Es ist ja nicht nur so, daß meine Kristallkugel Güllners Gedanken lesen kann. Ich habe u.a. bereits im jahr 2005 bereits den aktuellen Zustand der FDP und ihrer Vorbeter beschrieben:
“Die Gleichsetzung von Reichtum und Befriedigung hat in der Selbstsorgergesellschaft als postmoderne Form des Hedonismus die protestantische Heilslehre abgelöst. Der quasi-religiöse Charakter der neuen Ideologie besteht nicht zuletzt darin, daß dem Ökonomischen der Vorrang vor allen anderen Diskursen eingeräumt wird. Etwas anderes zu propagieren, ist Blasphemie. Wer glaubt, man könne die weltweite Wirtschaft in ihrem Wirken aus Gründen der Menschlichkeit oder besseren Wissens beschneiden, wird nicht nur verlacht, weil er so naiv ist. Es ist Ketzerei, die der Gegenreligion, dem satanischen Sozialismus/Kommunismus zugeschrieben wird.
Daß sich verkitschte und fanatische Religiosität mit dem wirtschaftlichen Diskurs vermengen, sei einmal außen vor gelassen. Aber es ist erstaunlich, wie wenig sich die Theorien des Wirtschaftens und vor allem der öffentliche Diskurs, die Ideologie, um die Frage scheren, wozu gewirtschaftet wird. Es scheint nur erlaubt, darüber zu streiten, wie gewirtschaftet wird, wobei die Theoreme alle bereits festgelegt sind.
Das Ganze mutet an wie ein Kirchenstreit. Es kann nicht danach gefragt werden, wem die Kirche dient. Es gibt keine Ziele, die unmittelbar um des Menschen willen erreicht werden sollen. Das Ziel ist gleichermaßen unerreichbar, wie es außer Zweifel steht: Hie Gott, da die Marktwirtschaft. Und wie religiöses Handeln Gott dient, so dient wirtschaftliches Handeln der Ökonomie. Wie Gott die Gesetze vorgibt, die man nur interpretieren kann, so setzt die in sich selbst identische Wirtschaft die Regeln, die man auslegen kann, aber nicht anzweifeln.
Worin ebenfalls Übereinstimmung besteht, und darin liegt die Hoffnung, ist, daß auch die Religion der Marktwirtschaft ihre Heilsversprechen nicht hält.”
Juni 14th, 2009 at 00:21
Dazu möchte ich gerne auf eine hervorragende Arte-Dokumentation hinweisen:
Wirtschaft ohne Moral
Teile 1-6
Teil 1:
https://www.youtube.com/watch?v=djIXf9UEy2A&feature=related
Hervorragende Dokumentation, die die Nokia-Geschichte (profitablen deutschen Nokia-Standort [50.000€ Gewinn/Arbeitnehmer] dichtgemacht zugunsten eines noch profitableren Standortes), die Continental-Entwicklung und das Treiben von Profitraten durch große Finanzinvestoren über den Shareholder-Value von börsennotierten Unternehmen.
Auch ein Manager der älteren Generation kommt zu Wort, der klipp und klar erklärt, dass eine Gewinnsteigerung von 10% auf 13% eines an sich profitablen Unternehmens kein Grund sind, 300 Menschen auf die Straße zu setzen, dass Manager dank des Einflusses der Börse aber nicht anders können.
Zudem erklärt er, dass die Shareholder in der Regel keine kleinen Leute sind, die kleine Aktienpakete halten, sondern eher riesige Finanzinvestoren, die ganz schnell ganz viel rausholen wollen, aber nicht an langfristigen Strategien noch an langfristigem Erfolg interessiert sind und dass das auf lange Sicht halt viele Unternehmen kaputt macht, denn so ein Unternehmen kann aus VIELEN Gründen mal eine Durststrecke haben, es kann sich aber trotzdem lohnen, dieses Unternehmen über diese Durststrecke zu retten.
SEHR EMPFEHLENSWERT.
ANSEHEN!!!
WEITERSAGEN!!!
Juni 14th, 2009 at 00:36
Vielen dank für den tollen artikel. wenn man die FDP mal nach dem sinn ihrer Ideologie fragt werden sie den gleichen fundamentalistischen Mist stammeln wie die Kirche.
Juni 14th, 2009 at 01:33
@flatter
Darf ich Dich jetzt so auslegen, dass Du der FDP noch eine vielhundertjaehrige Erfolgsgeschichte vorraussagst?
Wenn ich mir so anschaue, wie weit der Stuhl Petri mit heisser Luft gekommen ist, ergibt sich diese Auslegung irgendwie automatisch fuer mich.
Nicht sehr aufmunternd am fruehen Morgen :(
Juni 14th, 2009 at 08:49
“… und darin liegt die Hoffnung, ist, daß auch die Religion der Marktwirtschaft ihre Heilsversprechen nicht hält” … für die Hohepristerschaft wird sie das Heilsversprechen halten :-/
Juni 14th, 2009 at 09:56
Wirtschaft:
1.Wer sein Geld ausgibt, erhält einen Gegenwert.
2. Wer sein Geld zur “Bank” trägt, erhält dieses zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu 100 plus 0 % zurück.
3. Wer Geld aus dem Umlauf nimmt, also weder ausgibt noch spart, “erzielt” einen Wertverlust von jährlich 12 %.
3. ist heute technisch leicht machbar. In der Realität wohl erst umsetzbar, wenn eine Restmenschheit den Neubeginn konzipiert.
Damit möchte ich auch meinen richtigen Namen preisgeben. Der Anfangsbuchstabe gehört ans Ende.
Juni 14th, 2009 at 11:05
Niemand fragt ja auch, warum wir technischen Fortschritt brauchen? Um des technischen Fortschritts willen. Absurd und sinnentleert. Das ist unser Zeitgeist.
Juni 14th, 2009 at 11:16
Im Sinne von Wirtschaft: Wir brauchen technischen Fortschritt, um uns das Leben zu erleichtern.
Im Sinne von “unserer Wirtschaft”: Wir brauchen technischen Fortschritt, um Kapital mit Zinsen auszustatten, auf Konten Nullen rechts vom Komma zu produzieren.
Juni 14th, 2009 at 12:37
Als Verkäufer erlaube mir, zu dienen,
mein Vater Dir.
Deine Macht reichst Du uns durch Deine Hand,
diese verbindet uns wie ein profitables Band.
Wir waten durch ein Meer von Geld, gib uns
dafür Skrupelosigkeit und Macht.
In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.
Wir wollen doch die Katholiken nicht vernachlässigen, oder ?
Aber mal im Ernst.
Die Menschen brauchen ganz offensichtlich ständig eine Form von Religion. Dabei braucht dies nicht mal einen spirituellen Wert zu haben. Simple einfache Regelungsmechanismen, nach welchen man sein Leben ausrichten kann entsprechen dem Zweck ein Volk kalkulierbar zu halten, und die Zukunft damit steuerbar zu machen. Der uralte Satz der Weisen welche Weisheit damit verkauft haben dass es bedeutet soweit wie möglich in die Zukunft voraussehen zu können. Die Motivation dahinter war nie das Ziel, oder das wofür, sondern immer die Kalkulation der Gegenwart.
So war es auch immer die Aufgabe der Opfer selber es zu ändern. Die Gegenwart zu ändern, denn nur mit der Gegewart verändert man auch die Zukunft.
Wenn man den zentralen Begriff einer Religion, einer Systematik, oder auch einer Ideologie durch einen anderen Begriff ersetzt ändert sich nichts am Konzept, aber der Kontext jedesmal radikal. Nehmt euch z.B. mal ein paar Diplom-, Dr.-Arbeiten von ein paar Wirtschaftlern und ersetzt das Wort Markt durch einen anderen Begriff. “Gott” z.B. Ich persönlich bevorzuge das Wort “Mensch”:-)
Geht übrigens auch mit politischen Ideologien, Religionen, – was auch immer. Der zentrale Begriff hat immer die Deutungshoheit über alles andere. Zu metaphysisch? Was ist an Wirtschaftswissenschaft nicht metaphysisch?
Juni 14th, 2009 at 21:01
Das Schlimme ist, dass man das nicht nur auf die FDP, sondern auf die Auffassung der Wirtschaft im Allgemeinen – und so dauert es nun sehr lange, bis in bestimmten Fragen überhaupt ein Umdenken statt findet. An Grunddogmen darf aber nach wie vor gar nicht erst gerüttet werden und es fehlt die Einsicht, dass sich manche Dinge erstmal ändern müssen, um das Gleichgewicht in der Wirtschaft wieder herzustellen – ein Garant dafür, dass eine noch viel grössere systemische Krise, die sich schon seit Jahrzehnten anbahnt, irgendwann noch ihren Ausbruch findet, wenn sie nicht sie ihn nicht schon fand.
Juni 14th, 2009 at 21:41
Ob das Christentum (das ich nicht als “Religion” bezeichne, aber eine Erklärung warum, führt zu weit) seine Heilsversprechungen einhalten kann, erfährt man in dem Moment, wo man es nicht mehr weitersagen kann: wenn man vom Schlitten fällt.
Alles andere ist so seriös, wie die Behauptung, die ich vor zig Jahren in einem Buch über Ethik gelesen habe, Zitat aus dem Gedächtnis:
“Ein Leben nach dem Tode gibt es nicht.”
–> Woher will der Autor das wissen? Nachgesehen kann er nicht haben.