In der “ZEIT” fabuliert Jörg Faust ohne Sinn und Verstand von einer “Demokratieförderung” durch die Staaten des freien Westens. Das einzige Kriterium für das Vorhandensein von “Demokratien” scheint für ihn das sporadische Abhalten von Wahlen zu sein. Die Ergänzung, “dass diese nämlich explizit Kritik und Protest erlauben, um hieraus ihre Flexibilität und Reformfähigkeit zu erfahren“, ist angesichts der aktuellen Entwicklung in den USA und anderswo ein schlechter Scherz.

berlutsch

Die Analyse, “Etliche europäische und nordamerikanische Staaten haben als Hauptträger der Demokratieförderung nicht nur an Legitimität verloren, weil die jüngere ökonomische Performanz ihrer Systeme nicht überzeugen konnte.” wäre in einer Satire ein schöner Satz. Da das leider ernst gemeint ist, rauscht es mit eindrucksvollem Speed an der Wirklichkeit vorbei. Die Menschen interessieren sich einen Dung für die “ökonomische Performanz ihrer Systeme”.

Frei, gleich, solidarisch – da war doch was?

Hier ist das Soziologendeutsch nur noch ein Symptom intellektuellen Versagens. Demokratieförderung betrieben zuletzt die Völker Nordafrikas. Vor allem durch sie haben auch die Menschen hier wieder erkannt, dass man erkämpfen muss, was Demokratie eigentlich ist: Eine Gesellschaft freier Menschen mit gleichen Rechten. Der Neoliberalismus hat mit seinem Zwiesprech und der Verhöhnung der “Gleichmacherei” weltweit bereits fürchterlichen Flurschaden verursacht und ist mit seiner zerstörerischen Mission noch lange nicht am Ende.

Dass die feindliche Übernahme der ehemals “demokratisch” genannten Staaten durch Banker auch nur ansatzweise den gewünschten Erfolg hat, glauben derweil nur die Putschisten selber. Die Staatsanleihen gehen weiter fröhlich den Weg ins Desaster. Schön zu lesen, dass die italienische Linke aus Freude über den Rückzug des Duce nicht eingeschlafen ist. Das haben sie sich doch ganz anders vorgestellt, als vom Regenten in die Traufe zu kommen. Die Proteste gehen weiter, jetzt erst recht.

Präsidiale Unterschrift gegen Bürgerrechte

Das ganze Vorgehen der Banker und ihrer EU-Follower ist dabei nicht nur diktatorisch, es ist auch noch unfassbar naiv. Ernsthaft sollen die Regierungen “unterschreiben”, dass sie tun, was ihnen befohlen wird. Eine ganz neue Art der Unterschriftensammlung: Die Regierungen unterschreiben bei den Bankern für die Rechtslosigkeit ihrer Bürger. Damit sollen dann also Parlament und Volk entmündigt sein. Wo leben diese Traumtänzer?

Der Realitätsverlust zeigt sich aber nicht erst auf Regierungsebene. Ein Symptom aus einer der besten aller Welten, das mich überhaupt nicht überrascht hat, wird heute skandalisiert: Der Bereichsleiter einer Arbeitsagentur (sympathischerweise von Jonas Nonnenmann “Arbeitsamt” genannt), seines Zeichens ‘verdienter’ Gewerkschafter, beutet seine ‘Kollegen’ höchstpersönlich aus. Vielleicht ließ er sie ja sogar unter Zwang in die Leiharbeit pressen, dann hatte er gleich noch einen dollen Vermittlungserfolg.

Das ist alles kein Widerspruch, wo “sozial ist, was Arbeit schafft”. Genauso wie es erst durch eine Mordserie zum Thema wird, dass der Staat hundert Nazis fürs Säen und Ernten von Hass und Terror bezahlt. Und das ist genau die Gesellschaft, aus der das Volk nach 20 Jahren schon wieder raus will. Dessen diffuses Aufbegehren ist mehr Demokratie als alle ‘freien’ Wahlen von korrupten Mandatsträgern zusammen. Dumm nur, dass es diesmal kein “Drüben” gibt. Jetzt müssen wir das wohl alles hier ausbaden.