Ministerpräsident Oettinger wurde jüngst eine Ehre zuteil, die sonst Oskar Lafontaine vorbehalten ist: Er wurde von Journalisten, die ein Interview zu führen vorgaben, angepöbelt. Schon die Eingangsfragen bzw. -Statements bewegen sich auf einem Niveau, dem ich persönlich mich verweigert hätte:

SPIEGEL: Herr Ministerpräsident, wie fühlt man sich als Verlierer?“; und

SPIEGEL: Uns kommen Sie vor wie der Pannen-Ministerpräsident Nummer eins.

SPIEGEL: Ihre jüngste Pleite trägt den Namen Porsche. Der kleine Sportwagenbauer aus Zuffenhausen hat mit Ihrer Hilfe versucht, den Riesen VW zu schlucken. Das Ergebnis dieses Versuchs ist erbärmlich: Porsche wird zu einem Subunternehmen von VW degradiert und in einer Reihe mit Edelmarken wie Skoda oder Seat stehen.

Nachdem sie sich also völlig zusammenhanglos erst einmal ein wenig warmgepöbelt haben, kreiden die Helden vom “Spiegel”, René Pfister und Simone Kaiser, Oettinger an, daß Wedeking gegen Piech den Kürzeren gezogen hat und nennen das “erbärmlich”. Wohlgemerkt: Das ist der Auftakt zu diesem “Interview”. Im weiteren Verlauf wird es nicht wesentlich freundlicher. Da wird Oettinger vorgeworfen, er habe Merkel “genervt”, er würde “immer das Falsche sagen, und das auch noch zum ungünstigsten Zeitpunkt”, und als ob das noch nicht rustikal genug sei, reiben ihm seine Inquisitoren unter die Nase, daß ein Porsche-Manager ein Verhältnis mit seiner Gattin hat.

Ich erfahre aus dem Interview nichts Neues von jedweden Hintergründen, sei es Porsche betreffend, Oettingers Rolle in der CDU oder sonst etwas Relevantes. Ich erfahre, daß der Ministerpräsident aus verborgenen Gründen von der Redaktion offenbar zum Abschuß freigegeben wurde und sich ob der peinlichen Unhöflichkeiten seiner Gegenüber wacker schlägt. Mir fehlt jedes Verständnis für diese Veranstaltung. Ich kann nur feststellen, daß inzwischen nicht einmal mehr ein halbwegs anständiges Interview zustande kommt, wenn die ABC-Schützen von der Brandstwiete losziehen. Ich nehme an, daß diese rülpsende Grobheit als “kritisch” gelten soll, da man ja keinen falschen Respekt vor dem großen Namen zeigt.

Aber eben auch keinen richtigen. Ich kann Günther Oettinger nicht leiden, seine Ansichten, sei es zu Filbinger oder Steuern auf Lebensmittel, sind mir widerwärtig. Hätte ich mich mit dem Mann auseinander zu setzen, dürfte er sich aber jederzeit einer Höflichkeit gewiss sein, die ohne Ansehen der Person zunächst einmal jedem gebührt. Sollte er sich dann inhaltliche Blößen geben, wäre es mir ein Vergnügen, ihn mit dem selbst gedrehten Strick aufzuknüpfen. Genau das aber kann beim Spiegel keiner mehr. Sie können tief buckeln und gemein treten. Mittlerweile kann man nicht einmal mehr erkennen, wen es wie warum trifft. Es herrschen Willkür und Beliebigkeit.

Hat Oettinger das verdient? Darüber ließe sich streiten, aber daß sich die Frage stellt, ist schon das Armutszeugnis. Egal ob einer Ministerpräsident ist oder Hartz-IV-Empfänger, ob ein Groschenblatt gegen ihn hetzt oder ein Magazin, er sollte wie jeder andere Bürger von staatlicher Willkür ebenso verschont bleiben wie von journalistischer.
Was sind das für Zeiten, in denen ich mich genötigt sehe, einen reaktionären Unsympathen vor dem “Spiegel” in Schutz zu nehmen!