Zu den vielen Varianten der “Reality”-Unterhaltungs- und Kochshows, mit denen wir täglich berieselt werden, gehört auch die Coachingshow von Christian Rach. Der Titel der Sendung ist ein wenig mißraten, denn der Sternekoch “testet” keine Restaurants, sondern berät die Inhaber vielmehr, wie sie ihren untergehenden Schuppen noch retten können. Das eine oder andere Geschenk bringt er auch mit, aber mehr als vom Sender gesponsorte materielle Hilfen zählt seine Beratung.
Ich stehe solchen Soaps generell skeptisch gegenüber, und auch das Format dieser Sendung ist kritikwürdig. Allein die inzwischen üblichen Wiederholungen von Sequenzen nach den Werbeeinblendungen haben ein wenig von “Fernsehen für Doofe”. Interessant ist aber allemal, wie sich jemand aus professioneller Perspektive um Läden kümmert, die häufig von naiven Laien geführt werden – die sich freilich oft ungern selbst so sehen.
Kraft seiner Autorität setzt der Coach sich aber immer durch, zumeist eindeutig zum Vorteil seiner Klienten. Dabei geht er nicht mit der monetären Meßlatte druchs Haus, schmeißt ein paar Leute raus und läßt die anderen mehr arbeiten, sondern er hat Ideen und kann Ordnung ins Chaos bringen.
Ungewöhnlich sind auch seine Ansichten, die man nicht teilen muß, aber immerhin denkt er umsichtig, wie in einem Interview mit der FR deutlich wird. Zwei Besipiele daraus:
[FR:] Als RTL-Restauranttester verirren Sie sich gelegentlich auch in Gaststätten, die zu betreten einem schon der gesunde Menschenverstand verbietet. Dabei gehören die deutschen Lebensmittelgesetze zu den strengsten der Welt. Was läuft in diesen Läden verkehrt?

[Rach:] Es gibt natürlich Dreckfinken. Aber ich habe in der Zeit, in der ich den Leuten helfe, sehr viel über existenzielle Not gelernt. Wenn Sie so sehr finanziell am Krückstock gehen wie die Leute, die sich für die Sendung bewerben, schränkt sich Ihre Wahrnehmung ein. Die Leute sehen die Verwahrlosung und den Dreck nicht mehr. In der Großzahl der Fälle gelingt es mir, dieses Bewusstsein wieder freizulegen.

Man wünschte sich die Einsicht in solche Prozesse bei den Dichtern der Leistungslyrik, die hier ganz fix bei der Hand wären mit Vorwürfen, Schuldzuweisungen und Urteilen. Daß materielle Not und Mißerfolg die Menschen abstumpfen lassen, ist ein ganz gewöhnlicher Effekt. Rach setzt auf echte Hilfe und Ideen, um den Elan dieser Deprimierten wieder zu beleben. Die Arbeitsagenturen und die politischen Hetzer gegen Hilfebezieher sollten sich davon eine große Scheibe abschneiden.
Daß auch so etwas einfaches wie Essen eine politische Dimension hat, formuliert Rach sogar wörtlich:

[FR:] Obwohl im deutschen Fernsehen mittlerweile 30 Kochsendungen laufen, wurde noch nie so wenig gekocht wie heute. Wie erklären Sie sich dieses Missverhältnis?

[Rach:] Das wäre mal ein schönes Thema für Maybrit Illner. Ich denke, das hat eine politische Dimension, wenn Sie bedenken, wohin sich die Familie entwickelt. Es gibt keine Wertschätzung der Familie mehr. Essen und Trinken ist eigentlich der zentrale Ort der Kommunikation, auch zu Hause. Wenn diese Art der Kommunikation nicht mehr stattfinden kann, weil die Arbeitszeiten in den Firmen oder die Schulzeiten in der Ausbildung der Kinder nicht mehr zulassen, dass zumindest eine gemeinsame Mahlzeit stattfindet, ist das ein großer Verlust.

So könnte konservatives Denken aussehen, das die Zusammenhänge sieht. Rachs Kniff, der ihn turmhoch über jedem Politikergeschwätz stehen läßt, ist die schlichte Wahrnehmung einer menschlichen Dimension. Die Schlüsse, die er zieht und die Schwerpunkte, die er setzt, kann man ebenfalls kritisieren. Daß er als Restaurantleiter die Verbindung von menschlichem Alltag und Politik erkennt und darlegt, ist aller Ehre wert. Daß diejenigen, die sich für Politiker halten, das nicht fertigbringen, ist eine Schande.