In der Diskussion um meinen gestrigen Artikel habe ich mich bemüht, auf einige Kommentare nicht gar so unwirsch zu reagieren wie mir zumute war. Ich wundere mich nicht zuletzt darüber, daß einerseits der Satz “Schafft die Schulen ab” ohne Empörung hingenommen wurde, andererseits aber Elemente meiner Polemik en detail kritisiert wurden.
Dabei lag mir der Satz auf der Zunge: “Geht doch einfach mal hin und schaut Euch eine beliebige Schule an. Wer Jahre in solchen Löchern zubringen muß, wird nicht mehr als Mensch wahrgenommen.”
Betonquader mit Aufputzleitungen, vorn die Schmachtafel, Möbel, die zwar orthopädisch geformt sind, aber eben die Funktionalität ausstrahlen, die ihre Besitzer zum Teil des Möbels werden lassen. Wäre ein Kinder- oder Jugendzimmer so eingerichtet, man wäre zurecht alarmiert.
Die TAZ schreibt heute über den Architekten Peter Hübner, der Schulen gar mit Strafanstalten vergleicht. Ich mag da einfach keine Ausreden mehr hören, es steht die Frage im Raum: Wie kann so etwas als akzeptabel, gar als “normal” hingenommen werden?
Wenn ich viele Jahre an derselben Einrichtung zu verbringen gezwungen bin, sollte ein gewisser Mindestkomfort selbstverständlich sein. Bei Schulen ist das anders. Man kann zwar 35 Schüler in eine Klasse pferchen, man gibt ihnen aber nicht die Möglichkeit, diese wenigstens zu gestalten. Das scheitert nicht zuletzt daran, daß, wie auch Hübner feststellt, die Klassen und ihre Schüler ja “Nomaden” sind, die keinen eigenen Platz haben. Sie werden nach funktionalistischen Raumplänen zugeteilt, manchmal wechseln sie zweimal im Jahr ihren Raum. Wer kommt da schon auf die Idee, es sich gemütlich zu machen? Da zum Teil auch unterschiedliche Klassen dieselben Räume benutzten, ist das Verhältnis zum “Platz” dem entsprechend: Ich hinterlasse meinen Müll einfach dem Nächsten.
Es gibt viele dolle Argumente, warum das alles so sein muß, vor allem ist es natürlich “das Geld”. Die Schüler sind keinen Eimer Farbe wert. Lehrer sind keine Maler. Und überhaupt ist die Gestaltung der Räume nicht der Job von Lehrern und Schulleitung. Womöglich stehen gar Brandschutz, Bauordnung und höhere religiöse Werte einer liebevollen Gestaltung des Arbeitsplatzes im Wege.
Man wundert sich dann, daß Schüler die Einrichtung randalieren, das Klo nicht putzen und überhaupt keinen Respekt vor öffentlichem Eigentum haben. Ich weiß, daß jetzt so mancher in den Startlöchern steht und von engagierten Lehrern und Eltern zu berichten weiß, die aber hier und dort echt was bewegt haben. Setzen, sechs! Solche Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Sie sind Operationen an einem todkranken Patienten.
Das Signal ist fatal, das von solchen Räumen ausgeht: Dies ist der karge Ort, an dem ihr eure Schulpflicht zu erfüllen habt. “Willkommen” heißen sie niemanden. Dabei muß man gar kein Menschenfreund sein, um diese Zustände bedenklich zu finden. Pädagogen sollten die “Broken-Windows-Theorie” kennen. Soll man ihnen dann nicht auch abverlangen, daraus Schlüsse auf ihre Schulwelt zu ziehen?
Die Schule ist einer der wichtigsten Teile der Lebenswelt ihrer Schüler. Ein Blick genügt um zu erkennen, wieviel Respekt sie ihnen entgegenbringt.