Nachdem schon gestern Hans Leyendecker einen inhaltsarmen Artikel über angebliche Terrorgefahr abgelassen hat, traut sich heute auch Christoph Seils, ähnliches zu verbreiten. Das Ganze bleibt diffus von vorn bis hinten, so daß man sich fragt, welchen Sinn die Übung macht. “Hochrangige Sicherheitsexperten”, Terrorfachleute, ein “hochrangiger Sicherheitsbeamter” werden genannt, die “Bedrohungslage” in einem Atemzug heruntergespielt wie aufgebauscht und schließlich festgestellt:
“Es gibt keine konkreten Hinweise” auf einen geplanten Terroranschlag.

Beide Qualitätsjournalisten geben zu Protokoll, eine Panikmache solle vermieden werden. Das ist interessant, gibt es denn Lagen, in denen eine Panikmache nicht vermieden werden soll? Und stimmt das so? Denn wenn vor Terroranschlägen gewarnt wird, derweil gar keine geplant sind, was passiert dann erst, wenn es einen Hinweis auf irgendetwas Konkretes gibt? Werden dann die Schulen geschlossen und Lebensmittelscheine ausgegeben?

Ganz beiläufig erwähnt Seils in der “Zeit”, daß etwa die “Telefonobservation [...] ausgeweitet” wird. Es gibt keinen konkreten Verdacht, aber eine Telefonobservation findet nicht nur statt, sie wird gar ausgeweitet. Wer wen warum observiert, bleibt ungeklärt. Das einzig Konkrete:
” ‘Wir haben alle Madrid im Hinterkopf’, sagte Staatssekretär Hanning”.
Da bleibt für Verstand natürlich nicht mehr viel Platz. Man beschwört den Terrorfall wie in Gebeten. Seit Jahren wird mit diesem Spuk Politik gemacht, um Bürgerrechte einzuschränken – erfolgreich. Telefonüberwachung? Da zuckt der Journalist nicht einmal mehr, schließlich überwachen die guten Terrorexperten die Bösen vom Islam.

Gleichzeitig wird bekannt, daß die Stasi nicht nur ein Geheimdienst war, wie er auch woanders vorkommt, sondern die deutschen Sicherheitsbehörden und Terrorexperten deren erfahrenes Personal gleich übernommen haben. Sie kennen alle Mittel und haben Erfahrung mit deren Handhabung, eine Kompetenz, auf die wir seit der Organisation Gehlen verzichten mußten. Die Tatsache, daß es sich um ehemalige Verteidiger des Sozialismus handelt, sorgt für lauen Aufruhr in einigen Gazetten.

Darüber wird aber schon bald wieder Gras wachsen, denn daß die Schweinehunde von gestern die Systemträger von heute sind, ist nichts Neues. Es ist auch völlig unproblematisch, wenn sie sich durch eine flexible Haltung gegenüber den Menschenrechten auszeichnen. Solange sie die sozialistische Ideologie nicht mehr vertreten, sind sie nützliche Mitglieder der Gesellschaft. Diese Hunde des Krieges gelten nicht als das häßliche Gesicht des real existierenden Sozialismus. Sie taten und tun nur ihre Pflicht.

Tatsächlich unterschied sich die Stasi von manch anderem Geheimdienst. Was für sie innere Arbeitsteilung war, erledigen woanders eine ganze Reihe von Institutionen, ihre Arbeitsweise in puncto Überwachung war manisch, weil beliebig. Sie ließ das ganze Volk wissen, daß es ständig überwacht wurde.
Modernere Sicherheitsapparate arbeiten effizienter. Sie überwachen selektiv, machen sich selbst weniger verdächtig und sind in mannigfaltige Organisationen unterteilt. Die Propaganda besorgen sie selbst kaum mehr. Diese erledigen Politiker und Journalisten Hand in Hand.

Niemand muß befürchten, von Nachbarn und Verwandten bespitzelt zu werden. Nur wer anders ist und durch sein Verhalten, seine Einstellungen oder die Zugehörigkeit zu einer als gefährlich eingestuften sozialen Gruppe auffällt, gerät ins Visier der Experten. Die Gefährder werden beobachtet, überwacht, kategorisiert, verdächtigt und angeklagt. Vor ihnen wird gewarnt, für sie werden Rechte angepaßt. Weil sie etwas tun könnten. Ganz offensiv wird das regelmäßig an die Wand gemalt, was dann passieren würde. Das ist allemal so beängstigend, daß das Wahlvolk den Sicherheitskräften vertraut und ihnen allen denkbaren Kredit gewährt.

Vielleicht haben die Eliten auch deshalb ein Nachsehen mit den Bankern, die sich das Geld ihrer “Anleger” erschlichen und es verbrannt haben. Was die Banken verschleiert und vertuscht haben, was sie verschwiegen und verdreht haben, um die Risiken ihrer irrsinngen Geschäfte zu verdrängen, war schon monströs. Die Risiken für den Rechtsstaat, die in der freiheitlich-demokratischen Sicherheitsarchitektur wüten, werden freilich so dreist übertüncht, daß die Praktiken der Banken dagegen transparent und vernünftig erscheinen.