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Es geht nur um eine Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Der eine sieht darin einen verfassungswidrigen Maulkorberlass, der andere nur eine Konsequenz aus der Anmaßung des Bundestagspräsidenten, der eigentlich zurücktreten müsse.

Diese Ansicht vertritt Frank Luebberding und er würde gern die Debatte auf die “Arbeitsprozesse” des Bundestages begrenzen. Daher wies er meinen folgenden Einwand deutlich zurück:

“Dass die aussichtsreichen Direktkandidaten von Gnaden der Parteien aufgestellt werden, ist nicht zu leugnen, aber darum greift eben hier der feine Unterschied zwischen dem Grundgesetz und der normativen Kraft des Faktischen. Ohne die (meist unerfüllten) Ansprüche, die im GG formuliert sind, wäre diese Restdemokratie noch übler dran als sie es schon ist unter einer Kanzlerin, die sich alle paar Wochen mit einem fröhlichen Grinsen von Karlsruher Richtern abwatschen lässt.
Die Reaktion auf Lammerts Aktion ist ein weiteres Fanal der Fraktionsspitzen und Spitzenfunktionäre, die sich anmaßen, die Regeln stets in ihrem Interesse zu verbiegen, damit nicht selten auch im Interesse der Lobbyisten, mit denen sie sich ‘verbunden’ fühlen. Ich betrachte hier Lammerts Intervention als Korrektur eines Spiels, das der Idee einer Demokratie Hohn spricht. Das angewandte Mittel ist einer Kritik würdig, es ist aber vor allem Symptom einer Verkrustung, der sich Lammert entgegenstemmt. Der Mann ist vielleicht naiv, denn er glaubt noch an Demokratie und Parlamentarismus.
Weder die Geschäftsordnung noch die Besetzung eines Amtes sind das Problem, sondern der Zustand der “Volksvertretung”. Lammert hat in Hinblick darauf gehandelt, die Reaktion will nur ihre Ruhe haben. Diese würde sowohl durch eine passende Geschäftsordnung als auch durch einen Rücktritt eintreten. Ich kann beides nicht befürworten”.

Dem toten Gaul die Sporen

Hans Peter Schütz kapriziert sich dementgegen auf das Recht der Abweichler und verweist auf den Mangel an “unbequemen Wahrheiten”, der noch verstärkt werden würde und eben auf die offenbare Verfassungswidrigkeit der Vorschläge zum Rederecht. Das Vorgehen Lammerts würdigt er keiner rechtlichen Abwägung.

Ich erlaube mir die These, dass Lübberding Recht hat, genau damit aber eine nicht ganz freiwillige Komik erzeugt. Warum kommt denn niemand sonst auf die Idee, Lammert in den Fokus der Debatte zu stellen? Ich schätze, dass das Kleingedruckte niemanden mehr interessiert, weil Parlament und Regierung jeden Glauben an Rechtstreue bereits pulverisiert haben. Es geht um Macht, und wem schon das Grundgesetz, mit Verlaub, scheißegal ist, der kann nicht ernsthaft die kreative Auslegung einer Geschäftsordnung skandalisieren. Obendrein steht Lammert mit seiner unbezweifelten Anmaßung einmal mehr als Hüter demokratischer Prinzipien da.

Diese Posse zeigt vor allem eines: Der Parlamentarismus ist ruiniert, weil die Parlamentarier nicht nur willig ihrer “Entmannung” zustimmen, sondern weil dessen Geringschätzung durch die politische ‘Funktionselite’ nicht mehr steigerbar ist. Zu glauben, die Piraten seien ein Beleg für die ungebrochene Flexibilität des Systems erinnert mich an einen meiner Soziologie-Dozenten, der es einst für ein Zeichen von kritischem Wählergeist verkaufte, dass die “Republikaner” in die Parlamente gewählt wurden. Kaum weht ein laues Lüftchen über der Leiche, schon hören die Optimisten wieder Atemgeräusche und künden von großer Hoffnung. Den Verfall wird deren Gesang freilich nicht aufhalten.