aus CDU/FDP. Wenn die traditionellen Konservativen (gibts noch traditionelle Liberale?) dann ausgestorben sind, kann man sich schon mal überlegen, wo die Grünen dann stehen werden, ob der Neoliberalismus eine Zukunft hat, wer dann noch links ist und ob überhaupt noch einer durchblickt, wo links und rechts ist. Vielleicht können die Piraten dann tatsächlich die ganze Skala abdecken. Grund zur schnellen Hoffnung habe ich nicht, die Chose dauert wohl noch so lange, bis die heute 40-jährigen Grünen-Wähler in die Kiste springen = Ende des Tafelberges.
Schwarzmalerei?
August 28th, 2009 at 18:46
2029 ziehen die Karrierten ins Parlament. Die Vereinigten Hausmeister werden mit ihnen koalieren. Und dann ist die Erhöhung der Straßenüberquerungsgebühr nicht mehr aufzuhalten.
September 6th, 2009 at 00:20
Das war schon klar als es in 09/08 darum ging, “dieses systemrelevante Institut” (HRE) zu stützen!
Wer glaubt denn seit dem noch an – funktionierende (heißt: international einheitliche) – Reglements?
Boni sind out, Zulagen sind in!
Frage des AR-Vorsitzenden an den Banker: “Möchten Sie lieber 0,5 Mio€ Grundgehalt plus x-Zulage über 2,0 Mio€ und y-Zulage über 3,1 Mio€ und z-Zulage 0,3 Mio€ oder wollen Sie lieber zu Gunsten der allgemeinen Verzichtszulage in Höhe von 6,0Mio€ darauf verzichten?” (Merkel: “unerhört”) *lol*
Beste Grüße
Vogel