Sensationsgeilen Assoziationsjournalismus der primitivtsen Art gönnt sich dieser Tage “Spiegel Online”, die wissen, wie man ein schreckensgeladenes Ereignis so richtig ausschlachtet. Die Spezialisten für Vordergrund und Beliebigkeit schaffen es tatsächlich, nicht nur die olle Kamelle von den Killerspielen wieder auszurollen, ohne jedes Argument dafür zu liefern. Es gelingt ihnen obendrein, dem Ganzen einen schwülen sexuellen Unterton beizumengen und mit dem Grusel vor dem bösen Internet zu verquirlen. Er hatte 200 Pornobilder auf der Festplatte, der ruchlose Killer,
davon mehr als 120 sogenannte Bondage-Bilder, die nackte, gefesselte Frauen zeigen“. Nein, wie geil, zeiigen!
Was soll uns dieses stinkende Häuflein von unzusammenhängenden Fakten sagen? Daß da bestimmt ein Zusammenhäng besteht? Daß es das Böse in der Welt gibt: Bondage, Amok, Killerspiele? Daß wir dieses Böse ausmerzen sollen, wo immer wir es finden? Uns davon fernhalten, es melden, den Exorzisten rufen? Oder sollen wir angesichts der Vorstellung nackter gefesselter Frauen ein wenig über uns hinauswachsen und uns geißeln, weil wir selbst verderbt sind? Womöglich steckt ein Killerspieler in uns? Ein Amokläufer?
Diese neue Qualität der Dokumentation setzt quasi konsequent den Kurs von Stefan Aust fort, der erst ein klobig zusammengezimmertes Terrorbüchlein zum “Standardwerk” erhoben und dann einen Schießfilm draus gemacht hat. Wir freuen uns also auf die Spiegel-Dokumentation zum Fall, vor allem auf die großzügig eingestreuten Szenen, in denen Frauen bis zur Unkenntlichkeit entkleidet und in Handschellen hart rangenommen werden.
Das schmierige Artikelchen ist überschrieben mit
Bluttat von Winnenden” – Amokläufer verbrachte Abend vor der Tat mit Killerspiel“,
es gibt aber noch einen weiteren tumben Text derselben Machart, namens:
Amoklauf von Winnenden – Zehntausende Schüler sind computerspielsüchtig“.
Auch hierin gibt sich niemand die Mühe, einen Zusammenhang auch nur zu konstruieren. In Gegenteil weist der Text tendenziell darauf hin, daß ein solcher Zusammenhang nicht unmittelbar besteht. Schaut man sich die Sache genauer an, muß man zu dem Schluß kommen, daß das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Genauso gut könnte man die Benutzung eines Taschentuchs für eine Grippe-Epidemie verantwortlich machen.
Es sind Millionen, die ballern, und es sind inzwischen auch Millionen, die Pornobildchen sammeln. Übrigens auch schon Zehnjährige – Handy und Ipod sei Dank. Die Knallchargen von der Brandstwiete fühlen sich ja gern bemüßigt, uns die Welt zu erklären – als professionelle Gatekeeper. Tatsächlich belegen sie Tag für Tag, daß sie keine Ahnung haben, von welcher Welt sie da reden. Und sie haben nicht einmal das geringste Gespür für etwas, das man mit viel Wohlwollen noch als erträglichen “Stil” bezeichnen könnte.