“Der Westen” berichtet von der Kritik, die “Pro Bahn” an der Hatz auf “Schwarzfahrer” übt. Dort ist die Rede von einer “Prüftruppe“, die “von Zug zu Zug springt“. Einer aus dieser Jägertruppe gibt zu Protokoll: „Der verschärfte Ton bei den Kontrollen ist gewollt [...] Außerdem haben wir Anweisungen, nicht nur die Fahrgäste, sondern auch die Schaffner zu kontrollieren. Dadurch steigt der Druck und die Fehlerzahl.”
Der Konzern organisiert eine Treibjagd. Es kommt dabei überhaupt nicht darauf an, Schwarzfahrer von irritierten Kunden zu unterscheiden. Der gute Kunde kennt sich aus, macht alles richtig und hat daher ein gültiges Ticket. Alles andere ist Ausschuß, der gefälligst ein erhöhtes Beförderungsentgelt zu bezahlen und das Maul zu halten hat. Dazu ein Bericht von Heiligabend:
Ein 23-Jährige Frau hat es nicht mehr geschafft, ihr Ticket am Bahnsteig abzustempeln und dachte übderdies, es gebe im Zug noch Stempelautomaten. Zumindest dachte sie, wenn sie den ungestempelten Fahrausweis vorzeigt, könne der Schaffner diesen entwerten.
Dieser war aber alles andere als zuvorkommend und beschuldigte die junge Dame sogleich des vorsetzlichen Erschleichens der Beförderung, was sie empört zurückwies. Daraufhin führte der Bahnbedienstete sie in ein leeres 1.-Klasse-Abteil, um dort mit ihr zu diskutieren, ob er sie nun auch noch als “unkooperativ” einstufen solle – was immer das bedeutet.
Die attraktive junge Frau kam offenbar gar nicht auf die Idee, darin eine sexuelle Belästigung zu sehen, weswegen sie womöglich nicht in den Genuß des Status “kooperativ” kam. Sie hat jedenfalls keine Angebote ihrerseits gemacht, sondern den nicht recht weihnachtlich gestimmten Uniformierten grob kritisiert.
Dies ist nur eine von zahlreichen Anekdoten, die niemand lesen möchte. Bei der Bahn ist das offenbar so gewollt. Wenn selbst an Heiligabend in einer leeren Bahn ein derart grenzwertiges Gewese gemacht wird, kann es auch nicht ums seriöse Geschäft oder ums Prinzip gehen. Was sich da so zuträgt, ist die schlichte Normalität auf den Weg zum “privaten” Großkonzern. Hier zahlt der Mensch und zählt nichts mehr. Dies ist der Kern einer Ideologie, die Gewinne heiligt und sich einen Kehricht darum schert, wie sie zustande kommen.

Januar 13th, 2009 at 02:12
wirtschaft und würde ist wie teufel und weihwasser.
da geht eher ein kamel durch ein nadelöhr.
aber das sind olle kamellen!
Eben die Fratze des Kapitalismus.
Januar 13th, 2009 at 07:16
@otti
Wirtschaft und würde ist nicht wie Teufel und Weihwasser. Der Kapitalismus der hinter der Wirtschaft steht ist eher der Teufel. Die Wirtschaft verteilt Güter. Je nach System macht sie das für die Menschen oder gegen sie. Eben mit oder ohne Würde.
Januar 13th, 2009 at 08:11
Ich war einmal vor drei Jahren, als ich auf die Lieferung eines Autos gewartet habe, ein paar Monate auf die Dienste der Bahn angewiesen. Nach ein paar Versuchen mit der Bahn fahren bin ich entnervt auf Mitfahrzentralen und Mietwagen umgestiegen und fahre nur noch gezwungenermaßen auf Dienstreisen Bahn.
Mehdorn und Co. gehören entsorgt und es ist dafür zu sorgen, dass die Bahn sich auf die Aufgabe konzentriert, in Deutschland die Menschen sicher und zügig von A nach B zu bringen und dabei Service für und nicht gegen die Menschen anbietet. Für die Spinnereien nach internationaler Ausdehnung reichen die Fahrpreise auch nach der 100-ten Erhöhung nicht aus und das gehört in meinen Augen eh nicht zu den Aufgaben einer Bahn.
Januar 13th, 2009 at 09:33
Was waren das früher noch für schöne Zeiten, als man im Zug ohne Probleme einen Fahrschein nachlösen konnte. Ohne Gemecker, ohne Drohungen.
Und heute? Viel zu wenig Personal, überfüllte Züge und meine Jahreskarte ist auch schon wieder (mitten im Abo!) teurer geworden. Früher 142,50 Euro, jetzt über 150 Euro der Monat. Danke, Herr Määäähdorn.
Januar 13th, 2009 at 11:53
Das ganze Gewese um Schwarzfahrer könnte man sich sparen, wenn man die Möglichkeit bieten würde beim Schaffner ein Ticket zu lösen (mit einem angemessenen Aufschlag versteht sich). Diese Parxis gab es bei der Bahn vor Jahren schon mal. Warum diese abgeschafft wurde und warum der Staat als Eigner der Bahn hier nicht gegensteuert, weiß der Geier.
Januar 13th, 2009 at 14:35
@Thomas: Klare Sache. 40€ sind mehr Geld als ein nachgelöstes Ticket. Und falls das Ticket mehr kostet, wird der doppelte Ticketpreis fällig. Warum der Staat nicht gegensteuert? Wer? Der Herr Minister Tiefensee? DER Tiefensee, der z.B. von den Boni niiiiichts wußte, die beim Börsengang fließen werden? Die Frage war ironisch gemeint, oder …? *g*
Januar 13th, 2009 at 15:39
@Flying Circus: Mist, hab kein Ironie-Tag verwendet ;)
Januar 13th, 2009 at 17:59
Als ich noch Student war (hier in hamburg = Semesterticket) , geschah mir einmal folgendes: ich stand, S-Bahn-Station Hauptbahnhof, Gleis 1 und 2, zufällig neben einem offensichtlichen Afrikaner/Afrikanisch-stämmigen. zwei Kontrolleure steuern zielgerichtet auf den Farbigen zu: “Fahrausweis bitte!” zu mir “Ihren dann bitte auch!” Ich, nichts ahnend, suche nach meinem Semesterticket. Ganz sicher habe ich es ja dabei. Nanu? Hier ist es nicht…da ist es nicht…wo ist es denn? inzwischen hat er sein Ticket vorgezeigt. Ich suche immer noch… “Wiedersehen!” – “Äh Moment, Sie haben mein Semestertciket noch nicht gesehen!” – “Wir glauben Ihnen das schon! Wir haben Sie nur mitgefragt, damit der Neger da nicht sagt, wir seien Rassisten!” Die Pointe (auch, wenn mir das keiner glaubt!): ich hatte mein Ticket wirklich vergessen…
Ist so knapp 10 Jahre her.
ganz anderes Thema:
https://wahljahr09.wordpress.com/2009/01/13/wo-sind-die-millionen-roland/
bitte weitereichen, wo ihr steht und geht. Wir werden Kochs Wahlsieg nicht mehr verhindern, aber ein bißchen ärgern können wir ihn noch.
mfg
Januar 13th, 2009 at 18:27
Der Ton in den Zügen ist mittlerweile unter aller Kanone.
Januar 13th, 2009 at 18:38
Die Verkehrsunternehmen verprellen mit ihrer Hatz gegen “Schwarz”-Fahrer mehr Stammkunden und verursachen mehr Image-Schaden als sie wieder durch erhöhtes Beförderungsentgelt reinholen können.
Die Bahn ist da nicht alleine. Die BVG patrouilliert vorwiegend in den Morgen- und Feierabendstunden, wenn die Pendler unterwegs sind. Hast du am ersten Werktag eines Monates als Abonnent dein Ticket nicht dabei, kriegst du ein eBe aufgebrummt. In der Folge habe ich mein Abo gekündigt.
Es ist immer wieder dasselbe: Die herrschende betriebswirtschaftliche Logik setzt auf kurzfristige Lösungen, der langfristige Nutzen ist egal. Dabei gehört der öffentliche Nahverkehr zur Daseinsvorsorge, das Betriebswirtschaftliche dürfte also nicht vollkommen im Mittelpunkt stehen.
Januar 13th, 2009 at 22:13
Nach meinen Informationen kriegen die Kontrolleure ja Kopfprämien für jeden erwischten Schwarzfahrer (statt Provision für verkaufte Fahrscheine)- und müssen wohl auch eine Quote erfüllen.
Ich und mehrere Familienmitglieder sollten auch schon trotz korrektem Fahrschein zu Schwarzfahrern erklärt werden. Aber bisher haben sie es nicht geschafft – ganz einfach, weil wir uns nicht irremachen haben lassen und uns jedes Mal schriftlich beschwert haben. Außerdem haben wir den Herrschaften mit schlechter Presse gedroht.
Man hat uns in keinem Fall mit Strafzetteln wegen Schwarzfahrens belästigt.
Offensichtlich -man verzeihe mir die farbige Metapher- ziehen diese Abkassierer in Sekundenschnelle den Schwanz ein, wenn sie feststellen, daß die vermeintliche Beute zur Gegenwehr neigt.
Januar 13th, 2009 at 22:29
Die Praxis mit dem Ticketlösen im Zug gibt es durchaus noch. Doch scheint diese Regelung Ländersache zu sein. Jedenfalls kann es einem Menschen der in Sachsen in einen Zug steigt und keine Fahrkarte hat so gehen wie hier beschrieben. Eine Station weiter (so diese denn in Brandenburg liegt) wäre dieses Verhalten völlig okay und ein Nachlösen ist ohne Problem möglich (erlebe ich quasi täglich live mit).
Januar 13th, 2009 at 22:49
Schönes Thema! Wie wahr, wie wahr.
Um bei der Nutzung des ÖPNV alles korrekt zu machen muß man schon a) sich gut auskennen, b) nicht drauf angewiesen sein zu einem festen Zeitpunkt an einen bestimmten Ort zu kommen und c) verdammtes Glück haben.
Richtig lustig wird es wenn man erst noch an einem Automaten ein Ticket lösen muß. Automaten sind nämlich entweder kaputt oder nehmen das Geld nicht an. (Glück hat man wenn man einen mit EC-Karten-Erweiterung erwischt und eine gültige EC-Karte hat).
Bei Der lustigen Bahn ist halt jeden Tag Aktionstag zur Kundenvergraulung!
Januar 14th, 2009 at 02:52
“…und dachte übderdies, es gebe im Zug noch Stempelautomaten. Zumindest dachte sie, wenn sie den ungestempelten Fahrausweis vorzeigt, könne der Schaffner diesen entwerten.”
Genau dies dachte ich letzten Mai auch – bis der Schaffner meinen Ausweis sehen wollte.
Ausweg waren 3 Jungs die in Holland “Urlaub” machen wollten und mich mit ihren Fahrkarten mitnehmen konnten.
An dieser Stelle also noch mal ein Dankeschön v.a. an den selbstständigen Chiropraktiker aus Rottweil :-)
Vielleicht ließt er ja auch Feynsinn.
Januar 14th, 2009 at 08:53
Man soll ja nicht nur meckern: Gestern waren Kontrolleure in meiner S-Bahn. Nicht nur war der Ton absolut nicht zu beanstanden, als ein Fahrgast anmerkte, daß an einer Haltestelle die Automaten eingefroren und damit funktionsuntüchtig seien, bekam er in höflichem Ton eine kurze Erklärung, wie er trotzdem an ein gültiges Ticket käme. Es geht also auch anders.
Januar 14th, 2009 at 22:33
@flyingcircus:
Könnte der nette Ton der Kontrolleure etwas damit zu tun haben, dass (angeblich) bundesweit die Ticketautomaten abgestürzt sind heute?
Einzige Quelle dazu (hab auch nicht lang gesucht, bei SPOn rein gar nix dazu gefunden, die waren wohl zu busy den Kumpel Ackermann als mutigen Retter von D zu feiern) hier:
https://www.thelocal.de/sci-tech/20090114-16765.html
Customers of Germany’s national railway operator Deutsche Bahn have been unable to use ticket vending machines after they crashed across the entire country on Wednesday afternoon.