Im Wahlkampf geschehen voraussehbare Dinge in den Redaktionen, aber durchaus auch merkwürdige. Bei SpOn beschreibt ein Redakteur vollen Ernstes, wie er ein Leben lang unter dem Meinungsdiktat der Linken gelitten hat. Sehr erhellend, daß derart psychsich geschädigte Wirrköpfe für den “Spiegel” schreiben. Ich habe leider keinen Link dafür.
Woanders wird wieder routiniert gegen Lafontaine gehetzt, der sagen kann, was er will – er wird als “Linkspopulist Lafontaine” bezeichnet, als sei dies sein Titel und Rang. Auch dafür keinen Link.
Immerhin diskutabel erscheint der ebenso routiniert wie unreflektiert erhobene Vorwurf gegen die Grünen, denen sowohl Zeit.de als auch Sueddeutsche.de nachsagen, sie würden mangels Regierungsperspektive nun völlig unbezahlbare Vorschläge machen, mit denen sie in den Wahlkampf ziehen. Dabei sind die vorgeschlagenen Ausgaben für Bildung und die Abschaffung der Praxisgebühr alles andere als utopisch. Es wird nacherade so getan, als sei die unsinnige Praxisgebühr ein Segen, der nach Jahrzehnten des Erfolgs plötzlich abgeschafft werden solle. Hier wird jedes Detail der Agenda 2010 verteidigt, als handele es sich dabei um die Essenz der Grundrechte.
Die Propaganda wiederholt die alten Parolen, als hätte sich nichts geändert. Die Journaille unterbietet noch das Niveau des Wahlkampfs, indem sie in Fußballfan-Manier für den einen und gegen den anderen Club die einstudierten Gesänge aus den Redaktionskurven gröhlt.
Es geht also um “Finanzierbarkeit” ? Die Frage wäre genau die richtige, aber sie wird nur scheinbar gestellt. Man kann und muß alle Parteien fragen, warum sie kleinkrämerisch die Groschen hin und her schieben, während die Milliarden schon buchstäblich nichts mehr wert sind. Da wird so getan, als müsse jeder Posten “gegenfinanziert” werden, der kleine Einkommen entlastet oder soziale Investitionen beinhaltet. Wie dumm muß man sein, um das Problem nicht zu erkennen? Die Wähler und Leser stellen sich längst die Frage, wieso Billionen locker gemacht werden, um ein irrwitziges Wirtschaftssystem zu stützen, und warum ausgerechnet kein Geld mehr für die Bedürfnisse der breiten Masse da sein soll.
“Wo bleibt der Große Wurf?”, das wäre die Frage. Wer löst das Problem, sind die Bürgschaften und Geschenke für die Zocker und die Großindustrie überhaupt zu finanzieren? Dann kann es ja wohl auf ein bißchen mehr nicht ankommen, das in die Zukunft und den Binnenmarkt investiert wird. Oder sind sie eben nicht finanzierbar? Dann wird die Schieflage erst recht sichtbar. Man gewinnt den Eindruck, die Bürger seien nicht “systemrelevant” und deshalb sei ihnen jede Belastung zuzumuten, um die Existenz der “Großen” zu sichern. Es wird suggeriert, daß wer die Umstände benennt, ein linker Aufwiegler sei.
Diese aber wird todsicher die nächste Krise sein, die zu verschweigen wohl erste Journalistenpflicht ist: Daß das lange schon geschwundene “Vertrauen” der Bürger in ihren Staat in blanke Wut mündet. Niemand muß das “herbeireden”, im Gegenteil werden Verschweigen und Vertuschen, die dumpfen Mittel der Propaganda, sich als Ruhe vor dem Sturm erweisen. Wer in diesen Zeiten ehrlich staatstragend wirken will, muß den Irrsinn radikal kritisieren. Das “Weiter so” der verdinglichten Funktionsoptimisten ist intellektuell nicht weit entfernt von den letzten Tagen im Führerbunker.
Wenn es noch eines Symptoms bedurfte, um sich den Zustand im Lande vor Augen zu führen, so ist dieses in den Umfragewerten für die FDP zu finden. Daß das denkbar blödeste Festhalten an einer fatalen Ideologie derzeit den größten Applaus erntet, ist absolut alarmierend. Was danach kommt, will vielleicht niemand wissen. Es wird dennoch kommen, und es wäre die gottverdammte Aufgabe des Journalismus, sich dem zu stellen, ehe es einmal mehr zu spät ist.
Mai 10th, 2009 at 00:47
Was mir dazu einfällt: die Gewinne der FDP gehen zu Lasten der CDU/CSU, also so what? Ansonsten bin ich ohnehin der Überzeugung, daß das Zeitungssterben schon seine Richtigkeit hat, denn diese Presseorgane braucht kein Mensch.
Mai 10th, 2009 at 01:53
Es ist letzten Endes nur eine Frage der Zeit: es wird, es muss kollabieren, das System, das wirtschaftliche wie dann auch das politische. Da helfen auch die selbst gesteuerten, sich lange selbst ergebenen Medien mit ihrer Propaganda nicht mehr. Das Korrektiv, lange Zeit ein Krieg, kann so nicht mehr stattfinden, ein Ersatz für denselben findet international gerade statt, wenn auch langsam und undurchschaubar erscheinend. Es ist die Zeit der Parolen-Schreier, der Lösungs-Bekunder und der Durchhalter…, was kommt?
Der Zahltag? Das Finale der Aufklärung? Der Retter? Der Heiland?
Alles lächerlich, kommt doch das, was in Varianten immer gekommen ist:ein Herunterbrechen in Form von Mord und Totschlag. Keiner, auch ich, will das. Aber wo ist die Alternative?
Mai 10th, 2009 at 01:58
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Es wird nacherade so getan, als sei die unsinnige Praxisgebühr ein Segen, der nach Jahrzehnten des Erfolgs plötzlich abgeschafft werden solle. Hier wird jedes Detail der Agenda 2010 verteidigt, als handele es sich dabei um die Essenz der Grundrechte.
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Das Traurige ist: Würde es hier um die Essenz der Grundrechte gehen, würden die Medien nicht halb so verbissen kämpfen…
Mai 10th, 2009 at 06:12
[...] Flatter | Feynsinn Blog | – Im Wahlkampf geschehen voraussehbare Dinge in den Redaktionen, aber durchaus auch [...]
Mai 10th, 2009 at 08:04
Stern: Warum? Wie erklären Sie sich das?
Hobsbawm: Der Mensch hat ein unglaublich kurzes Gedächtnis. … Fast nichts wird aus der Geschichte gelernt. In den letzen 30, 40 Jahren wurde eine rationale Analyse des Kapitalismus systematisch verweigert.
Stern: Wir haben jede Menge Wirtschaftswissenschaftler, Experten, die den ganzen Tag nichts andres tun.
Hobsbawm: Wir haben vor allem Theologen des Marktes mit einem kindlich-kindischen Glauben, dass der Markt alles von allein regeln wird. Sie verschließen die augen vor der Wirklichkeit, das macht sie so gefährlich für die Menschheit. In den vergangenen Jahren weigerten sie sich einfach, die Krisen, die sich immer mehr aufbauten, überhaupt wahrzunehmen. Verblendete. Ignoranten.
Eric Hobsbawm, der größte Historiker des 20. Jahrhunderts: Es wird Blut fließen, viel Blut., Stern 20/2009
Mai 10th, 2009 at 08:25
Das mit der FDP will mir auch nicht in den Kopf und ich fasse mir an diesen, wenn ich sehe, wer in meinem Umfeld diese Ver-Dummfug-Partei als Protestwahl-Alternative ansieht.
Ich wünsche mir eine werbefreie Presse, dann wäre ich auch bereit, ein Abo zu bezahlen. Für undifferenziertes Geschmiere in wirtschaftlicher Abhängigkeit gibt es kein regelmäßiges Geld – basta…;-)
Mai 10th, 2009 at 09:03
Wie ticken die Narren der „neuen Mitte“ (FDP, SPD, …)? Bestimmt so: „Jetzt, durch eine mutige Steuersenkung-Aktion die endgültige Ausplünderung des Volkes durchzuführen. Mit der Beute würde man sich eine bestausgerüstete private Armee und Polizei leisten, gegen die neuen Armen keine Chance haben werden.“ Das ist der nächste Totalkrieg unseren „Eliten“. Hannah Arendt (Macht und Gewalt) sagte damals dazu:
Seit Beginn des Jahrhunderts hat man immer wieder behauptet, die Chancen für Revolutionen hätten sich entscheidend verringert, ja Revolutionen wären nicht mehr möglich, und zwar wegen der ständig anwachsenden Zerstörungskapazität von Waffen, die ihrem Wesen nach nur der Staatsmacht zur Verfügung stehen. Die Geschichte der letzten siebzig Jahre, die einen Rekord an erfolgreichen wie gescheiterten Revolutionen aufstellten, spricht eine andere Sprache. Waren die Leute, die gegen eine so erdrückende Übermacht auch nur zu rebellieren versuchten, einfach wahnsinnig? Und wie erklären sich denn erfolgreiche Revolutionen oder auch nur eine vorübergehende Machtergreifung? Die Lösung des Rätsels ist einfach. Einmal ist die Kluft zwischen staatlichen Gewaltmitteln und, dem, womit das Volk sich zur Not bewaffnen kann – von Bierflaschen und Pflastersteinen bis zu Molotow-Cocktails und Schußwaffen – schon immer so enorm gewesen, daß die modernen technischen Errungenschaften kaum ins Gewicht fallen. Zum anderen ist die verbreitete Vorstellung von der Revolution als Folge des bewaffneten Aufstands ein Märchen. Revolutionen gerade werden nicht »gemacht« und am wenigsten durch eine lernbare Prozedur, in der man vom Dissent zur Verschwörung, von passivem Widerstand zum bewaffneten Aufstand fortschreitet. Wo Gewalt der Gewalt gegenübersteht, hat sich noch immer die Staatsgewalt als Sieger erwiesen. Aber diese an sich absolute Überlegenheit währt nur solange, als die Machtstruktur des Staates intakt ist, das heißt, solange Befehle befolgt werden und Polizei und Armee bereit sind, von ihren Waffen Gebrauch zu machen. Ist das nicht mehr der Fall, so ändert sich die Situation jählings. Nicht nur kann der Aufstand nicht niedergeworfen werden, die Waffen wechseln die Hände, und zwar manchmal, wie etwa in der Ungarischen Revolution, binnen weniger Stunden.
Mai 10th, 2009 at 09:27
Diese Krise wird bald zu Ende sein und das ganze Theater wird von vorne losgehen. Alles wird als einmaliger Ausrutscher, ausgelöst durch einige gierige Banker und Manager, erklärt werden. Auf keinen Fall Kritik an diesem System üben, in das sich die neo-liberale Ideologie wie eine Krebszelle eingefressen hat. Nur durch das ständige wiederholen dieser Phrasen und das Herunterbeten, dass Wirtschaftswachstum und Erhalt von Arbeitsplätzen der einzig Sinn von menschlichem Dasein wäre, gelingt es den überwiegenden Teil des Volkes so zu verblöden, dass die FDP in dieser Zeit solchen Zulauf vermelden kann.
Mai 10th, 2009 at 10:09
[...] macht mit Stasi-Schäuble die Speerspitze. Dann das unwürdige Geschachere, das Feynsinn heute auf die Harke nimmt: Man kann und muß alle Parteien fragen, warum sie kleinkrämerisch die Groschen hin und her [...]
Mai 10th, 2009 at 10:40
Was soll’s?!
All das, was die so genannten Bürgerlichen da veranstalten, dem Bürgertum aber dabei gleichzeitig nachhaltig schaden, rückt das unvermeidbare Ende des Status quo nur in etwas greifbarere Nähe. Wie sich ihre Lohnschreiber verdrehen, das A zum O machen, ist letztlich auch nur unterhaltsam. Die freie Presse lügt im Dienste des untergehenden Kapitalismus, im Dienste ihrer Besitzer. Am besten gefällt mir da der Focus, wo ich nur noch sporadisch kommentiere, wohl wissend, dass ich nie veröffentlicht werde.
„Hallo atetzlaf,
Ihr Beitrag: ganz meine Meinung Herr Thewes und Herr Ekelstein,
wenn die den Körper abtötenden Drogen nicht mehr wirken, braucht man mehr davon. Deshalb: FDP! Für noch mehr Deregulation! Für noch mehr Autos, die keine Autos kaufen!
wurde von uns nach Prüfung durch einen Administrator nicht veröffentlicht.“
Aber ich mag nicht glauben, dass dort niemand begreift, dass er den Knall doch nur herbei schreibt. Die und auch die Lakaien in den Parlamenten müssten doch eigentlich alles denkbar mögliche tun, möglichen Schaden zu begrenzen?
Ich selbst kann über diesen Dilettantismus nur noch lachen, und bei unserer Bundeskanzlerin bin ich so manches Mal in dem Glauben, sie ist eine Doppelagentin im Dienste der Lehre ihrer Jugend. Denn eigentlich kann, wer die einmal begriffen hat, gar nicht anders handeln, es sei denn, er pflegt irgend eine Strategie. (…) Meinetwegen auch im Führerbunker.
Mai 10th, 2009 at 11:21
Ich würde mal behaupten, da ist was dran. :)
Mai 10th, 2009 at 11:36
“Das Traurige ist: Würde es hier um die Essenz der Grundrechte gehen, würden die Medien nicht halb so verbissen kämpfen…”
Nun es geht um die Essenz der Grundrechte und “die Medien” kämpfen dafür, nicht dagegen!
Mai 10th, 2009 at 12:37
Des essentiellen Grundrechts auf Ausbeutung – nirgends explizit erwähnt, und doch Sinn und Zweck der ganzen Veranstaltung.
Mai 10th, 2009 at 15:03
@ ben, Nr. 6
Aus Protest FDP wählen! Das könnte die Grundlage für eine Massenbewegung sein. Haben die ein Büro, wo man Sachspenden abgeben kann? Zum Beispiel eine Taschenlampe?
Ach was! Aus Protest FDP wählen, das gehört ins Grundgesetz hinein!
Mai 11th, 2009 at 07:39
@Huuh Rrah
Ich wäre eher für chirurgisches Besteck, kann dann von der Partei für das passend machen der geneigten Wählerschaft eingesetzt werden. Man muss ja das Opfer nicht immer gleich schlachten, ein durchschnittlicher Horrorfilm dauert schon seine knapp 90 Minuten..
;-)
Mai 11th, 2009 at 13:45
Dr Arme, von allem Linken traumatisierte Spiegelschreiber findet sich hier:
https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,622703,00.html
Mai 11th, 2009 at 17:09
Oh, ein Schwersttraumatisierter, der sich allein schon durch die Existenz einer Meinungsabweichung zu seinem Pseudokonservatismus ernstlich bedroht fühlt und jegliches Rückfragen von Redaktionskollegen, ob er seine Ansichten Ernst meine, als Unsicherheit der Fragenden – stellvertretend für “die Linken” – deutet.
Der Typ hat eindeutig eine Meise und kann mangels originärer Gedanken sorglos ignoriert werden.
(Aber er ist ein schönes Beispiel dafür, welche Art von “Journalist” vom Leiter der Politredaktion CC Malzahn bevorzugt wird: eine Mischung aus meinungsstark, konservativ und vollendet schwachsinnig.)
Mai 11th, 2009 at 22:52
[...] Quelle: Feynsinn [...]
Mai 12th, 2009 at 08:11
>> Wenn es noch eines Symptoms bedurfte, um
>> sich den Zustand im Lande vor Augen zu
>> führen, so ist dieses in den Umfragewerten
>> für die FDP zu finden.
Ich bin der Meinung, man sollte sich mal die
die Wahlprognosen für die CDU/CSU im Wahljahr 2005 ansehen. Dort wurden die mit 43% bis 45% gehandelt. Rausgekommen sind 35 %. Wahlprognosen können eingekauft werden in Deutschland. Ich würde da sehr vorsichtig sein mit der FDP und ihren “Erfolgen”.
Mai 12th, 2009 at 09:08
@ Systemfrager, 7
Trifft Hannah Arendts Einschätzung nicht in gewisser Weise auch auf den Untergang der DDR zu?
Wann sind wir wieder das Volk?
Juni 28th, 2009 at 12:29
[...] Feynsinn [...]