Es kam wie erwartet: Der Mann, den seit Jahren niemand mehr haben will, regiert weiter. Der Ministerpräsident und die CDU fühlen sich nun offiziell als Sieger, denn sie stellen weiterhin den Chef: Koch. Daß sie noch weniger Stimmen bekommen haben als bei der letzten schon als “Schlappe” geltenden Wahl, davon kein Wort.
Es ist gut zu wissen, daß die Hessen ihn schon wieder abgewatscht haben, auch wenn er es nicht merkt. Die FDP hat so viel dazugewonnen, daß sie ihn auf den Schild heben können. Dieser Zugewinn ist freilich fast allein der SPD zu verdanken. Die Scharen an “Nichtwählern” aus ihren Reihen sind schon einmal eine Menge für die anderen wert, es gibt dadurch mehr Prozent pro Stimme. Die vermeintlichen Wähler der “Mitte”, denen sich die Agenda-Fraktion so rückgratlos vor die Füße wirft, fühlen sich bei der FDP besser aufgehoben. Wenn schon neoliberal, dann richtig. Der Rest des Zugewinns für die FDP rekrutiert sich aus denen, die das Unvermeidliche zwar wollen, womöglich gar die CDU, aber bitte nicht mehr Roland Koch! Daß Koch sich jetzt hinstellt und posaunt, die FDP-Wähler wollten doch auch alle ihn, ist eine pathologoische Selbstüberschätzung.
Die Grünen gewinnen aus ähnlichen Gründen wie die FDP mächtig dazu, was sie sich ebenfalls nicht selbst zuschreiben sollten. Der Einäugige sieht besser als der Blinde, das kann sich aber bei der nächsten Begegnung mit dem Schwarzen Ritter ganz schnell ändern. Die Linkspartei schließlich wird sich freuen, es mit einem chaotischen Haufen dennoch in den Landtag geschafft zu haben – und kann sich auch artig bei der SPD bedanken.
Wir hatten das zur Genüge, das Jahr 2008 war das “Jahr Ypsilanti”, die von einer Kampagne der Neoliberalen in Parteien und Medien überrollt wurde. Sie hat es nicht geschafft, aus der Rolle der unfreiwillig nützlichen Idiotin heraus zu finden. Ihre Sturheit und die grobe Fehleinschätzung der Entschlossenheit ihrer Gegner waren ihr Beitrag zum Desaster. Daß sie jetzt zurücktritt, ist in Ordnung. Ich wüsche ihr die Weisheit, aus der Katastrophe zu lernen und gestärkt wiederzukommen.
Da die Hessen-Oper eine mulitmediale Farce war, lohnt sich auch heute ein Blick ins journalistische Umfeld. Drei aktuelle Beispiele dazu:

Bei Zeit.de liefert Ludwig Greven eine nüchterne Analyse der Lage. Es finden sich allerdings noch Nachwehen des Anti-Yps-Kurses: Die Formulierung vom “verhängnisvollen Kurs Ypsilantis” ist zwar akzeptabel, verschweigt aber mehr, als sie aussagt. Die Rede von den vier “SPD-Rebellen” hingegen ist schon grenzwertig.

Sensationell ist der live-Kommentar von Stephan Hebel für die FR: Bissig, informiert und gegen den Strom. Ein journalistisches Highlight, wie ich es lange nicht erlebt habe. Ich hoffe, dieses Dokument bleibt lange auf dem Server.

Sogar für das heruntergekommene Niveau des “Spiegel” noch eine Schande ist der Dreck, den C.C. Malzahn Frau Ypsilanti hinterherwirft. Schon die Eingangsphrase ist angesichts des Wahlsiegers so dumm, daß man sich fragt, ob Mahlzahn überhaupt je von einem Mann namens Koch, Roland, gehört hat:
Die Wählerbotschaft an die SPD ist von simpler Klarheit: Du sollst nicht lügen.
Kollege Hebel erinnert da ganz selbstverständlich an die erfundenen “jüdischen Vermächtnisse”, die Koch sich ausgedacht hat, um sein Schwarzgeld in Sicherheit zu bringen.
Ich habe den Spiegel-Artikel nur aufgerufen, weil mir dies in der Einleitung aufgefallen war. Motto: “Mal sehen, was C.C. sonst noch an Blödsinn erzählt”.
Aber selbst der kann mich noch überraschen, versteigt er sich doch in folgende Formulierung:
Wie man zuletzt mit den sogenannten “Abweichlern” umgesprungen ist und sie mit Hass und Häme abstrafte, war mehr als unwürdig. Es war geradezu abschreckend, wie der kalte Hauch vom Hotel Lux da über Hessens SPD wehte.”
Gegen diese bodenlose Frechheit sind die allermeisten Nazivergleiche noch in die Kategorie “Kompliment” einzuordnen. Diese völlige Verdrehung der Tatsachen und der Vorwurf, die SPD sei gegen die Verräter vorgegangen wie bei einer stalinistischen Säuberung, sind selbst für Malzahn beachtlich niveaulos. Der Mann ist ein widerwärtiger Hetzer und tritt noch auf Leute ein, wenn sie längst am Boden liegen. Dieser Mist wird hier natürlich nicht verlinkt.