Es ist peinlich. Vor vielen Jahren wies Volker Pispers schon auf die “Verwüstungen” hin, “die der zweite Bildungsweg hinterläßt”. Gerhard Schröder ist so ein Selfmademan aus der Unterschicht, der sich vieles erarbeiten mußte, mit dem anderen Mächtigen schon das Kinderzimmer vollgestopft wird. Er ist ein Machtmensch aus Ehrgeiz, ein Aufsteiger. Als “Sozialdemokrat” hat er sich das in seinen Kanzlerjahren so zurecht gelegt, daß er, er ganz persönlich, es sich besser verdient hat. Durch seine Leistung. Und das ist es, was er als “Gerechtigkeit” empfindet.

Er ist niemals auf die Idee gekommen, seinen nicht wirklich gesunden Ehrgeiz kritisch zu hinterfragen. Er war ihm das Mittel, das ihm alle Türen geöffnet hat, und er glaubt noch heute, das ginge bei allen anderen auch so – wenn sie nur wollten. Die Vorstellung, alle Menschen seien so ehrgeizig wie Gerd Armani, ist schon schaurig genug, um an der Stelle innezuhalten. Der Gedanke, daß er auch viel Glück gehabt hat und noch von ganz anderen “Leistungen” profitiert hat, ist des Pudels Kern.

Zum Beispiel ist da die SPD, die ihm und anderen aus einfachen Verhältnissen immer Hoffnung gemacht hat. Generationen von Vorkämpfern, die dafür gesorgt haben, daß überhaupt so etwas wie Durchlässigkeit in der Gesellschaft existiert. Die dafür gesorgt haben, daß der Pöbel sich bilden darf und das “Existenzminimum” mehr ist als ein Stück Brot am Tag.
Zum Beispiel ist da sein Feind und Weggefährte Oskar Lafontaine, der Schröders Wahlsieg maßgeblich ermöglicht hat – mit politischen Vorstellungen, die der Kanzler dann ins Gegenteil verkehrt hat. Schröder hat mit der Agenda 2010 ein sozialdarwinistisches Programm aufgelegt. Only the strong survive: Wer gesund und ehrgeizig ist, heimatlos und ungebunden, der hat ja alle Chancen. Was geht uns der Rest an, die Kranken, Bedächtigen und Faulen?
Schröder hat damit das Geschäft seines einstigen Klassenfeindes besorgt, der sich nur die Hände reiben konnte, sieht man einmal davon ab, daß die Oberklasse den Kanzler nicht stellen durfte und nicht einmal den Außenminister. Die “Wirtschaft” hat ihm zugejubelt, denn er war ihr ein perfekt vorauseilender Befehlsempfänger.

Das ist es aber, was Schröder nie kapiert hat. Er wähnte und wähnt sich als einer von ihnen, Elite. Seine Nase ist fein genug, um zu riechen, daß er nicht dazugehört. Stallgeruch kann man sich nämlich nicht erarbeiten. Sein Ehrgeiz kompensiert das aber und läßt ihn ruhelos weiter streben. Würdelos ist das längst. Wo echte Staatsmänner die Ruhe des Alters auszustrahlen fähig sind, scheffelt der emporgekommene Prolet noch so viel Kohle wie möglich. Wo so mancher Altpolitiker Weisheit entwickelt, ist Schröder Opportunist und sagt das, wofür er bezahlt wird. Wie tief muß ein ehemaliger Regierungschef sinken, um sich von einem anderen für dessen Propaganda aushalten zu lassen?

Daß der “Genosse” Kanzler damit sein ehemaliges Amt beschädigt, ist eine unschöne Sache, eine ganz andere aber ist das, was er noch nach seinem fatalen Wirken als mächtigster “Sozialdemokrat” den Genossen antut. Die rastlose Fortführung seiner Streberkarriere sorgt nämlich dafür, daß Menschen aus weniger gut betuchten Familien zukünftig erst recht die Türen verschlossenen bleiben, wenn es um sozialen Aufstieg geht. Er ist ein grell leuchtendes Beispiel dafür, daß man sich mit “denen da unten” besser nicht abgibt, wenn man sich nicht den Abend versauen will. Sie sind zu laut, zu dumm und zu peinlich.