Aktuell findet sich in der FAZ eine ganze Reihe von Artikeln zum Fall Nikolaus Brender, der jüngste ist ein Kommentar von Hartmann von der Tann, der noch einmal darlegt, wie um den Posten des Chefredakteurs des ZDF ein durchschaubar erbärmliches Spiel um parteipolitische Interessen angezettelt wird. Dabei tut sich die CDU in besonderem Maße hervor, und in ihren Reihen noch einmal der große Erzdemokrat Roland Koch.
Die Dreistigkeit der Einflußnahme von Politikern auf die Öffentlich-rechtlichen Medien ist nur noch durch die Dummheit der “Argumente” zu steigern, die dazu angeführt werden.
Ich kann nicht sehen, daß Brender ein journalistischer Gigant wäre, aber er macht eine passable Arbeit, die für einen Personalchef mit Verstand keinen Anlaß gäbe, seinen Vertrag nicht zu verlängern. Sein Intendant und die Mitarbeiter sehen das ganz offenbar genauso, nur die Lobbyisten ihrer selbst, die in dem Verfahren eine entscheidende Rolle spielen, wollen ihn eben nicht. Er ist einfach nicht korrupt genug.
Diese Baustelle ist nur eine von vielen, die seit Jahrzehnten als Schlachtfeld um den politischen Proporz dient. Allerdings trat das selten so offen zutage, und bislang hatten die Granden im Hintegrund meist noch den Anstand, erst um eine Planstelle zu zanken, wenn sie wirklich frei war.
Inzwischen ist das anders. In jeder kleinen Staude der großen Bananenrepublik wird gekämpft und gekeilt, gelogen und manipuliert, rücksichtslos die Durchsetzung von Interessen betrieben. Was gelten noch offene Auseinandersetzungen, echte Argumente, Respekt vor dem Gegner, der Versuch, andere zu überzeugen? In einer Republik, deren Parlament es für eine “Debatte” hält, wenn Aufsätze, die niemand liest, in einem Karton gestapelt werden, weiß man, daß Entscheiden nichts mehr mit Abwägen und Argumentieren zu tun hat. Es ist das Resultat von nehmen und nehmen, und der Stärkere nimmt eben alles.
Juli 9th, 2009 at 08:53
traurig zu sehen, das mittelmaess schon in diesem land gefeiert werden muss, nur weil es nicht korrupt ist. ich moechte garnicht wissen, wie weit die berlusconisierung hier fortgeschritten ist. an schlichtheit und dreistigkeit, koennen unsere leute es mit silvio scheinbar locker aufnehmen. kann man diese erbaermlichen mini-duces und polit-clowns nicht irgendwie loswerden?
Juli 9th, 2009 at 09:09
Ich war schon schockiert, dass unsere Politiker eine sonderbare Form der “Verfassung” beschließen können, ohne das Volk zu fragen; ohne sie selber gelesen und verstanden zu haben. Ein Paradox in sich.
Doch jetzt erfahre ich, dass sie nicht mal mehr miteinander reden müssen, um Gesetze zu beschließen.
“(…)Zu Protokoll gegeben wurden die Reden zum Strahlenschutz, zur auswärtigen Kulturpolitik, zu Genmais und Regulierung des Strommarkts, zum Klimaschutz, zur Organspende, zur Wahl der Bundesverfassungsrichter, zur Krankenversicherung(…)”
Sehr nachvollziehbare Themen, die offensichtlich keiner öffentlichen Diskussion bedürfen. Gerade die Reden zur Wahl der Bundesverfassungsrichter sollten besser nicht zu öffentlich gehalten werden. Die machen dem Parlament eh immer nur einen Strich durch die Rechnung. Manchmal habe ich das Gefühl, das Wort Politiker leitet sich von Po ab.
Juli 9th, 2009 at 20:46
Yep, es wird nicht mal mehr gefragt, was vernünftig, wirtschaftsstrategisch langfristig oder schlicht im Einklang mit dem Grundgesetz ist.
Es wird einfach nur noch das gemacht, was…. ja wer eigentlich(???) beschließt.
Jetzt könnte man natürlich mit allen möglichen Verschwörungstheorien anfangen, aber ich würde einfach nur mal ganz vage sagen, dass Think Tanks, die mehr oder weniger lose mit US-Think Tanks verbunden sind und die quasi ein mehr oder weniger intellektuelles dafür aber um so populistischeres und politisch wirksameres Netz bilden.
Irgendwer setzt einen Impuls, vielleicht schaffen die sich auch gegenseitig Impulse wie beim Pingpong und durch die Netzstruktur, in die Politiker, Ratgeber, Marketingexperten, Wissenschaftler und natürlich die Journaille miteingebunden sind, verbreiten sich dann Zugkräfte in bzw. aus einer bestimmten Richtung.
z.B.
Brookings Institute
(American) Heritage
CFR (Council for Foreign Relations)
Ich meine, anders sind klar erkennbar scheiternde Privatisierungen (Bahn, Wasser- und Stromversorgung) und die Verarmung ganzer Bevölkerungsschichten durch Politiker, die sich anscheinend nicht mehr dem Wohl der Allgemeinheit geschweige denn der Zukunft Deutschlands verpflichtet sehen, nicht mehr zu erklären.
Privatisierungen, Verarmungen, Überwachungsstrukturen, Neokolonialismus (Bundeswehreinsätze in Afghanistan aus strategischen Interessen = Rohstoffkontrolle), ständige Steuersenkungen, Pragmatisierung und Utilitarisierung der Bildungs- und Forschungsinstitutionen usw. NÜTZEN eigentlich nur reichen und superreichen Oberschichten.
Wer sonst außer denen sollte sowas in Gang setzen?
Womit wir jetzt bei der Verschwörungstheorie angelangt wären.
Zurück zum Feinsinn-Artikel:
Wenn es, wie Feinsinn richtig festgestellt hat, schon lange nicht mehr darum geht, in einer Art intelligentem Informationsabgleich zur richtigen Entscheidung zu kommen, worum geht es dann und wer sagt an?
Wer sagt an was läuft?
Da muss man dann gucken, wer denn die Zeche zahlt.
Wer zahlt, sagt an.
Juli 9th, 2009 at 21:45
Noch ein Beispiel antidemokratischer Politik; eines von vielen. Aber ich denke nicht, dass der”deutsche Durschnittsbürger” darunter leidet, die Mehrheit sind keine gequälten Opfer oder Masochisten – und erst recht keine politischen Radikale. Ich gelange immer mehr zu der Überzeugung den meisten Deutschen jegliche Emotionalität, alle Empathie, jegliches Interesse an ihrer Aussenwelt und vor allem jedes Verständnis und Mitleid abhanden gekommen ist. Das ist es, woran nach meiner Einschätzung das deutsche Volk leidet.
Juli 9th, 2009 at 22:23
@ Rainer
Ich sehe das ganz ähnlich. Die Deutschen (durch die bitteren Erfahrungen des Dritten Reiches zwischenzeitlich scheinbar geläutert) sind wieder komplett zurück in ihre angestammten Untugenden gefallen. Zu denen, die Du genannt hast, zählt unbedingt auch noch dieser ausgeprägte Untertanengeist, der dereinst so manche Schweinerei erst machbar werden ließ. Es ist das denkbar geeignetste Volk für den Nasenring. Kaum einer kann im Moment vorhersehen, wo diese Bananenrepublik etwa in einem Jahr stehen wird. Aber wohl jeder weiss, dass die Aussichten trüb sind. Wahrscheinlich mehr als trüb. Ich ahne nichts Gutes…