Die Freiheit ist in Gefahr, das “Recht” wird “mit Füßen getreten”. Wenn die Verteidiger der Großbürgerrechte solch dramatische Worte in den Mund nehmen, kann es nur um die Basis und das höchste Gut der neoliberalen Demokratie gehen: Das Geld der Reichen. Und genau darum geht es: Um die mögliche Enteignung der HRE-Aktionäre, inbesondere des Herrn Christopher Flowers. Und während Ulrich Hocker eben das Recht mit Füßen getreten sieht, posaunt Rainer Brüderle Im Bundestag: “Heute ist ein Tag der Unfreiheit, heute wird eine Grundachse verschoben“.
Das krasse Mißverhältnis der Rhetorik zu den Ereignissen, auf die sie sich bezieht, offenbart schon lange, daß die “Freiheitlichen” eine Ideologie des manischen Egoismus pflegen. So, sie wie den “freien” Markt propagiert haben, propagieren sie “Freiheit” durch unbegrenzte Aneignung. Es soll jeder mit seinem Geld machen dürfen, was er will, ohne durch verbindliche Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwohl eingeschränkt zu werden. Dem Staat kommt dabei die Funktion, dem Wettberweb der erfolgreichen Einzelnen die Infrastruktur zu sichern und vor allem ihr Eigentum durch Sicherheitskräfte zu schützen.
Diese Pervertierung des Staatsgedankens und des Gemeinwesens wäre nur lächerlich, hätte sie nicht bereits verheerende Wirkung entfaltet.
Diese Szenerie, das Verhalten der neoliberalen Kämpfer für die Selbstgerechtigkeit, gemahnt an die Strategien verhaltensauffälliger Kinder, die auch keine Grenzen akzeptieren wollen, die ihnen irgendwer zu setzen versucht. Das Schema ist einfach und erfolgreich: Die wichtigste Grundbedingung ist völlige Uneinsichtigkeit in das eigene Verhalten. Für die Kinder wie für die Neoliberalen bedeutet dies, daß sie alles ausblenden, verdrängen und leugnen, was sie selbst zu verantworten hätten und darüber zu täuschen, welche Schäden sie bereits angerichtet haben. Man ist für all das nicht verantwortlich und fühlt sich vielmehr dazu berufen, allen anderen vorzuhalten, wie ungerecht und falsch sie seien. Sie sind immer im Recht.
Man kann ihnen weder ins Gewissen reden, noch sie in die Schranken weisen, ohne daß sie jeden erdenklichen Widerstand leisten. Sie quengeln, lügen und lärmen, schimpfen und beleidigen, bis sie ihren Willen durchsetzen. Sie haben keinerlei Respekt vor der Meinung anderer und kennen Regeln nur, wenn sie ihnen selbst nützlich erscheinen.
Solche Kinder können ohne schlechtes Gewissen auf am Boden Liegende eintreten, wissen aber ganz genau, daß es “Gewalt” ist, wenn man sich ihnen körperlich widersetzt. “Meine Eltern zeigen Sie an” wissen sie als vermeintlich Rechtskundige zu drohen, um ihr Gegenüber einzuschüchtern. Der Aktionärsvertreter sagt an dieser Stelle: “Wir prüfen jetzt Schadensersatzforderungen“. Der FPD-Politiker weiß: “Die Enteignung von Investoren ist ein Tabubruch“.
Den kindlichen Schlägern und den neoliberalen Marktbefreiern ist es nicht zuzumuten, ein Bewußtsein dafür zu entwickeln, daß sie der Allgemeinheit schaden. Sie sind nicht zu der Einsicht zu bewegen, daß die Rechte, auf die sie pochen, nur bestehen können, wenn die Rechte anderer geschützt werden. Beide Extremfälle müssen vor den Folgen ihres eigenen Verlangens bewahrt werden – auch um ihrer selbst willen, vor allem aber, weil ein Zusammenleben nicht mehr möglich wäre, ließe man sie gewähren.
Sie können und müssen das auch gar nicht begreifen. Man muß ihnen zuallererst die menschlichen Grenzen aufzeigen, innerhalb derer sie sich bewegen dürfen. Viele der betroffenen Kinder arrangieren sich sehr bald mit der vermeintlichen “Unfreiheit” und lernen diese zu schätzen. Danach kann man mit einiger Hoffnung auf Einsicht weiter mit ihnen arbeiten.
Für die Neoliberalen dürfte diese Hoffnung vergebens sein. Zeigen wir ihnen also die Grenzen auf und lassen sie quengeln. Wer ihnen nachgibt, macht sich erst recht das Leben zur Hölle.