Katharina Schuler hat die Irrsinnsplattform der CDU besucht und findet sie rein Web-2.0-mäßig “nicht sonderlich innovativ”. Auch sie kann sich, wie so viele Ihrer Kollegen, die über Politik und Netz schreiben, der akuten Variante des Hitlervergleichs nicht enthalten:
“Seit der neue US-Präsident Barack Obama vorgemacht hat, was man mit dem Internet im Wahlkampf alles anstellen kann, stehen die Christdemokraten wie alle anderen Parteien in Deutschland unter dem Druck, es ihm – wenn auch in kleinerem Maßstab – nachzutun.”
Wenn ich also einen Ladykracher zünde, tue ich es dann amerikanischen Bombern – wenn auch in kleinem Maßstab – nach?
Und ist Obama der Master of the Internet, worin sein Erfolg am Ende gründet?
Der doppelte Obama scheitert nicht erst an der tranig-öden Bundeskanzlerin oder der großrhetorischen Konkurrenz eines “Yes, we’re canned” – Heil, Hubertus. Er scheitert auch nicht erst als den Unterschieden eines Info-Entwicklungslandes wie Deutschland mit den USA. Diese Vergleiche hinken nicht und fahren nicht im Rollstuhl, sie wabern im Wachkoma.
Die Sehnsucht ist ja Verständlich. Nach jemandem, der Reden kann und überzeugen. Nach jemandem, der etwas sagt und dafür nicht sofort “Demagoge” oder “Populist” genannt wird, weil er der offiziellen Meinung der Informationsindustrie nicht in den Kram paßt.
Wie aber soll das gehen? Wenn nur diejenigen ihre öden Plattitüden frontal in die Kamera beten, die zuvor politisch reingewaschen, glattefönt und zurechtgestutzt wurden, ist das Interesse an ihren Äußerungen halt begrenzt. Womit wir bei des Pudels Kern sind: Interesse. Die Politik interessiert sich nicht für die Lebenswelt der Menschen, geschweige denn für das, was sie so im Internet suchen und finden. Ihre doppelte Medieninkompetenz besteht in der Unterschätzung der Macht, die hinter ihnen steht und der Ohnmacht jener, die das Verkündungsgeschwätz der universellen Koalition der Langeweiler schon lange nicht mehr hören können. Sie machen sich nicht klar, daß allein deshalb überhaupt noch jemand jemand sie kennt und wählt: Weil sie eben vom Springer über Burda bis Holtzbrinck und ProSieben.Sat1 bis Bertelsmann überall herumlungern und einer lebendigen Politik die Luft zum Atmen nehmen. Die Vorstellung, daß dieser Müll jetzt auch noch übers Internet verbreitet werden soll, ist schlicht beängstigend. Nun hat das Netz aber den Vorteil, daß nicht die halbe Nation um 20 Uhr dieselbe Site aufruft oder sie ihnen Sonntags morgens auf den Frühstückstisch geworfen wird. Hier sucht sich jeder, was er haben will und ignoriert den Rest einfach.
Das ist in den USA übrigens ganz genau so. Womit wir wieder beim ollen Obama sind. Genau wie vor ihm Howard Dean hat er gesagt, was die Leute hören wollen und wie sie es hören wollen. Er hat Inhalte verbreitet, von denen die Massen begeistert waren. Das ist die Basis seines Erfolgs, und hier unterscheidet sich das Netz gar nicht vom Real Life. Interesse, besser noch Begeisterung, Zustimmung zu den Inhalten und Freude an der Kommunikation. Man konfrontiere an dieser Stelle bitte die politische Landschaft “Bundesrepublik” mit diesen Anforderungen. Dann kommt man einfach zu dem Schluß, daß das Internet in diesem Land für “die Politik” nicht zu gebrauchen ist – oder eben umgekehrt. Wer aber würde es wagen, daraus den richtigen Schluß zu ziehen?
Februar 27th, 2009 at 00:07
Obama hat das Netz gut genutzt für seinen Wahlkampf? Aber JA, hat er. Kann er reden? Aber JA, kann er. Ist er charismatisch? Aber JA, und sexy und Symbolfigur usw.
Aber was waren nochmal die Inhalte? Change? Irgendwie anders? Kein nachvollziehbares Programm? Leider JA.
Man kann jetzt natürlich polemisch sagen, was hätte ihm ein ausgefeiltes Programm genützt wo er doch mitten in die Krise hineingeboren wurde als Präsident. Trotzdem: Obama ist das Traumprodukt der politischen Marketing-Industrie. Zu hoffen und zu fordern, dass wir hier ähnliche Bewerber kriegen ist gefährlich. Oder will irgendwer das Merkel gegen eine türkisch-stämmige Heidi Klum austauschen? Was, 67% der Deutschen wollen das? Oh je, machen wa besser ne Website und ein paar Blogs für die Neue, wa?
Nix für ungut.
Februar 27th, 2009 at 00:56
Nun ja, da war so etwas wie der Irakkrieg, Guantanamo, Sozialversicherungen, Finanzsystem und die gnadenlose steuerliche Bevorteilung der Reichen – das nenne ich schon “Inhalte”. Einschließlich Charisma und Redekunst ist das schon mal weit mehr, als sich hierzulande weit und breit finden läßt. Dabei reden wir für die USA, die für inhaltsschwangeres politisches Auftreten nicht eben berühmt sind.
Deutschland und Europa waren hingegen noch zu meinen Lebzeiten genau da anders, und selbst der fade Kult der hiesigen Auseinandersetzungen setzt noch immer mehr auf das Wort als auf Konfetti. Wie degeneriert dieses Land ist und wie wenig Hoffnung die Nutzung eines “neuen” Mediums berechtigt ist, erweist sich in diesem Zusammenhang.
Was ich sagen will: Das Netz bietet hier ungeahnte Möglichkeiten – allerdings nur für jemanden, der etwas zu sagen hat und dabei nicht bloß stammelt.
Februar 27th, 2009 at 08:33
@peacekeeper: Eine türkischstämmige Heidi Klum wäre wenigstens was fürs Auge. Wobei, wenn ich mir das Original ansehe, sie dann besser auch den Rand halten sollte. So wie unsere Frau Bundeskanzlerin auch.
Das sind so die Momente, wo ich mir denke, die Diktatur hat auch ihre guten Seiten. Da muß ich mir wenigstens nicht sagen, “Du bist für den Scheiß mitverantwortlich”. ;-)
Februar 28th, 2009 at 23:16
Wenn Form und Inhalt in der Politik doch nur in Einklang zu bringen wären! Wenn aber beides mies ist, hilft selbst dieser fromme Wunsch nicht.
März 1st, 2009 at 17:54
Naja, das Netz für sich entdeckt hat Angela (bzw. ihre Berater) ja schon vor geraumer Zeit. Siehe ihre wöchentlichen (?) Podcasts (gibt’s die eigentlich noch. Der Unterschied ist bloß, daß sich niemand (oder nur wenige) dafür interessiert weil eine Podcastende Angie genauso interessant ist wie Nacktbilder von ihr sexy sind. Allein die Nutzung der neuen Medien macht es eben nicht. Man muß auch Inhalte rüberbringen… oder zumindest die Verpackung schön gestalten.