Konjunktur kriegt keine Kinder
Posted by flatter under HintergrundKommentare deaktiviert
15. Jan 2009 23:54
Aber immerhin, 100 Euro pro Kind, das ist doch schon was! Auf die Zeitspanne berechnet, in der man für ein Kind aufkommen muß, sind das ca. fünf Euro pro Jahr. Dafür können sich die Eltern dann jedes Jahr Weihnachten eine Schachtel Kippen kaufen. Da ist Steinbrück gar nicht geizig.
2500 Euro gibt es sogar als Abwrackprämie, nicht für kleine Kinder, aber für alte Autos. Auf die Lebensdauer der verschrotteten Autos gerechnet, sind das etwa 278 Euro pro Jahr. Wirtschaftlich gedacht, ist das sehr konsequent, denn Deutschland exportiert keine Kinder, und diese kaufen auch keine Autos. Die Abwrackprämie sorgt zudem dafür, daß nicht Konsumenten der untersten Charge begünstigt werden. Wer sich keinen Neuwagen leisten kann, geht leer aus, und das ist dann ganz neusozialdemokratisch “auch gut so”. Gefördert werden soll nämlich echter Konsum, der der Wirtschaft hilft. Mit dem Kinderbonus ist der Gerechtigkeit schließlich genüge getan – sie kommt dem Reichen ebenso zugute wie den Armen. Ein Zeichen für eine funktionierende Demokratie.
Peer Sparbrück, der als Finanzoberexperte für dieses Meisterwerk sozialdemokratischer Marktwirtschaft verantwortlich ist, sorgt gleichzeitig dafür, daß es kein Mehr und kein Zurück gibt. Sollte irgendwann wieder genug Geld durch die Banken und Konzerne fließen, soll dieses moderat wieder das Sparschwein füllen. Dem Prekariat soll mit Vefassungsrang deutlich gemacht werden, daß es auch in besseren Zeiten nicht die Hand aufzuhalten hat. Zuerst kommt die Wirtschaft, dann der ausgeglichene Haushalt und dann – nichts mehr. So gehen die Sozen mit Geld um. Von deutschem Boden soll nie wieder der Vorwurf ausgehen, die SPD verschwendete das Geld mit Almosen.
Noch beeindruckender als dieser politische Höhenflug ist allerdings die Wirtschaftskompetenz der Union, die ganz allgemein die Steuern senken will, um damit die höheren Staatsausgaben zu finanzieren. Das größte ökonomische Genie aller Zeiten, Glos der Große, sonnt sich im Glanz der Krise wie ein Hähnchen im Grill – geistig ähnlich lebendig, dabei aber weniger nahrhaft. Wem ist es bloß eingefallen, diesen Experten zum Wirtschaftsminister zu machen? Wer überläßt diesem sporadisch Aufgeweckten in schwerster See das Ruder des Flaggschiffs, auf daß er mit ruhiger Hand lässig unter jedem Riff hinwegtaucht?
Es ist die Bundeskanzlerin, der meine volle Bewunderung gilt: Wem es gelingt, sich hinter solchen Schmalhanseln zu verstecken ohne entdeckt zu werden, dem kann keiner das Wasser reichen – selbst wenn es allen bis zum Halse steht.
Das beste Konjunkturprogramm wäre freilich eine Abwrackprämie für den Kutter, auf dem diese Geisterfahrer die Crew geben.
Januar 16th, 2009 at 00:02
Beim Lesen Deines Textes dachte ich an die Guillotine, schließlich befindet sich, wer links denkt, laut Prof. Sinn im 1800 Jahrhundert.
Aber Dein Vorschlag ist viel, viel besser:
>>Das beste Konjunkturprogramm wäre freilich eine Abwrackprämie für den Kutter, auf dem diese Geisterfahrer die Crew geben.<<
Die Geisterfahrer sind irre und sie werden besonders nachts wieder munter.
Januar 16th, 2009 at 02:44
Ein herrlicher Text – bravo²! – Dazu fällt mir spontan ein Liedchen des Herrn Mey ein, der in seinem “Narrenschiff” ähnlich deutliche Worte gefunden hat.
https://www.reinhard-mey.de/index.php?id=176&render=text_main&w=1024
Januar 16th, 2009 at 04:42
wenn’s nicht so traurig wäre… aber trotzdem musste ich beim Lesen stark grinsen. Danke.
Januar 16th, 2009 at 07:25
Wo wir schon bei HaWe Sinn sind:
Maybritt Illner hat ihn gestern in ihrer Polit-Dokusoap als “Intellektuellen” geadelt.
Wirklich.
Kein Scherz.
Januar 16th, 2009 at 07:36
Schöner Text, die kleine Pause hat gut getan…;-)
Die Linie der Benachteiligung der Mehrheit wird auch in der schlimmsten Krise nicht verlassen. Morgens Hüther im Morgenmagazin, abends Sinn zum Schlafengehen…..wir sollen nach wie vor von den Versagern von gestern für die Zukunft eingelullt werden.
Und beim Glos habe ich immer den Eindruck, dass der Schläfrige selbst mit dem Job eines Pförtners überfordert wäre….
Januar 16th, 2009 at 10:37
Schöner Text! :)
Wer hat den Glos eigentlich zum Wirtschaftsminister gemacht? Lothar Matthäus hätte doch auch Zeit gehabt!
(frei nach Pispers)
Januar 16th, 2009 at 10:37
Bin tief beindruckt!
Inhaltlich und sprachlich,wunderbarer Stil.
Und Illners Intellektuellenscherz hab ich auch gesehen.
War schwer enttäuscht von Gysi.
Am Sonntag geh’ ich in Hessen wählen.Es ist zum verzweifeln.Entweder bekomme ich die Schwarz-Gelben Hyänen,oder das Seeheimer Wolfsrudel in der GroKo.
Januar 16th, 2009 at 11:20
kann das Lied “narrenschiff” in der fassung Mey/Wecker/Wader nur jedem empfehlen. Da kommt so richtig die Wut über unfähige Politikführer rüber.
Wobei – unfähig sind die ja nicht. Sie sind leider zu allem fähig, wenn es darum geht die Interessen der reichen zu vertreten.
Nach fast 40 Jahren politischen Kampfes bin ich kurz vor der resignation.
Januar 16th, 2009 at 11:38
Man sagt ja nicht umsonst: Der Deutschen liebstes Kind!
Januar 16th, 2009 at 11:49
ach was … kinder sind die zukunft. schweineteuer machen dreck und die figur kaputt. aber so’n schickes auto, das macht schon was her. das autos keine autos kaufen konnte nur jemand sagen, der von autos keine ahnung hat.
auch das mit k II was für die bildung getan wird ist evident, weil in gut renovierten klassen lernt es sich einfach besser – auch ohne lehrer.
so kommt es wie es kommen muß: es wird schlimmer und es bringt nichts.
Januar 16th, 2009 at 11:55
flatter, ein Bravo zu deinem Text auch vom Opa Ost.Ich empfand es bisher als gelungene Ironie, wenn Betreiber des politischen Geschäftes anhand krasser Beispiele als Darsteller in einer Rolle bezeichnet wurden. Doch inzwischen ist die allumfassende Absurdität zur Norm geworden. Man hangelt sich mit großem Vorhang von Sketch zu Sketch. Nach dem Notruf springt eine Mannschaft aus dem roten Gefährt, die noch das Lied vom Schweinespeck aus dem Zigeunerbaron singt, bevor sie Strohhalme zu Rohren zusammenfügt, sich in die Kutte der Feuerwehr wirft, um zu retten. Der Zahnarzt bestreicht den großen Zeh mit ranziger Butter und verschreibt was gegen Rheuma. Der gerufene Klempner schmeißt eine Zange in den Hausbriefkasten – und seine Rechnung.
In diesem Sinne, das ist das eigentlich Groteske, glaube ich, dass zum Beispiel Herr Struck sich allen Ernstes für einen Politiker hält. Herr Glos fühlt sich gewiss nicht wohl, aber er hält es ganz sicher auf Grund seiner Verdienste für angemessen, dass er Wirtschaftsminister ist. Nun ist er es eben und muss noch ein halbes Jahr da durch.
Ganz gewiss haben Reiche in diesem Land auf dem Marktplatz der Finanzakrobaten sehr viel Geld verloren. Aber es gibt nach wie vor und wie selbstverständlich Leute, die den Staaten einfach hunderte Milliarden, das sind – Achtung: hunterttausende Millionen zu leihen vermögen. Nach Schirm und Paket II ist mir die allerallerletzte Illusion abhanden gekommen.
Januar 16th, 2009 at 12:20
[...] über die Teilverstaatlichung der Commerzbank # Politanalyst an alle Manager dieser Welt # feynsinn zu Konjunktur kriegt keine Kinder [...]
Januar 16th, 2009 at 12:20
[...] über die Teilverstaatlichung der Commerzbank # Politanalyst an alle Manager dieser Welt # feynsinn zu Konjunktur kriegt keine Kinder [...]
Januar 16th, 2009 at 13:08
@hagnum: was war denn mit gisy? ich habe die sendung nicht gesehen, da ich keinen fernseher habe.
möglicherweise war der mann müde, denn er hat sich am abend zuvor in kassel bei einer wahlveranstaltung ziemlich verausgabt.
Januar 16th, 2009 at 13:08
@hagnum: was war denn mit gisy? ich habe die sendung nicht gesehen, da ich keinen fernseher habe.
möglicherweise war der mann müde, denn er hat sich am abend zuvor in kassel bei einer wahlveranstaltung ziemlich verausgabt.
Januar 16th, 2009 at 13:27
[...] Großzügigkeit der Bundesregierung. Was soll man da mehr sagen als schon Feynsinn es tat? Geschrieben von Hanjo in Politik um 13:25 Kommentare (0) | Trackbacks (0) 1 Klicks [...]
Januar 16th, 2009 at 13:46
Da wird mal wieder auf dem Altar des heiligen Consumensis geopfert … aber es passt ins Bild.
https://aebby.pentaeder.de/aebbyLOG/2009/01/16/die-leitkultur-des-homo-consumentis/
Januar 16th, 2009 at 13:50
Lieber Feynsinn,
wieder ein Eintrag von herausragender Qualitaet. Wenn es alles nicht so traurig waere, koennte man herzerweichend darueber lachen. Unsere Politiker verstehen ihr Handwerk (naemlich das Matthaeus-Prinzip: die schon haben, denen wird gegeben) sehr gut.
Bin auf Hessen gespannt.
Januar 16th, 2009 at 16:08
Ein Text wie ein Feuerwerk. Dank dafür!
Januar 16th, 2009 at 17:51
@Gisy
Hat wie bei jeder anderen Maybritt Willberg Polit-Soap den Oppositionellen nur GESPIELT.
Ich kann mir das nicht anders erklären, der Mann hat offenbar nicht das geringste Interesse politisch etwas zu bewegen.
So ein bisschen stänkern, ja, aber nicht zu sehr, wir wollen niemanden Schaden oder verunglimpfen.
Rüttgers stand gestern mit herunter gelassener Hose und weißen Fähnchen vor Gisy, ihn, die CDU und das gesamte kapitalistische WiMoDem-System mit Pauken und Trompeten vor der Öffentlichkeit zu demontieren hätte keine 2 Minuten gedauert.
Aber er hat nichts gesagt, außer die üblichen Phrasen die er immer bringt offenbar um das Publikum zu langweilen.
Der will nicht beißen, der bellt nicht mal richtig, er knürt nur.
Gisy gehört mit zum Ensemble.
There is no hope…
Januar 16th, 2009 at 21:55
[...] via Feynsinn » Konjunktur kriegt keine Kinder. [...]
Januar 17th, 2009 at 00:01
[...] Konjunktur kriegt keine Kinder … sehr feynsinnige Analyse des Nährwerts des jüngsten Konjunkturprogramms und seiner Macher – einschließlich eines wirklich sinnvollen und den richtigen Weg weisenden Alternativvorschlags – Zitat Finkelday: Abwrackprämie für den Kutter auf dem diese Geisterfahrer die Crew geben … Zustimmung und standing ovations [...]
Januar 17th, 2009 at 02:27
Hi,
wollte mich nur kurz für die Verwechslung entschuldigen … sollte natürlich “Zitat flatter” heißen und wurde bei mir dahein natürlich entsprechend korrigiert – Gruß
Januar 20th, 2009 at 08:47
[...] Konjunktur kriegt keine Kinder [...]
Januar 20th, 2009 at 08:47
[...] Konjunktur kriegt keine Kinder [...]