Kaufzwang: Der Kunde wird abgewrackt
Posted by flatter under WirtschaftKommentare deaktiviert
29. Mrz 2009 23:12
Ich lasse mich abwracken. Nach diesem Wochenende bin ich endlich so weit, daß ich erkennen muß: Zwofünf werden für mich nie wieder geboten, und es gibt Tage, da wünscht man sich den Frieden der Gruft. Nun wäre es der reinste Hohn, wenn ausgerechnet ich in der Schrottpresse verwertet werden würde. Daher belasse ich es beim übertragenen Sinn und trenne mich von meinem Auto. Ganz zufällig komme ich aktuell in den Genuß der Erfahrung, wie sinnig “der Markt” reagiert, wenn man ihm “hilft”.
Ich hatte mir nämlich vor vier Wochen aus einer Laune heraus ein Angebot von einem Autohaus machen lassen. Meine olle Mühle war schon zwöf Jahre alt und hatte 200.000 km runter, da dachte ich mir: Wenn ich eh mit meinen Steuern diesen Blödsinn finanziere, vielleicht zwingen sie mich ja, davon auch zu profitieren.
Der geschniegelte Schönsprecher, mit dem ich also ins Gespräch kam, machte mir ein akzeptables Angebot, das ich dann in Ruhe daheim studierte. Ich habe das durchgerechnet und bin zu dem Schluß gekommen: Muß nicht. Ich fuhr einen Toyota Starlet, den ich sehr mochte und der seit zehn Jahren nicht mehr gebaut wird. Ich beschloß, ihn zu behalten, bis er sich von selbst zerlegt.
Das Dumme kleine Ding! Keine vier Wochen später ging auf der Bahn das gelbe Lämpchen an und die Temperaturanzeige deutete auf den Himmel über mir. Dorthin wollte er also. Da er sich das sehr innig wünschte und mich davon überzeugte, indem er die Zylinderkopfdichtung und den Kühler platzen ließ und bei der Gelegenheit auch dem Zahnriemen die letzte Ölung gab, hatte ich ein Einsehen. “Meine Frau, mein Auto, mein Haus”, dachte ich nur. Nein, obdachlos bin ich noch nicht, aber das Jahr fängt echt gut an.
Zurück zum Thema: Ich rief also bei Schniegel an und erinnerte ihn an sein Angebot. Er druckste erst ein wenig herum und erklärte mir dann, daß es nicht mehr gilt. Der Rabatt ist gestrichen, die Karre soll jetzt 1500 Euro mehr kosten. Was soll man auch mit Rabatten, wenn es eine Abwrackprämie gibt? Der Staat finanziert’s doch – dann kann man die Kohle ja komplett einstreichen.
Dieses Marktverhalten ist nur noch jemandem nachvollziehbar, der sich für unwiderstehlich hält und “Kunden” für etwas weitgehend Entbehrliches hält, das lediglich dazu gut ist, bündelweise Geld in die Kasse zu werfen. Ich habe Schniegel diesen Umstand nicht weiter erklärt, ihm verdeutlicht, daß ich mich auch von ihm trenne und ihm “viele zufriedene Kunden” gewünscht.
Der Trend scheint sich derzeit duchzusetzen. Auch ein anderer Anbieter, den ich am Samstag aufgesucht habe, zieht seine Rabatte zurück, hat aber immerhin eine klare Frist gesetzt, innerhalb derer sie noch gewährt werden. Ich werde am Montag den Kaufvertrag zurückschicken und mir eben dort ein Auto bestellen.
Der Markt für Gebrauchtwagen ist derweil im Eimer. Ich hätte ja lieber ohne Händler ein KFZ erworben, aber was willste machen?
Die Konjunktur ist kräftig angekurbelt am Automarkt. So kräftig, daß sie schon völlig besoffen sind und nach ein paar Wochen Erfolg ihre Kunden von morgen verprellen. Wenn man gerade in Deutschland die Ursachen für Wirtschaftskrisen sucht, so sollte man nicht außer Acht lassen, daß die Verachtung der Endabnehmer, des Zahlviehs, des Kundenpöbels, genau so tief sitzt wie die der schwitzenden Kostenfaktoren in der Produktion. Wirtschaft könnte so schön sein, wenn die glänzenden Effizienz ausstrahlenden Produkte sich nur endlich selber kaufen würden. Aber das kriegen wir auch noch hin.
März 30th, 2009 at 02:45
Wat haste erwartet? Aber man kann es ihnen nicht mal übel nehmen, die nächsten Jahren werden sehr sehr harte Jahre für die Autohändler. Das würde ich auch schon was auf die hohe Kante legen.
Wenn alles normal läuft ist der Automarkt doch bis mitte nächstes Jahrzehnt gesättigt,
weil A jetzt alle ihren Kauf vorziehen, und
B dann eh keiner Geld mehr haben wird. Clevererweise hat das Bundeskabarett die Abwrackprämie quasi bis zur Bundestagswahl verlängert, bis dahin muss dann auch die Kurzarbeit reichen.
Danach dann die Sintflut…
März 30th, 2009 at 06:40
[...] Kaufzwang: Der Kunde wird abgewrackt [...]
März 30th, 2009 at 08:23
@ Benson
Danach dann die Sintflut . . .
Ja, nur etwas kann noch beruhigen: Gott sie (leider) dank, dass wir (fast) keine Kinder mehr haben!
Sie in den Krieg zu schicken, das war schon immer die Lösung der ökonomischen Krise à la manière allemande. Das war das wirklich Einzige, was unseren verkommenen, raffgierigen und kriminellen Eliten je einfallen konnte.
März 30th, 2009 at 09:28
dadurch, das der markt für gebrauchtwagen völlig kaputt ist, bekommen fahranfänger derzeit auch kaum geeignete autos. während man sich früher für 1500 euro noch ein altes auto als “übungs”auto zulegen konnte, sind die nun wegen der abwrackprämie alle weg vom markt.
März 30th, 2009 at 11:57
Hallo,
nur so ein Gedanke von mir, der mir heute Morgen beim Bankbesuch so kam.
Welche Branchen finanzieren denn unsere Regierung für’s “regieren”?
Man kann es nicht oft genug sagen:
Banken und Versicherungen.
Bei letzterem gibt es also noch eine Branche die sich die berühmte “goldene Nase” dank Abwrackprämie verdient – die Versicherungen.
Ich reg mich jedes mal auf, wenn ich die horrende Versicherungssumme sehe, die manche Versicherungen für den Autogebrauch abzocken wollen….
Die AIG in den USA ist ja pleite, aber bei uns werden die Staatsfinanzierer und Zocker auch noch vorne und hinten mit Staatsknete zugekleistert, und zwar zu keinerlei Bedingungen….
Wo soll dies nur enden?
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
PS: Deutschland hat übrigens auch eine Branche, die dank Henry Ford eigentlich pleite sein sollte: “Autos kaufen keine Autos”, aber da mächtige Autobonzen eben via Lobbyarbeit unsere bundesdeutschen PolitikerInnen schmieren wird’s hier nicht soweit kommen – Man solle eigentlich noch ergänzen, dass Banken, Versicherungen und Autobranche Deutschland “regieren”, aber die mächtigsten sind eben Banken und Versicherungen….
März 30th, 2009 at 11:59
Obwohl vielleicht gibt es ja auch schon Absprachen (in der Ex-DDR nannte man so etwas “Seilschaften”) zwischen Banken, Versicherungen und Autobranche – wie man die Staatsknete am besten abgreift.
Würde mich persönlich – in unserer Bananenrepublik namens Deutschland – nicht mehr wundern!
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
März 30th, 2009 at 21:37
Wie wäre es mal mit einem “Wirtschaftskrimi”? ;-)
https://www.papyrossa.de/sites_buchtitel/biermann_kapitalverbrechen.htm
Kapital-Verbrechen
April 1st, 2009 at 13:20
Wie sagte mein Freund der Handwerksmeister so treffend:
du musst deinen Kunden als natürlichen Feind begreifen