Schon in der vorletzten Printausgabe der “Zeit” erschien ein Artikel von Jan-Martin Viarda, der eine treffende Kritik am Bachelor-System im besonderen und Kurzzeitstudieren im allgemeinen übt. Ich möchte das an dieser Stelle ergänzen.
Der Bachelor ist ein Studiengang, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern Diplom und Magister steht. Er ist verschult, kompakt, normiert und läßt keinerlei Luft für relevante eigene Erfahrungen oder ein “Studium”, das seines Begriffs würdig wäre. Er ist eine akademische Lehreinheit, die Wahlmöglichkeiten vergleichbar der Gymnasialen Obersstufe bietet. Eigene Schwerpunkte können nicht gesetzt werden, dazu fehlt schon den Lehrplänen die Flexibilität. Vor allem aber fehlen Zeit und Muße, um mit wachsender Kompetenz die Entscheidungsfähigkeit für den eigenen Weg zu entwickeln. Wer jetzt meint, dazu sei der “Master” ja da, wäre also der Ansicht, daß nach 12-13 Jahren Schule und weiteren drei bis vier Jahren Schuluni sich plötzlich die Selbständigkeit für die zwei verbleibenden Jahre einstellt.
So entsteht keine Kompetenz, keine Flexibilität, keine Meinung und kein Charakter. Wer so studiert, lernt zu funktionieren, sonst nichts. Wir haben in den frühen 90er Jahren gegen diesen Unsinn protestiert, ich selbst nannte es damals die “Industrialisierung der Bildung” und finde diese Bezeichnung noch immer treffend.
Das Produkt “Student” wird nach Effizienzkriterien zugerichtet. Es muß wenig kosten und in kurzer Zeit fertiggestellt werden, um sich am Markt zu plazieren. Letzteres scheint nicht so grandios zu klappen, da die Unis aber ihre Absolventen nicht verkaufen müssen, sind sie mit der Überreichung der Urkunde ja aus allem raus.
Die Einführung des Bachelor ist also der Minimierung der Kosten geschuldet, dazu wird noch mehr zu sagen sein. Er hat aber eine weitere Funktion: Die Anpassung an die Europäische Norm für Studiengänge. Nicht das Individuum ist gefragt, sondern der überall einsetzbare Student. Diese “Gleichmacherei”, die so gern dem Sozialismus unterstellt wird, führt freilich dazu, daß man diese gestanzten Produkte einer globalen Wissensschmiede für nichts mehr gebrauchen kann. Dieser Blödsinn poduziert am Ende nicht einmal mehr brauchbare Roboter. Mit “Bildung” hat das überhaupt nichts mehr zu tun.
Diese Resultate waren voraussehbar, aber es war offenbar wichtiger, einer Ideologie zum Durchbruch zu verhelfen, die “Leistung” sagt und Verdinglichung meint. Sogar ob die Leistenden noch irgend etwas Nützliches zu tun imstande sind, tritt in den Hintergrund. Sie sollen passend gemacht werden. Das wiederum funktioniert hervorragend. Planlose Erfüllungsgehilfen ohne Meinung haben wir reichlich. Sie wissen nicht, was sie wollen, und wenn man ihnen nicht sagt, was sie zu tun haben, fehlen ihnen die wichtigsten Kompetenzen: Kreativtät, Eigenmotivation, Neugier, Teamgeist und Selbständigkeit.
Das ist dann erst einmal das Problem derer, die es so gewollt haben. Was aber genau so verheerend wirkt, ist die soziale Selektion, die mit der Entbildung des Studiums einhergeht. Jan-Martin Viarda beschreibt die Ursachen dieses Umstands, ohne allerdings das Kind beim Namen zu nennen. Er weist darauf hin, daß es kaum mehr möglich ist, neben einem vollgepfropften Bachelor-Studium noch arbeiten zu gehen. Wer keine reichen Eltern hat, trifft nämlich auf ein dreifaches Problem: Die anderen haben es leichter, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestellen müssen, man hat kaum die Zeit, dies zu leisten und darf obendrein noch Studiengebühren bezahlen. Diese Situation ist unerträglich und läßt nicht einmal die Luft, um den wenig nützlichen Leistungsanforderungen gerecht zu werden.
Einen Kredit aufzunehmen, um ein solches Studium zu bestehen, ist nicht so einfach, zumal dann nicht, wenn man im Ausland studiert – eine Möglichkeit, die der Bachelor ja gerade fördern sollte. Und selbst, wenn es einen gibt, ist das Risiko immens, denn die Möglichkeiten, diese Schulden wieder los zu werden, sind nicht die besten. Der Markt gibt das einfach nicht her.
Der Bachelor war und ist die Rache des Systems an den faulen Dauerstudenten, die sich viel Zeit gelassen haben und nicht bloß für die Karriere gepaukt haben, sondern eine schöne Phase ihres Lebens gestalten konnten, sich entwickeln durften und dabei noch eine Qualifikation erwarben. Womöglich noch als Kinder aus bescheidenen Verhältnissen. Solche Sozialschmarotzer sind endgültig Schnee von gestern. Wie überall sonst auch, sind übrigens junge Eltern ganz raus aus dem Geschäft. Ich hätte unter diesen Umständen nicht studieren können und wäre vielleicht ein HartzIV-Papa geworden, ohne Abschluß und Perspektive.
Ich mag nicht darüber diskutieren, ob dies alles so gewollt war, schon gar nicht darüber, ob darin der eigentliche Zweck der Übung liegt. Ich glaube schon aus Gründen der schlüssigen Argumentation nicht daran. Es ist nämlich völlig egal, wer welche Absichten hatte oder hat. Sowohl das Resultat als auch die “menschliche” Grundhaltung, die zu solchen “Reformen” führen, sprechen für sich. Das Resultat ist verheerend, nützt niemandem und schadet den Studierenden, der Kultur und der Wirtschaft. Es ist kein Zufall, daß dies einhergeht mit dem traurigsten Umstand im gegebenen Zusammenhang: Die soziale Dimension wird völlig außer Acht gelassen. In den Plänen, die zu all dem geführt haben, zählt der Mensch nichts.
Mai 3rd, 2009 at 01:38
Bravo. Toller Beitrag und vollste Zustimmung. Nach dieser Lektüre wurde mein damaliger Beschluss die beiden Bachelor-Studien hinzuschmeißen nur nochmals bekräftigt.
Danke
Mai 3rd, 2009 at 07:00
Der Artikel benennt die verheerenden Zustände wieder einmal so deutlich,
dass manche es für eine Übertreibung halten werden.
Und das wird so bleiben, bis es zu spät ist.
Mai 3rd, 2009 at 09:53
Ich denke auch, dass die Kritik hier berechtigt ist. In gewisser Weise ist es unbegreiflich, was die Leute “geritten” haben muss, das Bachelor-System überhaupt erst einzuführen. Eigentlich hätte mensch ja erstmal das “alte” System in Ordnung bringen müssen. Mit was jetzt die Studierenden konfrontiert sind, sind immer noch die alten Probleme: Geringe Betreuung, Finanzierungsprobleme (Stichwort: soziale Durchlässigkeit / Mobilität) und mangelnder Pluralismus in der Lehre.
Es ist irgendwie schon komisch: Kürzlich las ich ich glaube ebenfalls in der Zeit – , dass die “Zentralamerikaner” auch Probleme mit ihrem Bachelor-System haben und das jetzt so “umbauen”, dass es faktisch schon stark unserem alten Diplom-System gleichen wird. Wenn ja, wäre es schon irgendwie “drollig”.
Auf der anderen Seite wird sich an der Einführung des Bachelor-Systems nicht mehr viel ändern lassen. Um ehrlich zu sein: Der Zug ist abgefahren. Jetzt kann es eigentlich nur noch darum gehen, das Bachelor-System “umzubauen” … zu verändern. Aber da sehe ich im Moment wenig Chancen, weil der OT in den Debatten, die ich so erlebe, eher auf die Abschaffung dieses System gelegt ist. Das gestaltet sich deshalb so problematisch, weil die alten Diplomgänge zum großen Teil schon über Bord geworfen sind. Mensch würde dann sprichwörtlich nackig dastehen. Außerdem, wie oben erwähnt, war das alte Diplomsystem auch ziemlich “krank”.
Das Ärgerliche an der banzen Sache ist, dass die Kritik eigentlich zu spät einsetzt. Jedenfalls habe ich persönlich ziemlich frustriert mit dem Kopf schütteln müssen, als das Thema in den letzten Tagen von den Studierenden für sich entdeckt wurde. DAS hätte mensch eher wissen können. Warum das nicht geschah, mag vielleicht daran liegen, dass das Uni-System bereits seit Längerem nicht gerade durch soziale Durchlässigkeit glänzte. Das erklärt vielleicht auch das geringe Engagement z.B. gegen Studiengebühren. Warum sollen sich die Zöglinge der Besserbetuchten auch für die Frischlinge des niederen Fußvolks engagieren? Woher soll da überhaupt “Sympathie” oder Einsicht in die Notwendigkeit kommen?
Arbo
Mai 3rd, 2009 at 11:26
Mit “Bildung” hat das überhaupt nichts mehr zu tun.
Danke lieber Flatter! Ich habe einen BSc/MSc-Studiengang studiert – da lese ich deine Worte schon fast als Beleidigung, aber sei froh, ich bin nicht nachtragend.
Jedenfalls war an der ETH auch der Diplomstudiengang vorher bis nach dem Vordiplom sehr verschult, es wurde dort also “wenig” verändert. Und ich finde das gut: es hat mir geholfen einen breiteren Blick für mein Fach zu bekommen, denn ich hätte mich sonst wohl mit Themen beschäftigt, die mich mehr interessieren – und das sind komischerweise genau die, mit welchen ich mich eh schon beschäftigt habe.
Ich hatte dort nicht den Eindruck in einem System “eingesperrt” zu sein. Viele Vorgaben haben auch den Vorteil, dass Grundkenntnisse gleichmäßig verteilt sind. – Als Ingenieur scheinen mir die die Grundkenntnisse aus der Schule zwar wichtig, aber eben nicht ausreichend.
Dass ein Studium zeitintensiv ist, finde ich richtig. Ich will ja auch was lernen; und in der Wirtschaft wird Höchstleistung auch oft unter Zeitdruck gefordert! Und wer nebenher arbeiten muss oder will, der darf ja auch 1-2 Jahre länger brauchen bis zum Bachelor, da sehe ich gar nichts falsches dran.
Ich hatte viel Zeit mich in andere Bereiche einzuarbeiten und neben dem “Studium”, wenn doch auch als Teil dessen, interessante Bücher zu lesen oder an Projekten zu arbeiten, die ich nicht für die Prüfungen gebraucht habe.
Alles in allem fühle ich mich auch mit einem MSc-Abschluss gut vorbereitet für die Wirtschaft. Ein BSc alleine würde aber auch für etwas knapp empfinden. – Einen BSc sollte man vielleicht lieber in einer praxisorientierten FH oder so machen, wenn man nicht einen Master anstrebt.
Mai 3rd, 2009 at 11:48
Hallo Flatter!
Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen!
Meine beiden Kinder studieren Bachelor in ziemlich weit auseinander liegenden Feldern. Sie sind wirklich gut; aber sie werden eingepfercht. Ihre Möglichkeiten können sie nicht voll entwickeln. Zu verschult ist der Bachelorbetrieb. Beide haben das gleiche Problem: Rechts oder links schauen, was am Weg sonst noch liegt und einen (innerlich) weiter bringen könnte – keine Zeit! Credit-Points erwirtschaften ist angesagt!
Sie werden ihren Abschluss (sehr wahrscheinlich ihren ‘Master’) machen, aber ihnen wird die Breite fehlen, die man nur durch Suchen des *eigenen* Wegs in der Wissenslandschaft finden kann. (Ich hatte diese Möglichkeit glücklicherweise noch.)
Schönes Wochenende und danke für Deinen Blog insgesamt!
Omnibus56
Mai 3rd, 2009 at 12:17
Die “Zeit”, die den eingangs erwähnten Artikel beinhaltet habe ich mir auch gekauft und zwar mit einem leichten Gefühl schäbigen Triumphes: Wie schlecht muss wohl die Umsetzung des Bolognia-Prozesses gelaufen sein, dass sogar die Zeit, die vormals jede Kritik an der “Bildungsreform” als irgendwie rechtskonservativ oder doch 68er radikal, aber zumindest rückwärtsgewandt und fortschrittsfeindlich befand?
Ich kann die Ausüchse des neuen Bildungswesens zur Zeit mit eigenen Augen betrachten. Selbst noch ein Magisterstudent habe ich als Fachschaftsvertreter ständig mit den Problemen der modularisierten Studiengänge zu tun. Die Diagnose des mangelnden Freiraumes kann ich voll bestätigen. Eine an den Universitäten nicht unwichtige Auswirkung dieser Einschränkungen in der Lebensplanung ist im Bereich der Studierendenvertretungen zu beobachten: Die deutschen Unis hatten im Verlauf der Hochschulreformen der 60er einige Möglichkeiten der Mitbestimmung der Studenten erhalten. Ehemals hierarchisch organisierte Einrichtungen wurden demokratisch. Damit eine solche Demokratie(die sicher nicht vollständig realisiert war, aber dennoch die Universität stark prägte) funktioniert müssen jedoch Studenten da sein, die bereit sind, Zeit in studentischen Gremien zu verbringen. Diese werden jedoch immer weniger. Der rigide Zeitplan eines Bachelorstudiums wird sicher eine der Ursachen sein.
Mai 3rd, 2009 at 13:08
Eindeutig auf den Punkt gebracht.
Die Schiene kannst du bereits bis zu den Gymnasien vor denn Schulen ziehen. Ich habe einen 12 jährigen Jungen mit einer mehr als 50 Stunden Woche im G8-Zug. Der Junge arbeitet oft mehr als mancher Erwachsene. Ich denke mit Grausen an ein mögliches Bachelorstudium für ihn.
Mai 3rd, 2009 at 13:11
Ich glaube über die Vor- und v.a. die Nachteile des Bologna-Prozesses ist schon genug gesagt worden.
Was m. E. etwas zu kurz kommt ist die Frage nach der Alternative.
Was bleibt den potentiellen Studierenden denn anderes übrig? Soll z.B. der philosophisch und literarisch interessierte Mensch von einem Studium der Philosophie und Germanistik anbetracht des Studiensystems von einem Studium absehen und lieber eine Ausbildung beginnen, gar Autodidakt werden? Das ist doch keine Alternative. Es bleibt den Menschen gar keine andere Wahl.
Außerdem kommt es wirklich auf den Studiengang an. Ich glaube, dass Studiengänge wie Ingenieurswissenschaft viel besser zu einem modularisiertem Studiengang passen als geisteswissenschaftliche Fächer. Da würde ich also auch differenzieren.
Die Wirtschaft kann es sich gar nicht leisten durch eine solche Reform sich das eigene Wasser abzugraben und keine hochqualifizierten Fachkräfte mehr zu haben. Diese werden auch nach Bologna noch die Universitäten verlassen.
Es sind die Fächer, welche eine freie Wissenschaft ohne unmittelbare wirtschaftliche Verwertbarkeit betreiben, welche unter dieser Verschulung leiden. Und das ist nicht der Großteil des universitären Fächerkanons.
Ich wage zu behaupten, dass wir, die wir uns hier über Bachelor und Master empören, alle solche betroffenen Fächer studieren/studiert haben. In unserem Mikrokosmos ist die Empörung groß und in einem solchen lebt auch der ein oder andere Autor der Zeit.
Versteht mich nicht falsch, ich finde die Entwicklung auch schrecklich und bin verdammt froh noch nach der Magisterstudienordnung studieren zu können. Doch das Problem ist von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet mal ein großes und mal ein kleines Problem.
Das von Knut angesprochene Problem sehe ich im Übrigen auch. Dass durch die neuen Studienordnungen kaum mehr Zeit für nebenfachliches Engagement bleibt, z.B. um die Verfasste Studierendenschaft vor Angriffen zu verteidigen. Ich bin skeptisch, ob sich dagegen widerstand bilden wird. Und wenn, dann wieder nur der ohnehin schon hochschulpolitisch interessierte Kreis, welcher aber wohl nicht groß genug ist.
https://www.uebergebuehr.de/nc/de/aktuell/news/meldung/ansicht///drohende-abschaffung-der-verfassten-studierendenschaft-in-hessen/
Mai 3rd, 2009 at 14:13
@Breakout
Doch das Problem ist von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet mal ein großes und mal ein kleines Problem.
Dies ist genau die Einstellung, welche wieder alles atomisiert, und verhindert das etwas angegangen wird was einfach nicht gut ist.
Auf der einen Seite werden einfache Konzepte angeboten, man akzeptiert sie, und wenn sie in Frage gestellt werden, kann man alles von verschiedenen Seiten betrachten, – was heisst alles bleibt wie es war.
Der ideale Nährboden der Resignation, und Kritik-Kritik. Bevor die Kritik am Ort ist, wird sie bereits wieder in Frage gestellt. Relativierung -> Atomisierung, und alles bleibt wies war.
(Nimm dies bitte nicht persönlich)
Mai 3rd, 2009 at 14:46
Nein, ich nehm das nicht persönlich. Und zwar deshalb, weil es nicht ich bin, der ich das Problem für nichtig erklären will. Das war rein deskriptiv beschrieben wie sich m. E. die Situation darstellt.
Damit will ich nur erklären warum es eben nur einen kleinen Teil der Studierendenschaft bzw. Gesellschaft wirklich interessiert.
Mai 3rd, 2009 at 15:29
@Breakout
Schon in Ordnung. Nach endlosen Streitgesprächen mit Lehrern und Eltern welche die Zustände durch weichreden quasi erst etablieren, bin ich lediglich ein wenig paranoid geworden.
Mai 3rd, 2009 at 15:52
[...] 2009 at 2:22 In Hessen werden noch in diesem Jahr die verfassten Studierendenschaften abgeschaft(via). Aber das scheint wohl keinen zu interessieren. Auch bei uns in Rheinland-Pfalz soll das [...]
Mai 3rd, 2009 at 16:16
(Teilweise@ Breakout)Ich glaube auch, dass auf diese Art eine Menge Studierender und vor allem auch nicht Studierender ruhig gestellt wird. Auf der einen Seite, die wirtschaftlich relevanten und bachelorpassenden Ingenieurs”wissenschaften” und auf der anderen Seite die eigentlich sowieso unnützen “Geisteswissenschaften”. Damit ist die übliche Wahrnehmung dessen, was man studieren kann ganz gut beschrieben, jedoch fallen die Naturwissenschaften aus dem Bild heraus.
Man kann natürlich kaum trennscharf zwischen anwendungsorientierten und wissenschaftsorientierten Studiengängen unterscheiden, dennoch glaube ich, dass diese Unterscheidung, die einmal den Unterschied zwischen FHs und Unis begründet hat relevant ist, für die Frage, wie schlimm die Auswirkungen des Bachelor sind. Ein anwendungsorientiertes FH-Studium sah schon immer verschulter aus als ein Wissenschaftsstudium an einer Uni. Dieser Unterschied lässt sich auch durch die unterschiedlichen (Aus-)Bildungsziele begründen.
Rapha hat also vermutlich zum Teil Recht: “gut vorbereitet für die Wirtschaft”, das ist das Ziel des Bachelor und wenn er von intelligenten Leuten an den jeweiligen Hochschulen umgesetzt wird, mag das vielleicht auch das Ergebnis sein. Was der Bachelor und der Master jedoch nicht können ist gut für die Wissenschaft vorbereiten, aber das ist ja auch nicht das Ziel. Wer braucht schon Wissenschaft?
Ausserdem:
Wenn nur diejenige Bildung produziert wird, die am Markt gefragt ist, dann gute Nacht. Wer hätte 2000 ahnen können wieviele freie Stellen es 2001 geben würde für Spezialisten für zentralasiatische Turksprachen wie das afghanische Paschtun?
Mai 3rd, 2009 at 17:32
Zum 10-jährigen Jubiläum der Bologna-Beschlüsse regt sich wieder ein wenig Widerstand. Siehe https://bs.risiko09.de/ Die Masse der Studierenden will sich aber nicht – oder kann sich angesichts der Umstände nicht intensiv mit derartigen Fragen befassen.
Mai 3rd, 2009 at 17:35
Schöner Artikel, dem ich voll und ganz zustimme. Bin seit kurzem im Münchner Raum und sehe nun ständig jenen Typ Menschen, der in materialistischer Vereinfachung und von unglaublichem Narzissmus getrieben (diese rosa Hemden, Leute, merkt ihr es nicht?) sicher mehr für diesen Wandel verantwortlich ist als manch’ anderer. Alles in diesem Weltbild wird auf simple Mess- und Sichtbarkeit reduziert, denn nur so ticken diese Typen leider. Kein Platz für die Seele. Aber das Ironische dabei ist: Letztlich wollen diese Leute auch nur das Gleiche wie jeder andere. Einen Platz zum Durchatmen, mit Blick auf die Berge, die Sonne und den blauen Himmel. Und im SUV am Wochenende deshalb genau dahin unterwegs. Ich muss da immer an die Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral denken. Welch’ ein Umweg für das kleine große Glück. Und alle anderen müssen mitmachen. Das ist die eigentliche Tragödie.
Mai 4th, 2009 at 08:11
@Knut genau das ist es. Wenn nur spezialisiertes unflexibles Wissen gelehrt wird braucht man keine Universitäten mehr. Der Unterschied zu einer reinen Ausbildung sollte eigentlich in dem breiteren und höheren Bildungsgrad liegen. Auch sollte man Querdenken können und verbinden zwischen verschiedenen Themen. Das alles wird unglaublich eingeschränkt und es wird noch schlimmer wenn die älteren Professoren verschwunden sind. Viele machen weiter wie im Diplomstudiengang. Das wird sich aber auch nach und nach ändern.
Es ist wie immer. Anstatt sich zu überlegen was man verbessern kann an einem bestehendem System wird alles umgestoßen und erst mal eine Reform gemacht. Aber wenn ich die gleichen Übel im System lasse wird sich gar nichts ändern. Die Universitäten brauchen einfach eine bessere Finanzierung und daran hat sich nichts geändert.
Mai 4th, 2009 at 15:17
Studier selber einer dieser “unnützen” Geistenweissenschaften,nämlich Politikwissenschaft. Der Bachelor passt in eine generelle Tendenz unseres Systems, das man einen “subtilen Totalitarismus” nennen kann.Durch die Modularisierung wird unser Denken vorgegeben, die Klausurrelevante Literatur ist das Einzige was zählt.Resultat sind gleichgeschaltetet Denker und Persönlichkeiten,die nur dazu da sind den Status Quo zu erhalten.
Dazu kommt noch das Geistewissenschaften im Allgemeinen an einem Minderwertigkeitskomplex gegenüber den Naturwissenschaften leiden, um den zu kompensieren ist das Vokabular in diesen Fächern hochgestochen “wissenschaftlich”.
Ausserdem wird ständig von einem vermeintlich multidimensionalen, möglichst objektiven Ansatz gesprochen, der gerade als modern gilt. In Wirklichkeit verliert die Geisteswissenschaft damit jegliche Kritikfähigkeit am System, durch ihre “Objektivität”,die nur ihre Systembejahende Subjektivität verschleiern soll wird jegliches kritisches Denken unterdrückt.
Zusammengefasst:
Ich hasse Uni, ein Haufen Beton von Robotern gebaut, von Robotern geführt und nur dazu da, uns zu Robotern zu machen.
Mai 5th, 2009 at 01:01
[...] ganzen artikel hier: feynsinn. vollste zustimmung, danke! Subscribe to comments Comment | Trackback | Post Tags: bildung, [...]
Mai 5th, 2009 at 07:53
Das die neuen “Reformstudien” keine kritisch denkenden Wissenschaftler heranziehen kann man eigentlich nicht als Fehlschlag werten, da genau dieser Kurswechsel vom Wissenschaftler zum wirtschaftskompatiblen Praktiker” beabsichtigt war.
Traurig nur, dass in dem “Angebotssegment” die alten FH-Diplomstudiengaenge mindestens genauso gut waren (nach meinem Eindruck eher besser).
Aber nun ja, die FHler waren den Unternehmen nie gut genug. Die Wirtschaftsverbaende mussten ja unbedingt mit ihrem staendigen Gequaengele nach “schnellen und praxisrelevanten” Studiengaengen ihre eigene Existenzberechtigung unter Beweis stellen.
@alman
habe selbst “Geist” nach alter Art studiert und muss sagen, dass der Alltag mir den Minderwertigkeitskomplex (sowohl gegenueber Ingenieuren als auch gegenueber WiWis) gruendlich ausgetrieben hat.
Also: Halte durch :)
Mai 5th, 2009 at 13:31
Ein kurzes Zitat, das ich sehr aufschlussreich finde:
Selbst schuld, wer mitten im Studium ins Ausland will, sagt Jörg Dräger, der Geschäftsführer der Bildungs-Denkfabrik Centrum für Hochschulentwicklung (CHE): »Das Auslandssemester gehört nicht in das Bachelorstudium, sondern in die Zeit danach.«
In die Zeit danach ohne Erasmus und Bafög. Da ist klar, wer ins Ausland geht, da ist klar, wer beruflich einen Einstieg findet, wenn der Auslandsaufenthalt zum Lebenslauf dazugehört.
Ekelhafte Saubande.
Mai 5th, 2009 at 13:34
@ flatter: Wenn Du die Beiträge zusammenfügen würdest, das ist zitiert aus https://www.zeit.de/campus/2009/03/bachelor?page=3
Ja, die Zeit ist mit CHE richtig schön bergdorfinzestmäßig verbandelt, aber das Zitat ist imho eine kleine Offenbarung.
Mai 5th, 2009 at 16:06
Immer wenn ich die Worte “Bachelor” und “Masters” hörte, wurde mir ganz unwohl. Durch ihren Bericht verstehe ich endlich auch warum. Vielen Dank.
Eigentlich sind “Bachelor” und “Masters” das gleiche wie “Hartz IV”. Nur in einem anderen Bereich bzw. auf einer anderen Ebene.
Mai 26th, 2009 at 00:07
[...] eine Möglichkeit, sich ausbilden zu lassen. Es brauchte halt länger, aber es ging. In Zeiten des Bachelor ist auch das Schnee von gestern. Mit Kindern in einen nichtakademischen Beruf wieder einzusteigen, [...]