Flexstrom – eine verzichtbare Erfahrung
Posted by flatter under WirtschaftKommentare deaktiviert
07. Jul 2009 17:32
Ich hatte vor einiger Zeit festgestellt, daß mein Stromanbieter nicht nur zu den vier Riesen in Deutschland gehörte, sondern auch nicht besonders günstig war. Zwar beschäftige ich mich ungern mit solchen Dingen und bin auch nicht der Mensch, der zu Fuß nach Köln läuft, um einen Euro zu sparen, aber sich unnötig von den Stromgiganten abhängig zu machen, ist ja auch nicht vernüftig.
Ich beschloß also zu wechseln, schaute mich um und fand mit “Flexstrom” einen Betreiber, der günstig schien und auch so angepriesen wurde. Der Trick war offenbar der, daß man der Firma ein Paket abkaufte, eine bestimmte Strommenge also, beide Seiten mit verläßlichen Bedingungen arbeiten konnten und daher die Sache rund war. Da ich meinen Stromverbrauch sehr gut einschätzen konnte, schien sich das zu lohnen.
Im ersten Jahr war das auch in Ordnung, der Verbrauch wie immer und der Tarif günstig. Es folgten trotz vereinbarten Paketpreises Preiserhöhungen. Das ist vertraglich im Prinzip machbar, wenngleich schon ärgerlich. Der Clou ist aber, daß die Mitteiliung der letzten Preiserhöhung so geschickt getarnt wurde, daß die Firma nun der Meinung ist, ich hätte der Erhöhung nicht rechtzeitig widersprochen. Daher könne ich nicht vor Ablauf des Jahres kündigen. Der “Geschäftsbrief”, in dem mir die Tarifänderung mitgeteilt wurde, sieht so aus:
So etwas landet bei mir gern mal ungelesen im Müll. Alle anderen Briefe von Flexstrom sahen und sehen übrigens völlig anders als aus als dieser Flyer mit Reisewerbung. Ich habe das Ding nach einigen Tagen dennoch gelesen, weil ich mich fragte, was dieses Stempelchen “Wichtige Informationen zu ihrem Tarif” wohl hieße. Ich dachte, es gäbe neue Tarife der Firma, auf die man ggf. wechseln könne.
Stattdessen wurde mir zu einer Zeit, da die Energiepreise flächendeckend purzelten, mitgeteilt, man müsse jetzt den Strompreis erhöhen, weil Strom doch so teuer geworden sei.
Das “Schreiben” trägt übrigens kein Datum, aber dafür wird mir eine Frist gesetzt, innerhalb derer ich kündigen könne. Der Text geht lose auf ein Streichholz (die Abbildung ist vergrößert!):
Ich hatte übrigens wirklich Schwierigkeiten, das zu lesen und kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Barriere durchaus absichtsvoll besteht.
In dem guten Glauben, rechtzeitig zu reagieren und amüsiert über ein Schreiben, das keines ist, das kein Datum enthält und dennoch eine Frist setzt, habe ich also den Vertrag mit Flexstrom gekündigt.
Es wird niemanden überraschen, das diese Kündigung von meinen neuen Freunden nicht akzeptiert wurde. Diese behaupten, sie sei nicht fristgerecht eingegangen, ich müsse daher also weitere fünf Monate von dort meinen Strom beziehen. Ich wies in einem weiteren Schreiben darauf hin, daß ich dieses Vorgehen, die Form des Schreibens und die Veränderung des Vertrages meinerseits für inakzeptabel halte. “Unentschieden”, sagt der Schwarze Ritter.
Mein Tarif enthält übrigens eine “Bestprice Garantie” für 54 Euro. Ich werde noch einmal nachhaken, was dieses putzige Nebenkostenwesen ist und wovon es sich ernährt. Vielleicht ist es eine Garantie für Preiserhöhungen?
Ich kann jetzt riskieren, daß man mir den Anschluß sperrt oder vor Gericht gehen. Oder ich kann mir und meinen lieben Freunden von Flexstrom diese Erfahrung eine Lehre sein lassen.
Mich kostet der Spaß gut hundert Euro, die anderen einen Kunden. Ich wechsle übrigens zu den nächstgelegenen Stadtwerken. Drei Anrufe dort, und ich habe bei allen nicht eine Minute warten müssen, bis jemand an Telefon ging. Keine horrenden Zählergebühren, keine versteckten Kosten und eine erfrischend kurze Kündigungsfrist von wenigen Tagen. Insgesamt fast 200 Euro günstiger. Man muß halt manchmal zweimal hingucken.
Tja, und meine guten Freunde, die unnerreichbaren Lieblinge aller Kunden und Könige des fairen Wettberwerbs? Ihnen rufe ich fröhlich und entspannt zu: “Fahrt zur Hölle”, denn da wird immer reichlich Energie gebraucht und die Kunden stehen auf solch charmante Behandlung.
Juli 7th, 2009 at 18:32
Im Phrasendrechen scheinen die ganz vorn zu sein:
Von der flexstrom homepage:
“. Als unabhängiger Energieversorger betreibt FlexStrom keine Atom- oder Kohlekraftwerke. Wir bemühen uns, für Sie den Strom möglichst günstig auf dem Markt einzukaufen.”
Im Klartext: – Wir betreiben ueberhaupt keine Kraftwerke, sondern bereichern uns als (eigentlich vollkommen entbehrliche) Zwischenhaendler.
“FlexStrom verkauft den Strom so günstig wie möglich und bietet Ihnen Strom von gesetzlich garantierter Qualität.”
Mit anderen Worten: Die “Qualitaet” die wir liefern enspricht den gesetzlichen Vorschriften, wir sind ja keine Kriminellen – aber mehr duerfen sie nun wirklich nicht erwarten.
Naja – Jeden Morgen steht ein Dummer auf …
Juli 7th, 2009 at 18:51
btw … Hab mal einen Tarifrechner angesurft und erhielt folgenden Auskunft zu den Stromquellen:
Fossil 48,4%
Erneuerbar 26,8%
Kernkraft 24,8%
Juli 7th, 2009 at 21:04
Da haben wir doch mal wieder ein tolles Beispiel für: “Der Markt machts schon”. Aber das Problem ist nicht, das Verbrecher verbrechen – das gabs schon immer – das Problem ist, dass sie die Segnungen der Politik haben, so handeln zu dürfen.
Juli 7th, 2009 at 21:54
es reißt ein; mit immer dreisteren tricks wird versucht, den kunden das geld aus der tasche zu ziehen. stromanbieter, telefongesellschaften, banken natürlich – sie alle verkaufen produkte, die von irgendwelchen windigen marktspezialisten nur dafür creiert zu sein scheinen, um den kunden aufs kreuz zu legen. xtra kleingedrucktes und und unübersichtliche bis ungesetzliche kündigungsmodalitäten gehören ebenso dazu wie dreiste mahnungen und das einschalten von inkassofirmen bei rechtzeitiger kündigung.
Juli 7th, 2009 at 22:06
Ein Satz, der mir besonders gefällt:
>>Aber das Problem ist nicht, das Verbrecher verbrechen – das gabs schon immer – das Problem ist, dass sie die Segnungen der Politik haben, so handeln zu dürfen.<<
Ich kaufe übrigens meine Kerzen im Ayurveda-Laden.
Juli 7th, 2009 at 22:50
Kann man mit den Kerzen aus dem Ayurveda-Laden vielleicht auch gleich noch heizen? Es wäre jedenfalls echt von Vorteil.
Der nächste Winter kommt bestimmt.
Juli 8th, 2009 at 00:05
@frank f., hängt von der Menge der Kerzen ab. Ich muß allerdings hinzufügen, dass die Wand zum Nachbardoppelhaus schon ziemlich warm ist – im Winter.
Juli 8th, 2009 at 00:07
@frank, in Kassel hat man die Heizkostenpauschale seitens des Sozialamtes von 60 auf 49 gesenkt, mit der Begründung, die Heizkosten wären ab April 2009 gesunken.
Juli 8th, 2009 at 02:06
@ Klaus: nach einem neueren Urteil des Bundessozialgerichts ist die Heizkostenpauschale gesetzwidrig. Es sind die echten Heiz- und NK zu bezahlen, sofern sie angemessen sind (sonst Einzelprüfung).
Also, wenn das Sozialamt in Kassel das nicht wahrhaben möchte: zuscheißen mit Klagen!
@ Flatter: so was ähnliches kenne ich mit versa(ger)tel, die waren unfähig, meinen Telefonanschluß fristgerecht ans Netz zu bringen, darauf habe ich gekündigt – Kündigung nicht akzeptiert, nun wollen die mehrere hundert Euro von mir und haben mir ein Inkassounternehmen auf den Hals gehetzt. Ich reagiere da aber erst drauf, wenns wirklich zu einem Mahnverfahren kommt, und dann erstatte ich Strafanzeige, ich habe es schriftlich, daß verstael mehrfach gelogen hat. Bei Flexstrom scheint mir das nicht unähnlich zu sein, vielleicht einfach mal Strafanzeige erstatten, wenns hart auf hart kommt.
Juli 8th, 2009 at 05:49
Ist doch nett:
Unsere flexiblen, kundenorientierten Privatunternehmen tuen wirklich alles,
um die starre Verwaltungbuerokratie wieder in einem besserem Licht darzustellen.
Das nenne ich mal staatsbuergerliche Gesinnung ;)
Juli 8th, 2009 at 11:47
@ Klaus:
Mensch, da kann man Dir ja nur wünschen, dass Deine Nachbarn auch weiterhin ein regelmäßiges und vor allem ausreichendes Einkommen erzielen :) So dass sie die Stadtwerke oder Flexgas:) oder wen auch immer weiterhin wie gewünscht bedienen können.
Ich – für meinen Teil – bin nicht in so einer glücklichen Lage, solch eine wärmende Wand mein Eigen zu nennen. Also gehe ich demnächst lieber gleich dorthin, wo man sich die Ayurveda-Kerzen von den Bäumen pflücken kann. Das hat außerdem den Vorteil, dass ich diesem irrsinnigen Spektakel hier in D. endlich Adieu sagen kann … jedenfalls physisch gesehen.
Juli 8th, 2009 at 11:49
@landbewohner
“es reißt ein; mit immer dreisteren tricks wird versucht, den kunden das geld aus der tasche zu ziehen. stromanbieter, telefongesellschaften, banken natürlich – sie alle verkaufen produkte, die von irgendwelchen windigen marktspezialisten nur dafür creiert zu sein scheinen, um den kunden aufs kreuz zu legen.”
Kleiner Tipp von mir. Wenn es Ihnen nicht ausreicht, sich mit Versicherungen, Banken usw. rumzuschlagen, engagieren Sie doch einen unabhängigen Finanzoptimierer (AWD, MLP).
Der empfiehlt Ihnen einen Haufen nutzloser Versicherungen. Dann können Sie sich nur über die Versicherungen ärgern, sondern müssen noch ständig darauf aufpassen, dass Sie derjenige, der eigentlich dazu ist, Ihnen zu helfen, nicht auch noch übern Tisch zieht. Das erhöht ganz erheblich den Thrill.
Juli 8th, 2009 at 12:14
@Franktireur: Ich sehe nicht, gegen welchen Strafrechtsparagraphen Flexstrom verstoßen haben sollte. Daß man sich betrogen vorkommt – geschnenkt! Aber die Vorgehensweise ist nicht strafbar. Selbst ob das Illegal ist und solch Kleingedrucktes nebst Interpretation etwa gegen Vertrags- oder Wettbewerbsrecht verstößt, müßte ja erst festgestellt werdenn. Das ist mir uz anstrengend und ggf. zu teuer.
Was mich fasziniert, ist die Kundenfreundlichkeit solcher Unternhemen. Gerade das genannte lebt von wechselfreudigen Kunden. Was glauben die wohl, wo ihre Kunden bald massenweise sind? Ich würde heute keine Aktien von einem Zwischenhändler kaufen, der glaubt, seine Abnehmer seien Vasallen.
Juli 8th, 2009 at 13:33
@franktireur: der widerspruch ist schon unterwegs, zumindest in gedanken.
@frank: die nachbarin ist schon sehjr alt. das glück könnte nicht mehr lange währn.
Juli 8th, 2009 at 14:03
@flatter
Langfristig wird da ohnehin nicht gedacht.
Bei derartigen Unternehmungen geht es hauptsaechlich darum schnelles Geld zu machen. Wenn dann nach ein paar Jahren die Mehrheit der Kunden enttaeuscht abgewandert ist, kann man den Laden einschlafen lassen, und macht gleichzeitig etwas unter neuem Namen auf.
Juli 8th, 2009 at 14:08
Wenn man geschickt ist, kann man sogar die Kunden, die man unter der einen Firma verloren hat unmittelbar wieder unter einer anderen anwerben…und die Bueroarbeit vom gleichen Personal erledigen lassen.
Das ist dann das Magnum Opus der freien Marktwirtschaft ;)
Juli 9th, 2009 at 17:38
Tjo, kauf nicht beim Reseller, denn der kann nie billiger sein, als sein Lieferant – auch wenn das auf dem Papier auf den ersten Blick so aussehen mag.
gruß