Schon in der vorletzten Printausgabe der “Zeit” erschien ein Artikel von Jan-Martin Viarda, der eine treffende Kritik am Bachelor-System im besonderen und Kurzzeitstudieren im allgemeinen übt. Ich möchte das an dieser Stelle ergänzen.

Der Bachelor ist ein Studiengang, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern Diplom und Magister steht. Er ist verschult, kompakt, normiert und läßt keinerlei Luft für relevante eigene Erfahrungen oder ein “Studium”, das seines Begriffs würdig wäre. Er ist eine akademische Lehreinheit, die Wahlmöglichkeiten vergleichbar der Gymnasialen Obersstufe bietet. Eigene Schwerpunkte können nicht gesetzt werden, dazu fehlt schon den Lehrplänen die Flexibilität. Vor allem aber fehlen Zeit und Muße, um mit wachsender Kompetenz die Entscheidungsfähigkeit für den eigenen Weg zu entwickeln. Wer jetzt meint, dazu sei der “Master” ja da, wäre also der Ansicht, daß nach 12-13 Jahren Schule und weiteren drei bis vier Jahren Schuluni sich plötzlich die Selbständigkeit für die zwei verbleibenden Jahre einstellt.

So entsteht keine Kompetenz, keine Flexibilität, keine Meinung und kein Charakter. Wer so studiert, lernt zu funktionieren, sonst nichts. Wir haben in den frühen 90er Jahren gegen diesen Unsinn protestiert, ich selbst nannte es damals die “Industrialisierung der Bildung” und finde diese Bezeichnung noch immer treffend.
Das Produkt “Student” wird nach Effizienzkriterien zugerichtet. Es muß wenig kosten und in kurzer Zeit fertiggestellt werden, um sich am Markt zu plazieren. Letzteres scheint nicht so grandios zu klappen, da die Unis aber ihre Absolventen nicht verkaufen müssen, sind sie mit der Überreichung der Urkunde ja aus allem raus.

Die Einführung des Bachelor ist also der Minimierung der Kosten geschuldet, dazu wird noch mehr zu sagen sein. Er hat aber eine weitere Funktion: Die Anpassung an die Europäische Norm für Studiengänge. Nicht das Individuum ist gefragt, sondern der überall einsetzbare Student. Diese “Gleichmacherei”, die so gern dem Sozialismus unterstellt wird, führt freilich dazu, daß man diese gestanzten Produkte einer globalen Wissensschmiede für nichts mehr gebrauchen kann. Dieser Blödsinn poduziert am Ende nicht einmal mehr brauchbare Roboter. Mit “Bildung” hat das überhaupt nichts mehr zu tun.

Diese Resultate waren voraussehbar, aber es war offenbar wichtiger, einer Ideologie zum Durchbruch zu verhelfen, die “Leistung” sagt und Verdinglichung meint. Sogar ob die Leistenden noch irgend etwas Nützliches zu tun imstande sind, tritt in den Hintergrund. Sie sollen passend gemacht werden. Das wiederum funktioniert hervorragend. Planlose Erfüllungsgehilfen ohne Meinung haben wir reichlich. Sie wissen nicht, was sie wollen, und wenn man ihnen nicht sagt, was sie zu tun haben, fehlen ihnen die wichtigsten Kompetenzen: Kreativtät, Eigenmotivation, Neugier, Teamgeist und Selbständigkeit.

Das ist dann erst einmal das Problem derer, die es so gewollt haben. Was aber genau so verheerend wirkt, ist die soziale Selektion, die mit der Entbildung des Studiums einhergeht. Jan-Martin Viarda beschreibt die Ursachen dieses Umstands, ohne allerdings das Kind beim Namen zu nennen. Er weist darauf hin, daß es kaum mehr möglich ist, neben einem vollgepfropften Bachelor-Studium noch arbeiten zu gehen. Wer keine reichen Eltern hat, trifft nämlich auf ein dreifaches Problem: Die anderen haben es leichter, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestellen müssen, man hat kaum die Zeit, dies zu leisten und darf obendrein noch Studiengebühren bezahlen. Diese Situation ist unerträglich und läßt nicht einmal die Luft, um den wenig nützlichen Leistungsanforderungen gerecht zu werden.
Einen Kredit aufzunehmen, um ein solches Studium zu bestehen, ist nicht so einfach, zumal dann nicht, wenn man im Ausland studiert – eine Möglichkeit, die der Bachelor ja gerade fördern sollte. Und selbst, wenn es einen gibt, ist das Risiko immens, denn die Möglichkeiten, diese Schulden wieder los zu werden, sind nicht die besten. Der Markt gibt das einfach nicht her.

Der Bachelor war und ist die Rache des Systems an den faulen Dauerstudenten, die sich viel Zeit gelassen haben und nicht bloß für die Karriere gepaukt haben, sondern eine schöne Phase ihres Lebens gestalten konnten, sich entwickeln durften und dabei noch eine Qualifikation erwarben. Womöglich noch als Kinder aus bescheidenen Verhältnissen. Solche Sozialschmarotzer sind endgültig Schnee von gestern. Wie überall sonst auch, sind übrigens junge Eltern ganz raus aus dem Geschäft. Ich hätte unter diesen Umständen nicht studieren können und wäre vielleicht ein HartzIV-Papa geworden, ohne Abschluß und Perspektive.

Ich mag nicht darüber diskutieren, ob dies alles so gewollt war, schon gar nicht darüber, ob darin der eigentliche Zweck der Übung liegt. Ich glaube schon aus Gründen der schlüssigen Argumentation nicht daran. Es ist nämlich völlig egal, wer welche Absichten hatte oder hat. Sowohl das Resultat als auch die “menschliche” Grundhaltung, die zu solchen “Reformen” führen, sprechen für sich. Das Resultat ist verheerend, nützt niemandem und schadet den Studierenden, der Kultur und der Wirtschaft. Es ist kein Zufall, daß dies einhergeht mit dem traurigsten Umstand im gegebenen Zusammenhang: Die soziale Dimension wird völlig außer Acht gelassen. In den Plänen, die zu all dem geführt haben, zählt der Mensch nichts.