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Mitunter gibt es Erfreuliches zu berichten. Gestern noch las ich Kommentare bei “Focus” und war deprimiert angesichts des Erfolgs der herrschenden Propaganda. Dass selbst ein auf Linie getrimmter Narr wie Dieter Nuhr den Leuten einbläut, alle Griechen würden Renten für Tote beziehen und leisteten nichts, weil sie höchstens in einer überflüssigen Verwaltung arbeiteten, trägt Früchte. Derweil ist fast jeder Zweite unter 24 Jahren dort arbeitslos, das Land in einer tiefen Depression. Von der nicht vorhandenen Wirtschaftsleistung sollen sie obendrein statt Brot U-Boote kaufen.

Immerhin gibt es inzwischen Stimmen, die mit der Vernunft im Bunde sind, und eine solche finde ich sogar in Steingarts Handelsblatt. *** Ich bin schockiert. Norbert Häring erläutert dort einige Zusammenhänge zwischen der Bankenkrise und den Staatsschulden, die er anhand einer Studie der EZB analysiert. Er kommt zu dem Urteil, dass einer der Effekte der sogenannten “Rettungsschirme” darin besteht, dass die Risiken der Bankgeschäfte auf die Staaten abgewälzt wurden. Hätten die Eurostaaten die Banken nicht rausgepaukt, wären die heute pleite und nicht Griechenland. Geschweige denn wären Italien, Portugal, Spanien und bald wohl alle Länder der Eurozone in Gefahr.

Deregulierung – der Anfang vom Ende

Der Fehler der Staaten liege vor allem in der Deregulierung von Bankgeschäften. Dazu muss ergänzt werden, dass insbesondere die noch immer nicht vorhandene Trennung von Kreditinstituten und Zockerbuden das Kernproblem bildet. Letztere könnte man nämlich eher pleite gehen lassen, wenn sie nicht als Banken auf “systemrelevant” machen könnten. Ebenso nicht erwähnt wurde ein Effekt, der noch eines eigenen Artikels wert ist, dass nämlich Konstrukte wie die Riesterrente staatliche Leistungen mit Spekulation verflochten haben. Immerhin: Der Tenor richtet sich frontal gegen die Segnungen der neoliberalen Rückwärts-”Reformen”.

Dazu passt auch, dass die für den Exportweltmeister aus Deutschland unangenehmen Wahrheiten auf allen Ebenen vertuscht werden, was die FTD ausdrücklich zur Sprache bringt. Leser der einschlägigen Blogs wissen das seit Jahren: Die wirtschaftliche Stärke des einen ist die Schwäche des anderen, wenn in einer Währungsunion sich die größte Volkswirtschaft erlaubt, die anderen in Grund und Boden zu konkurrieren. Das hat ja sogar die EU-Kommission ursprünglich erkannt. Doch wie schon in den Zeiten, als Deutschland die anderen Kriterien nicht einhalten konnte, wird das ignoriert oder einfach die Werte angepasst. Unsere Handelsbilanz weist einen Überschuss von 5,9% auf? Dann werden eben 6% erlaubt. Schaffen wir die 10%, werden sicher 11% erlaubt. Derweil ersticken unsere “Währungspartner” in Schulden, welch ein Zufall!

Beise bückt sich

Während die einen allmählich ins Licht kommen und erkennen, was eigentlich nicht mehr zu leugnen ist, krallen sich die eisernsten Reaktionäre in ihren dunklen Nischen fest. Wer wissen will, was ein gespreizter Kotau ist, dem sei die Süddeutsche empfohlen, in der Beise sich derart wollüstig im Staub windet, dass man es nicht erträgt. Müsste man den Mann eigentlich ignorieren, ist das künftig nicht mehr nötig, weil er gar nicht mehr stattfindet.

Aus ihm spricht heute ungefiltert ein zur Gottheit verklärter Demagoge der deutschen Industrie, Bosch-Chef Franz Fehrenbach. Der bräche ein Tabu, meint Beise, weil er Griechenland gleich ganz aus der EU werfen will. Diese Tabubrecher à la Sarrazin und Fehrenbach haben es den Rechten angetan. Hinfort mit politischem Bewusstsein, Anstand und Menschlichkeit. Immer her mit der Gnadenlosigkeit einer Verwertungsethik, die vor nichts Halt macht. Die Würde des Menschen hat einen Börsenwert.

Es reicht vollkommen aus, die Beschreibungen aufzuzählen, die Beise zur Vergötzung Fehrenbachs verwendet. Das sagt absolut alles. Da zieht sich ein Untertan auf offener Bühne selbst das Rückgrat:
Fehrenbachs Wort hat Gewicht (wiederholt), Angela Merkel sucht seinen Rat (wiederholt), Chef des größten unabhängigen Automobilzulieferers der Welt, nicht nur weltweit erfolgreich, sondern auch bodenständig und sozial engagiert – ein Vorzeigeunternehmen (dessen Chef Fehrenbach ist), Schon einmal hat Fehrenbach öffentlich Furore gemacht, dafür gab es ungewöhnlicherweise demonstrativ heftigen Applaus“.

Es geht auch anders

So einer hat natürlich Recht, immer. Da kann er noch so menschenverachtende Vorstellungen haben, da kann er noch so aggressiv katastrophale politische Maßnahmen aus Sicht einer losgelassenen ökonomischen Ideologie in die Welt posaunen. Das gefällt dem Beise. So einen lässt er sprechen ohne sich einzumischen und besorgt gleich noch den Applaus vom Band dazu.

Dass man auch ganz anders an die Sache herangehen kann und es eben gar kein Tabu ist, Griechenland aus dem Euro lösen zu wollen, liest man bei Frank Lübberding:
Man kann die Produktivitätsunterschiede zwischen Griechenland und Deutschland nicht einfach durch Strukturreformen aufheben. Diese Vorstellung ist lächerlich. [...]
Griechenland muss aus der Eurozone austreten. Für die Folgen sind übrigens nicht die Griechen verantwortlich, Frau Bundeskanzlerin. [...]
Die Griechen [sollten] endlich aufhören, sich weiterhin demütigen zu lassen
.”
Aber das ist wohl die große Verlockung für gewisse Charaktere: Nach Herzenslust auf Menschen herum zu trampeln, die schon am Boden liegen.