Als hätte es einer Illustration meines gestrigen Artikels bedurft, hat Dieter Bednarz bei SpOn einen derart dümmlich-jovialen Artikel über den Beruf der Erzieherin ins Netz gestellt, daß einem der Kragen rotiert. Das Geschwafel von Ohrstöpseln und Baldrian, die er braucht, um seine “Goldstücke” länger als ein paar Minuten an der “Wickelfront” zu ertragen, mag ja ein schmerzhafter Versuch sein, witzig zu erscheinen. Es verstärkt aber bedauerlicherweise die Wirkung eines inkompetenten Großkotzes, der seiner Minna ein Almosen zukommen läßt und ihr dafür regelmäßig auf den Arsch haut.

Als ginge es bei den aktuellen Protesten und Streiks der Erzieherinnen um Wickelkommoden! Zwar ist der Aufhänger, für eine bessere Gesundheitsversorgung der Mitarbeiterinnen zu sorgen, ein wichtiger Aspekt, dies aber aus juristischen Gründen, da so die Friedenspflicht umgangen werden kann. Tatsächlich ist beides allerdings auch inhaltlich wichtig: Es geht nicht nur um mehr Geld, sondern auch darum zu zeigen, welchen Belastungen Erzieherinnen ausgesetzt sind.

Genau das interessiert Bednarz aber überhaupt nicht. Er formuliert das so:

“Toll, denke ich dann, Petra und Co. dürfen den Vormittag mit unseren Kindern verbringen, während ich mich ins Büro schleppen muss. Wie gerne würde ich dann tauschen.
Aber sagen darf man ihnen nicht, dass man sie beneidet. Da kann selbst die gelassene Petra ganz wuschig werden. Richtig grimmig hat sie mich angesehen, als ich mal geseufzt habe: ‘Ihr dürft mit unseren Kindern zusammensein, und wir müssen arbeiten gehen.’

Dieser infantile Schwachsinn über wuschige ganz grimmig guckende Petras ist ein Schlag ins Gesicht der Angestellten, die er mit seinem naiven Oberschichtsgelaber zuvor beleidigt hat. Hätte sie ihm das Nasenbein gebrochen und ihn ein Arschloch genannt, ich hätte es verstanden. Aber auch die Selbstbeherrschung angesichts unerträglich dummer und arroganter Klienten gehört zu den Belastungen in dieser Branche.

Die Wirklichkeit des Berufs sieht übrigens auch noch ganz anders aus. Es sind nicht immer die verwöhnten Kinder von FDP-Wählern, mit denen sich das pädagogische Personal herumschlagen muß. Jenseits der Kitas, in der Kinder-und Jugendhilfe zum Beispiel, kommen alle denkbaren und für andere unvorstellbaren menschlichen Abgründe dazu. Auch hier werden Erzieherinnen gnadenlos ausgebeutet. Häufig arbeiten sie auf Stellen für Sozialpädagogen und manchmal sind sie auch noch besser als diese. Mehr Geld gibt es dafür trotzdem nicht. Auch keine gesellschaftliche Anerkennung. Sie bleiben “nur” Erzieherinnen.

Ich denke, wenn man ihnen wirklich sagte, was auf sie zukommt, würden sie sich gar nicht erst für diesen Drecksjob ausbilden lassen. Immerhin ist der Druck inzwischen so groß, daß er sich langsam Bahn bricht. Viele haben schon lange die Nase voll, aber es wie so oft halten sie still: Es ist ihr Job, sie haben oder sehen keine Alternative, und wenn es jahrzehntelang alles schon so war, kann es jetzt ja nicht plötzlich falsch sein. Und immer mal ist eine von ihnen so unvorsichtig zu äußern, daß sie ihren Beruf mag. Das schreiben Leute wie Bednarz natürlich gern mit.

Sie sind nicht allein. Pflegepersonal ist mindestens genauso schlecht dran. Der ganze “soziale Bereich” und “Gesundheitsbereich” lebt von der Ausbeutung seiner Mitarbeiter, vor allem der nicht studierten und vor allem der weiblichen. Und was fällt den Krawattenträgern in den Parlamenten, Instituten und Vorständen ein? Richtig: Den Gürtel enger schnallen und im sozialen Bereich sparen. Der Idealismus der dort beschäftigten Sklaven wird das schon tragen.
Leute wie Bednarz sehen das so: Ihr dürft etwas sinnvolles tun und werdet mies bezahlt, ich muß etwas Überflüssiges tun und bekomme ein sattes Gehalt. Was fühle ich mich schlecht, was seid ihr zu beneiden!
Müssen Menschen, die ein solches Karma ihr eigen nennen dürfen, auch noch gut bezahlt werden?

Natürlich ist es wurscht, ob jemand ein Schwänzchen in der Hose hat oder nicht. Ich will sie alle auf der Straße sehen, Männer und Frauen, je mehr und je länger desto besser. Die Altenheime, Krankenhäuser, Kitas und Sozialeinrichtungen sollen so lange dicht machen, bis sich wirklich etwas ändert in dieser Republik. Dazu brauchen wir allerdings vor allem mutige Frauen, die sich nicht auch noch für die letzte Konsequenz der untragbaren Zustände verantwortlich machen lassen.
Laßt euch nicht suggerieren, die Leidtragenden solcher Streiks seien eure “Opfer”. Sie sind wie ihr einfach Kostenfaktoren, die klein gehalten oder eliminiert werden müssen.