Eine Bürde und eine Ehre. Ich werde von meinen Mitarbeitern respektiert, weil sie meine Führungsqualitäten täglich erleben. Es gibt keine Diskussionen, wenn ich Anweisungen gebe. Alle meine Untrergebenen bemühen sich immer sofort, meine Aufträge auszuführen und lassen sich auch gern zurechtweisen, wenn ich nicht ganz zufrieden bin mit ihnen. Ich mache ihnen deutlich, daß meine Autorität Hand und Fuß hat und daß sie sich glücklich schätzen können, einen so toleranten Chef zu haben. Einige Beispiele dafür:
Nach meinem Arbeitsvertrag darf ich mich unentgeltlich in der Kantine verpflegen. Regelmäßig biete ich neuen Mitarbetern meinen Teller an, auf dem noch einige Krümel liegen. Ich argumentiere, daß man ja die Energie nicht verschwenden muß, um zwei Teller zu spülen. Wer sich weigert, kann sicher sein, daß ich ihn im Auge behalte. Wer mein Angebot annimmt, hat freilich das Problem, daß er die Krümel annimmt, die sich auf dem Teller befinden. Ein klarer Fall von Untreue, denn diese sind Betriebseigentum.
Es ist oft notwendig, Anweisungen in Schritftorm zu erteilen, um sich zu versichern, daß die Zuarbeiter exakt wissen, was von ihnen verlangt wird. Selbstverständlich belaste ich weder mich noch meine Sekretärin mit dem Verfassen solcher Schriftstücke. Das können die Untergebenen selbst. Ich lasse also immer mindestens einen mitschreiben. Häufig kommt es vor, daß der betreffende Mitarbeiter seine Mitschrift dann für die Kollegen kopiert. Ich habe nicht erst einem wegen solcher Urheberrechtsverletzung gekündigt.
Es gab bei uns im Betrieb Leute, die glaubten, sie seien zu hause. Der eine kommt mit einer Kaffeemaschine an, der andere bringt ein Radio mit, und was sich sonst noch für dreiste Ideen finden, auf meine Kosten die Arbeitsstätte in einen Vergnügungspark umzuwandeln. Das macht längst keiner mehr, meine Leute kennen mich und wissen, daß sie ihr Gehalt fürs Arbeiten bekommen. Das macht schon einer dem anderen klar, dafür muß ich gar nichts mehr tun. Das letzte Mal, daß ich durchgreifen mußte, war der Fall eines Mitarbeiters, der sich auf der Betriebstoilette die Zähne geputzt hat, weil er anschließend einen Zahnarzttermin hatte. Nun kann ich ja leider schon nicht unterbinden, daß unser teures Wasser für die Beseitung von Fäkalien und oft übertriebenes Händewaschen verschwendet wird. Bei jenem war der Fall aber klar. Seine Zähne, unser Wasser – das ist Diebstahl.
Meine Unterarbeiter wissen also, daß ich aufpasse. Und ich weiß, daß sie es wissen. Häufig gebe ich ihnen zu verstehen, daß ich wohl weiß, welcher Vergehen sie sich schuldig gemacht haben. Es geht doch nichts über dankbare reuige Seelen in der Brigade, die sich meine Gnade verdienen müssen. Selbstverständlich wird nicht jeder Delinquent sofort entlassen. Und alle, die bleiben dürfen, sind dankbar und vorauseilend. Das Resultat: Klare Führung, geschmeidiges Folgen.
Es gibt natürlich immer welche, deren Frechheit keine Grenzen kennt. Einer zum Beispiel lädt sein Handy mit meinem Strom auf. Unfassbar! Solche Schmarotzer kann natürlich auch der gnädigste Chef nicht mehr dulden, und kommen Sie mir jetzt nicht mit “Bagatelle”! Man verliert seine Autorität nur einmal, und mir wird das garantiert nicht passieren.
August 4th, 2009 at 23:58
Ich verleihe Dir für diesen Text den Robert-Walser-Preis
August 5th, 2009 at 00:16
Uii, ein Preis! Und der paßt so wunderbar in meine Bildungslücke. Hatte ich noch nicht von gehört.
August 5th, 2009 at 00:19
Man kann seinen Untergebenen nicht alles durchgehen lassen.
August 5th, 2009 at 00:35
Wenn ich mir mal vorstelle, ich habe 100 Mitarbeiter in meinem Betrieb, die haben alle Handys und laden die alle bei mir auf…, jeden Tag laden diese Zecken ihre scheiß Handys bei mir auf, auf meine Kosten, währende ich die faulen Penner bezahle…, ne, da mach ich nich mit! Erst recht nicht, wenn datt irgendwelche Muselmanen sind. Nachher laden die dann noch ihren PDA, ihren IPod oder was weiss ich noch auf. Neeee, soooo nich!
August 5th, 2009 at 11:58
Ich kopiere Dir den Text, auf den ich mich beziehe, einmal hier hinein: Er entstammt dem Buch Jakob von Gunten, der über sich selbst sagt: Ich werde es einmal im späteren Leben zu nichts bringen, ich werde eine kugelrunde Null sein.
Der Traum, ein Reicher zu sein.
>>Was hat mir doch vor ein paar Tagen Furchtbares geträumt. Ich war im Traum ein ganz schlechter, schlechter Mensch geworden, wodurch, das wollte sich mir nicht offenbaren. Roh war ich vom Wirbel bis zur Sohle, ein aufgedonnertes, unbeholfenes, grausames Stück Menschenfleisch. Ich war dick, es ging mir scheinbar ganz glänzend. Ringe blitzten an den Fingern meiner unförmigen Hände, und ich besaß einen Bauch, an dem zentnerschwere, fleischige Würde nachlässig herabhing. Ich fühlte so recht, daß ich befehlen und Launen losschießen durfte. Neben mir, auf einem reichbesetzten Tisch, prangten die Gegenstände einer nicht zu befriedigenden Eß- und Trinkbegierde, Wein- und Likörflaschen, und die auserlesensten kalten Gerichte. Ich konnte nur zulangen, und das tat ich von Zeit zu Zeit. An den Messern und Gabeln klebten die Tränen zugrunde gerichteter Gegner, und mit den Gläsern klangen die Seufzer vieler armer Leute, aber die Tränenspuren reizten mich nur zum Lachen, während mir die hoffnungslosen Seufzer wie Musik ertönten. Ich brauchte Tafelmusik und ich hatte sie. Anscheinend hatte ich sehr, sehr gute Geschäfte auf Kosten des Wohlergehens anderer gemacht, und das freute mich in alle Gedärme hinein. O, o, wie mich doch das Bewußtsein, einigen Mitmenschen den Boden unter den Füßen weggezogen zu haben, erlabte! Und ich griff zur Klingel und schellte. Ein alter Mann trat herein, pardon, kroch herein, es war die Lebensweisheit, und sie kroch an meine Stiefel heran, um sie zu küssen. Und ich erlaubte dem entwürdigten Wesen das. Man denke: die Erfahrung, der gute edle Grundsatz: er leckte mir die Füße. Das nenne ich Reichtum. Weil es mir grad so einfiel, klingelte ich wieder, denn es juckte mich, ich weiß nicht mehr, wo, nach sinnreicher Abwechslung, und es erschien ein halbwüchsiges Mädchen, ein wahrer Leckerbissen für mich Wüstling. Kindliche Unschuld, so nannte sie sich, und begann, die Peitsche, die neben mir lag, flüchtig mit dem Auge streifend, mich zu küssen, was mich unglaublich auffrischte. Die Angst und die frühzeitige Verdorbenheit flatterten in den schönen rehgleichen Augen des Kindes. Als ich genug hatte, klingelte ich wieder, und es trat auf: der Lebensernst, ein schöner, schlanker, junger, aber armer Mensch. Es war einer meiner Lakaien, und ich befahl ihm stirnrunzelnd, mir das Ding da, wie hieß es schon, nun ja, hab’ ich’s endlich, mir die Lust zur Arbeit hereinzuführen. Bald darauf trat der Eifer herein, und ich machte mir das Vergnügen, ihm, dem Voll-Menschen, dem prachtvoll gebauten Arbeitsmann, eins mit der Peitsche überzuknallen, mitten ins ruhig wartende Gesicht, zum rein Kaputtlachen. Und das Streben, das urwüchsige Schaffen, es ließ sich’s gefallen. Nun allerdings lud ich es mit einer trägen, gönnerhaften Handbewegung zum Glas Wein ein, und das dumme Luder schlürfte den Schandwein. »Geh’, sei für mich tätig,« sagte ich, und es ging. Nun kam die Tugend, eine weibliche Gestalt von für jeden Nicht-ganz-Hartgefrorenen überwältigender Schönheit, weinend herein. Ich nahm sie auf meinen Schoß und trieb Unsinn mit ihr. Als ich ihr den unaussprechlichen Schatz geraubt hatte, das Ideal, jagte ich sie höhnisch hinaus, und, nun pfiff ich, und es erschien Gott selber. Ich schrie: »Was? Auch du?« Und erwachte schweißtriefend, – wie froh war ich doch, daß es nur ein böser Traum war. Mein Gott, ich darf noch hoffen, es werde noch eines Tages etwas aus mir. Wie im Traum doch alles an die Grenze des Wahnsinns streift.<<
August 5th, 2009 at 12:28
schoener text! 100 jahre alt und doch aktueller denn je.
August 7th, 2009 at 02:50
Warum nimmt ein Gericht so einen Mist überhaupt an oder verurteilt die klagende Firma nicht wg. groben Unfugs?
Unfassbar, was man sich als Mitarbeiter und Bürger in heutigen Zeiten gefallen lassen muss.
Weiß jemand, um welche Firma es geht?
Die sollte an den Firmenpranger!!!