Wahlkampf ruiniert Ihr Gedächtnis
Posted by flatter under PolitikKommentare deaktiviert
22. Dez 2008 0:48
Dieser Warnhinweis sollte auf allen Wahlplakaten verbindlich und deutlich lesbar plaziert werden. Es geht mal wieder los, einige Beispiele vom Tage:
Frank Walter Steinmeier, der nie für etwas zuständig war, es sei denn Heldentaten, und der sich im Zweifelfall gar nicht erst fragen läßt, woran er sich noch erinnert, deliriert schon in den Startböcken. Die SPD könne “stärkste Kraft werden“, und zwar in Hessen wie im Bund. Meine Herren, welch eine Leistung im Kampf gegen den Verstand! Daß die SPD in Hessen alle Trümpfe in der Hand hielt und was sie daraus gemacht hat, hat er schon verdrängt. Daß sein Kanzler Schröder wie auf Koks diese Parole ausgegeben hat und welchen kontinuierlichen Niedergang die SPD infolge dessen hingelegt hat, mag er ebensowenig wissen. Seine galoppierende Gedächtnisschwäche garniert er dabei mit ungeahntem Furor: “Flotte Sprüche oder das schönste Lächeln machen noch keine Politik“, will er erkannt haben.
Was aber dann? Dumme Sprüche? Schmerzvolle Selbstverstümmelung? Oder was hat der Kandidat für den Posten des historischen Wahlverlierers sonst noch im Angebot?
Der ehemals rotgrüne Soldat Fritz Kuhn greift noch tiefer in die fettige Klamottenkiste und stellt “eine Million neuer Jobs” in Aussicht. Hartzer, ick hör dir rollen. Mit zwei Millionen davon und der Halbierung der Arbeitslosen hat Peter “Puff Daddy” Hartz für Schröder, Fischer und die Agenda 2010 gewahlkämpft. Was daraus wurde, blüht heute noch jedem, der nicht bei drei auf dem Bau ist. Den Sinn in seinem Blödsinn erklärt Kuhn in souveräner Schizophrenie:
“Mir geht es hier aber nicht um wohlfeile Floskeln“, behauptet er und fügt sogleich an:
“Ich will, dass wir mit einem knappen, präzisen Programm antreten, bei dem sich die Überschriften aus sich selbst erklären“.
So wie die von den “Millionen Arbeitsplätzen”. Erklärt sich aus sich selbst, ist aber purer Stuß und definitionsreif “wohlfeil”. Der Wahlkampfdialektiker weiß: Das Sprichwort stimmt, denn was Kuhn da auftischt, sind keine Floskeln, sondern die alten Lügen in gnädiger Umhüllung einer grandiosen Vergeßlichkeit.
Franz Müntefering flankiert das Kollegenkabarett, indem er belegt, daß er noch gar nicht so alt ist, wie seine Senilität suggeriert. Er findet Clement genau so doof wie Lafontaine und faselt zu Protokoll:
“Die Lafontaines und die anderen sind keine Leute, die eine neue verantwortliche Politik aufbauen wollen, sondern das sind Leute, die den anderen wehtun wollen, aber nicht die Verantwortung übernehmen.”
Ja, das tut weh. Mit solchen Weltbild-Ruinen ist die hiesige politische “Elite” gesegnet, und dieser ungenießbare Brei wird dem Wahlvolk von den Berliner Chefköchen als Filet politischer Analyse serviert.
Die perfide Journaille, die es für opportun hielt, den Agenda-Sozen aus allen Rohren Feuerschutz gegen eine soziale Politik zu geben, macht sie inzwischen genauso lächerlich wie kürzlich noch den bösen rotroten Kurt Beck. Allein, daß ständig über die innerparteiliche Zerrissenheit der SPD berichtet wird, während alle anderen bürgerlichen Parteien dargestellt werden, als seien bei ihnen alle Latten fest im Zaun, ist schon tendenziös. Von den ewigen Kampagnen mal ganz abgesehen.
Was haben denn CSU, FDP und CDU so zu bieten? “Mia san mia”, “Steuern runter, Hirn raus” und Merkels ewiges “Wir müssen eine gemeinsame Lösung finden”.
Letzteres wäre doch einmal ein paar dutzend Artikel wert: Wer ist “wir”? Was bedeutet “gemeinsam”? Was sind denn das für Lösungen, wessen Probleme werden da gelöst, und wem halst man die Konsequenzen auf? Es ist ja nachvollziehbar, daß niemand die sprechende Puppe “Angie” ernst nimmt, aber von Journalisten durfte man einmal erwarten, daß sie solche Plattitüden nicht unkritisch wiedergeben, sondern sich einmal die Zeit nehmen, zu schauen, was je dahinter steckte. Es täte sich ein politischer Abgrund auf, in dem man locker die Finanzkrise versenken könnte. Es wurde noch für gar nichts eine Lösung gefunden, die Probleme wurden immer größer und “Gemeinsamkeit” ist längst die einer verschworenenen Bande von Versagern, die noch auf den falschen Gaul setzen, nachdem dieser vor aller Augen verreckt ist.
Ganz folgerichtig rudert die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing zurück und will nicht gemeint haben, daß man die Steuern auf alkoholische Getränke erhöhen soll, als sie sagte, diese seien (zu) “leicht verfügbar”. Sie will jetzt “wissenschaftlich untersuchen” lassen, was sie da gemeint haben könnte. Eine Prohibition vielleicht?
Nein, alles nur Spaß. Ein zur Nüchternheit gezwungenes Volk hätte eine Scheißlaune. Erstens, weil es eben gar keinen Spaß mehr hätte und zweitens, weil ihm aufgehen würde, daß und wie es permanent verkaspert wird. Vor der Stampede eines solchen Wahlviehs hätte sogar Vladimir Putin panische Angst.
Dezember 22nd, 2008 at 03:07
Tippfehler im Titel: runiert – bitte verbessern.
Ansonsten: sehr gelungener Text, da kommt einmla mehr die Verwirrung unserer Politfatzkes zum Vorschein. Ich hege allerdings die Befürchtung, dass die den Mist, den die verzapfen, selbst glauben. Denn als Lüge wäre das wohl all zu plump.
Dezember 22nd, 2008 at 03:58
Herr Frank Tireur:
Im Internet gilt die Regel: Vermute nie eine Bösartigekit, wenn als Erklärung auch simple Dummheit herhält.
Allerdings weigere ich mich, diese Faustregel auf das Real Life ™ zu übertragen, da ich ansonsten jedwede Hoffnung für die Menschheit fahren lassen müsste. Das ist eben das Problem.
Dezember 22nd, 2008 at 09:26
“Steuern runter, Hirn raus”
DAS ist doch mal eine schöne Losung für einen Gegenaufkleber zu diesem klebenden Abfall von BILD, auf dem auch irgendwas von “Steuern runtern” steht und den sich leider viel zu viele auf ihre Autos kleben.
Und ‘s Angela ihr “Wir müssen eine gemeinsame Lösung finden” ist doch dieses Pluralis majestatis und beweist den Geisteszusand des – nach V.Pispers – wandelnden, Sprechblasen absondernden Hosenanzugs.
Dezember 22nd, 2008 at 09:41
Und nach den Wahlen wird man sich wieder über die niedrige Wahlbeteiligung wundern, wo man doch einen so engagierten Wahlkampf gemacht hat.
Dabei hat der einen Wert, bei dem die Ausstrahlung auf 9live noch schade wäre….
Dezember 22nd, 2008 at 10:27
@Frank: Thnx, Anordnung ausgeführt ;-)
Dezember 22nd, 2008 at 11:42
Sehr guter Beitrag, flatter.
Das kranke Geplärre von einem Schäfer-Gümpel kommt ja noch hinzu.
Nachdem doch gerade SPD, Grüne und Groko die Senkungen der Steuern auf die oberen Einkommen ermöglichte, die sich eine Regierung aus CDU und FDP nie getraut hätte.
Die SPD zerlegt sich und merkt nichts davon?
Und sieht gar ‘Siegeschancen’?
Ein Irrenhaus ist das.
Ach ja, und – Weitermachen ist angesagt.
Es werden jeden Tag mehr, denen ein Licht aufgeht,
wenn für brennbares Material, Zündtemperatur und Sauerstoff gesorgt wird. ;-)
Dezember 22nd, 2008 at 11:49
https://images.zeit.de/text/1996/47/verges3.txt.19961115.xml
ein link zu benjamin korns essay: der mensch, die maschine des vergessens.
mir geht es dieser tage so, daß ich mich wundere, wie die worte der politiker so gar nichts mit der realität zu tun haben, für die sie verantwortlich sind.
Dezember 22nd, 2008 at 12:46
Frau Bätzing ist mir schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, denke ich mir, Gott sei Dank, dass die nicht in meiner Klasse war, bestimmt war sie Klassenstreberin und der Lehrer liebstes Kind.
Wie gut passt das zu ihrem Job, anderen Leuten das Rauchen und jetzt möglicherweise noch ihr Glas Wein vermiesen zu wollen. Natürlich ist es ungesund zu rauchen, aber sind wir nicht alle erwachsene Leute, die selber wissen, was wir tun, oder brauchen wir so eine Erziehungstante? (ich selbst rauche und trinke übrigens nicht…)
Besonders lächerlich erscheint mir ihre Tätigkeit angesichts der Tatsache, dass wir ansonsten von Giftstoffen zugemüllt werden, und das noch auf Betreiben des Staates: Medikamente, die krank machen, Amalgam-Füllungen, die krank machen, Ernährungstips für Hartz IV Empfänger, die auch den Genuss von verdorbenen und schimmligen Lebensmitteln propagieren…
Ich glaube Frau Bätzings Job soll wohl in Wahrheit nicht der Gesundheit der Bürger dienen, sondern wohl eher etwas dazu beitragen, dass auch mal wieder was in der Zeitung steht, während hintenrum EU-Verfassungen, verschärftes Sexualstrafrecht https://nexem.info/die-welt/neuer-gesetzesentwurf-zur-verschaerfung-im-sexualstrafrecht–1516/
und so weiter beschlossen werden.
Dezember 22nd, 2008 at 14:02
Auf die Ergebnisse in Hessen und bei der Bundestagswahl bin ich wirklich gespannt. Ich bin ja immer noch der Meinung, dass die SPD demnaechst das Projekt 18 ausrufen wird ;-).
Ein weiterer Punkt, der wohl viel ueber die aktuellen Verhaeltnisse sagen wird, wird die Wahlbeteiligung sein. Ich kann hier nur der Forderung von Herrn von Arnim beipflichten, dass unsere Politiker nach der Wahlbeteilung bezahlt werden sollten. Das haette sicher ein paar ganz interessante Dinge zur Folge.
Dezember 22nd, 2008 at 20:39
[...] Wahlkampf ruiniert Ihr Gedächtnis Dieser Warnhinweis sollte auf allen Wahlplakaten verbindlich und deutlich lesbar plaziert werden. Es geht mal wieder los, einige Beispiele vom Tage: [...]
Dezember 22nd, 2008 at 21:27
Wer in seinen “not-wendigen” Analysen zur Tagespolitik so viel Gift und Galle spuckt, wird sein Blog bestimmt nicht schließen.;-)
Dezember 23rd, 2008 at 10:01
SO dumm ist niemand, die haben einen klaren Plan. Wir sollen das nur denken …
Dezember 23rd, 2008 at 11:21
Parteien lösen keine Probleme:
Sie sind das Problem!
Mittelmäßigkeit & Gefolgstreue gaukeln den Parteispitzen vor, sie hätten den richtigen Weg eingeschlagen ….
Ein Beispiel (pars pro toto):
Loyalität wird belohnt (Bätzing)
- Widerstand bestraft (Hessen) ….
Wie soll denn daraus Fortschritt erwachsen?
Dezember 23rd, 2008 at 18:20
Sehr zutreffend. Danke.
Dezember 25th, 2008 at 12:35
Dass man von Merkel und Co. nichts halten sollte, ist klar. Aber von Mittelmaß sprechen? Da fange ich an zu grübeln. Selbstverständlich, Geistesriesen sind es nicht. Aber ich vermute, die Herrschaften wissen ganz genau, wo Bertel den Most holt, und sie wissen ganz genau, was sie tun. Zumindest wissen sie, was ihnen gut tut. Das ist nur dem Großteil ihrer Wähler noch nicht klargeworden, dank der Schleimer in Medien und sogenannten Wissenschaften, auf die man sich beruft.
Januar 2nd, 2009 at 18:58
[...] Nichtwähler“ aufraffen und ihre Stimme gegen Roland Koch in die Waagschale werfen würden! Feynsinn plädiert für Warnhinweise auf Wahlkampfplakaten mit dem Wortlaut Wahlkampf ruiniert ihr [...]