Ein Gespenst geht um in Deutschland. Es ist der Geist von Guido Westerwelle. Ein Geist von äußerst bescheidenem Verstand und leider ganz umgekehrtem Auftreten. Wer will es dem Gepenst auch verübeln, stets eine Menge dummes Zeug zu reden, wenn es stehende Ovationen einheimst, 21 Vorhänge quasi, für solche Sätze:
Eine bürgerliche Mehrheit macht keine Enteignungspolitik“.
Robert Zion bemäkelt derweil, daß das andere Gespenst, das mit dem roten Bart, quasi schwarz lackiert als Vogelscheuche in der politischen Landschaft herumsteht. “Die Linke” hätte es sich stehlen lassen, das mächtige Wort “Kommunismus”, und gleichermaßen die Begriffe “Freiheit” und “Demokratie”. Auch sonst hätte sie in Sachen Utopie versagt, den “Blick fürs Ganze und Orientierung” verloren. Ihre Theorien und Bezüge seien ergo wirkunsglos.
Ja, wie denn auch anders, bei der Konkurrenz? Was soll ein Bezug auf Marx oder aktuellere Theoretiker dem entgegensetzen? Wie soll eine Theorie des 21. Jahrhunderts ihre Wirkung entfalten, wenn sie gegen politische Waschmittelwerbung antreten muß?
Aber tun wir einen Schritt zurück. Ehe wir uns der Kasteiung eines “linken” Versagens hingeben, ist zu hinterfragen, ob der Vorwurf denn auch zutrifft. Ist “die Linke” ohne Theorien und Konzepte, hat sie den Blick aufs Ganze verloren?
Es gibt dutzende Theorien und Entwürfe, die viel präziser und radikaler aufs Ganze gehen als das Gestümper der “bürgerlich-liberalen” Reparaturklitsche und ihre Kapitalismus-Kosmetik. Darin liegt gerade das Problem. Es gibt nicht den einen Blick aufs Ganze, es gibt derer eine ganze Menge, und für jede Perspektive gibt es kluge Theorien und Entwürfe. Das führt nicht zuletzt dazu, daß es “die Linke” nicht gibt: Es gibt gute Theorien und schlechte, die besseren können durchaus als “links” durchgehen, aber sie stiften keine Identität. Propaganda stiftet Identität, aber sie funktioniert nur als herrschende. Die “Linke” hat da in diesen Zeiten einfach die Arschkarte.
Jenseits dieser Propaganda findet sich bei den anderen nichts als heiße Luft: Die “Liberalen” sind alles andere als liberal, die “Bürgerlichen” könnten sich ebensogut “die Beliebigen” nennen, aber ihre neoliberale Übereinkunft bestimmt noch immer das Geschehen.
Die Identität der Linken im öffentlichen Diskurs ist ganz einfach: Sie ist das Böse, “Kommunismus”, “Sozialismus” “Populismus”, denn so steht es geschrieben. “Die Linken” sind ein Popanz der neoliberalen Lautsprecher. Es ist weder sinnvoll noch notwendig, dieser Projektion eine neue Identität entgegenzustellen.
Man kann der Linken nicht abverlangen, die Probleme des Kapitalismus zu lösen, und es ist völliger Unsinn, zu behaupten:
Doch die Linke scheut sich zu sagen: “Weg mit dem Kapitalismus!“
Wenn man die maßgeblichen Kräfte der Grünen und der SPD als “links” begreift, mag das stimmen. Aber gerade an dieser Stelle zeigt sich, wie unsinnig die Konstruktion einer womöglich wirkungsmächtigen “Linken” wäre. Hätte man je auf irgendwen gehört, der “links” ist, weil er kein Jünger des sich selbst regulierenden Marktes ist, ginge der Kapitalismus heute womöglich noch als “gesund” durch. Ganz ohne einen “linken” Machtsanspruch hätte ein wenig Vernunft völlig ausgereicht, um zu sehen, daß Kapitalismus langfristig nicht funktionieren kann. Ein wenig Vernunft hätte man auch und gerade den ehemals “marxistischen” Grünen in der Regierung Schröder gewünscht. Das hätte Wirkung entfalten können, ganz ohne eine Utopie, die eh auf der Strecke bleibt, wenn die Macht ruft.
Es gibt sie gar nicht, “die Linken”, “die Marxisten”, “die Kommunisten”. Nur eine Identität bleibt “der Linken” noch im Jahr 2009, ein Sinnspruch aus dem Kalten Krieg bringt es auf den Punkt: “Kaum sagste was Kluges, schon biste Kommunist”. Die FDP, namentlich Westerwelle, bringt diesen Schwachsinn noch heute in Anschlag, um zu dokumetieren, daß Deppen bei diesen “Liberalen” hochwillkommen sind. Guido ist der Präsident der neoliberalen Narrenzunft, dem es vorbehalten ist, “der Linken” eine Identität zu verschaffen – als die der potentiell Vernünftigen. Gegen seine Propaganda ist einstweilen kein orginiär linkes Kraut gewachsen, sie ist zu gut organisiert, und Vernunft braucht Zeit und Geduld, um sich dagegen durchzusetzen.
Derweil gibt es sehr wohl spannende Diskussionen und Theorien, seien sie nun “links” oder nicht. Der neue Sloterdijk, Bezüge auf Silvio Gesell, die Frage, ob und wie Martkwirtschaft überhaupt zu retten ist, ein Rennen um den radikalsten Keynesianismus, neue Ansätze fundamentaler Kapitalismuskritik – all dies steht im Raum, wird besprochen und formiert sich.
Es wuchert im Unterholz des Neoliberalismus, dessen Kronen längst abgebrand sind. Am Ende wird es keine Rolle spielen, ob die Baumstümpfe links oder sonstwo überwuchert werden. Der Kapitalismus scheitert an sich selbst, es braucht keine “Linke”, die diese Geschichte noch erzählt. Es braucht Vernunft, Kreativität und Intelligenz, um eine Idee davon zu entwickeln, was aus den Ruinen des Neoliberalismus auferstehen kann.